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Große Klappe, viel dahinter

Energietechnik. - Wellen enthalten enorm viel Energie: Könnte man sie ernten und in Strom umwandeln, ließe sich ein Drittel des Strombedarfs der Menschheit decken – zumindest theoretisch. Bislang aber haben sich Wellenkraftwerke nicht durchgesetzt. Denn die meisten Prototypen waren zu wenig robust und auch zu teuer. Auf der Internationalen Konferenz über Ozeanenergie im irischen Dublin scheint sich jedoch ein Wandel anzudeuten.

Von Frank Grotelüschen |
    Eine einsame Bucht auf einer der Orkney-Inseln im Norden Schottlands. Das Auge streift über die Brandung – und bleibt unvermittelt an etwas Gelbem hängen, das ein paar hundert Meter vom Strand entfernt mit den Wellen hin- und herwogt. Für eine Boje zu groß, für ein Schiff viel zu tief im Wasser. Nein, es ist die Spitze eines neuartigen Wellenkraftwerks namens Oyster, auf deutsch Auster.

    "Es heißt Auster, weil es ziemlich genau so aussieht wie die Muschel: Die Anlage besteht aus einer Klappe, sie ist mit einem Gelenk an einem Gestell befestigt, das in 15 Metern Tiefe am Meeresgrund verankert ist. Die Klappe bewegt sich in der Brandung auf und ab und erzeugt dadurch Energie. Also so ähnlich wie eine Auster, die ihre Schale auf- und zuklappt","

    sagt Martin McAdam, Chef der schottischen Firma Aquamarine Power. Die Klappe besteht aus mehreren Auftriebskörpern, nur der oberste schaut aus dem Wasser. Mit jeder heranrauschenden Welle wird sie kräftig nach unten gedrückt. Danach dann richten die Auftriebskörper die Klappe wieder auf. Jedes Mal beim Zuklappen liefert das Gebilde Strom. Der Clou der Technik:

    ""Wir erzeugen den Strom nicht im Wasser, sondern an Land. Denn wenn sich die Klappe mit der Brandung bewegt, setzt sie zwei Kolben in Gang. Diese Kolben drücken Wasser durch eine Pipeline an Land. Das Wasser treibt dann eine Stromturbine an, die wie gesagt nicht im Wasser steht, sondern auf trockenem Land."

    Nachdem es in der Turbine Strom erzeugt hat, wird das Wasser wieder zurück ins Meer geleitet. Im Gegensatz zu den meisten anderen Wellenkraftwerks-Konzepten hat die Sache den Vorteil, dass der empfindliche Teil der Technik, da er an Land steht, geschützt ist gegen die Wucht der Wellen und das aggressive Meerwasser. Zunächst experimentierten McAdam und seine Leute mit Modellen im Wellenkanal, später mit kleinen Prototypen an der Küste. Und nun, vor drei Monaten, haben sie auf Orkney die erste wirklich ernstzunehmende Anlage installiert. Sie leistet bis zu 800 Kilowatt, also ungefähr so viel wie ein mittelgroßes Windrad.

    "Dieser Prototyp ist ziemlich groß: 26 Meter breit und 15 Meter hoch. Das ist bereits die Größe, die später auch die kommerziellen Anlagen haben sollen."

    2015, so hofft McAdam, soll die Technik marktreif sein. Die große Herausforderung ist, die Anlagen halbwegs wirtschaftlich bauen zu können. Denn damit sich die Technik rentiert, darf sie nicht teurer sein als die Offshore-Windenergie. Und um das zu schaffen, wird die Auster nicht alleine kommen, sondern gleich im guten Dutzend.

    "Wir planen regelrechte Austern-Farmen. Denn bei unserem Konzept bietet es sich an, dass nicht jede Klappe ihre eigene Turbine an Land hat, sondern dass man zehn oder 20 Klappen an eine einzige, größere Turbine anschließt. Denn das würde die Sache deutlich wirtschaftlicher machen."

    Von Land aus würde man allerdings die Spitzen der Klappen aus dem Wasser ragen sehen, was Anwohner und Touristen stören könnte. Die große Frage aber bei der Wellenenergie lautet: Sind die Anlagen stabil genug, um starken Stürmen und hohen Wellen zu trotzen? Für Oyster, die mechanische Auster, sei das kein Problem, behauptet Martin McAdam.

    "Der Vorteil von Oyster ist, dass sich seine Klappen bei hohen Wellen schließen wie bei einer richtigen Auster. Das schützt sie vor Schäden. Und deshalb funktioniert unsere Maschine im Gegensatz zu vielen anderen Konzepten auch bei einem handfesten Sturm."

    Was sich aber im kommenden Winterhalbjahr erst noch zeigen muss. Denn dann kann es im Norden Schottlands schon mal kräftig scheppern.