Die Bundesregierung ist sich beim Thema Glyphosat nicht einig. Die SPD-geführten Ministerien hatten schon in der vergangenen Woche angekündigt, bei der EU gegen die Verlängerung der Zulassung des Pflanzengiftes zu stimmen. Die Union ist für die weitere Zulassung.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, SPD, bekräftigte nun in der ARD ihre Ablehnung: "Es bleibt die Offenheit der Frage, wie ist es mit der menschlichen Gesundheit, das ist ein übergeordneter Gesichtspunkt, der über die engeren Zuständigkeiten des Umweltministeriums hinaus geht. Und deswegen haben sich alle sozialdemokratisch geführten Ministerien entschieden, nicht der Verlängerung zustimmen zu wollen."
Das kann durchaus als Anspielung auf CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt verstanden werden. Der hatte in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" seine Kabinettskollegin hart angegriffen und gesagt: "Das Umweltressort geht mit manchem Vorstoß zu weit, das ist doch kein Überministerium."
Der Landwirtschaftsminister reagiert damit irritiert darauf, dass die sozialdemokratischen Minister einen länger bestehenden Kompromiss zum Thema Glyphosat kurzfristig aufgekündigt haben. Der Berichterstatter für Pflanzenschutzmittel der Unionsfraktion, Hermann Färber: "Die Unionsfraktion ist für die Verlängerung von Glyphosat. Das ist keine Frage. Denn das ist keine politische Entscheidung, das ist eine Entscheidung, die auf wissenschaftlicher Basis getroffen werden muss. Die wissenschaftlichen Ergebnisse wurden gestern noch mal bestätigt von der WHO, dass dieser Verdacht, dass Glyphosat krebserregend ist, so nicht haltbar ist."
SPD sieht weiter "Abstimmungsbedarf"
CDU-Mann Färber wirft der SPD vor, sprunghaft zu sein und einen Kompromiss der Großen Koalition bei Glyphosat kurzfristig aufgekündigt zu haben: "Nein, das ist keine Einigkeit. Die haben wir leider letzte Woche wieder verloren. Der Koalitionspartner hat offensichtlich dem Druck der NGOs und der Kampagne gegen Glyphosat nachgegeben."
Die Diskussion beschäftigt nun offenbar auch die Regierungschefin. Färber deutete an, dass in diesen Streit nun auch das Kanzleramt eingreift, ein Gespräch zur Klärung der Regierungslinie sei sehr wahrscheinlich.
Vonseiten der SPD hieß es heute, dass es bei der Bewertung der Risiken von Glyphosat weiter "Abstimmungsbedarf" gebe. So äußerte ein Sprecher des SPD-geführten Bundeswirtschaftsministeriums am Vormittag gegenüber der Nachrichtenagentur EPD. Das Wirtschaftsministerium sei "grundsätzlich skeptisch", solange widerstreitende wissenschaftliche Positionen vorlägen.
Zur Risikobewertung gibt es Studien verschiedener Organisationen, die zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen. Gestern hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO Entwarnung für Glyphosat gegeben. Es sei "unwahrscheinlich", dass das Pflanzengift ein Krebsrisiko für den Menschen darstelle. Auch das deutsche Institut für Risikobewertung kommt zu dem Schluss, dass Glyphosat nicht krebserregend ist.
Studien mit unterschiedlichen Fragestellungen
Die Internationale Agentur für Krebsforschung kommt zum gegenteiligen Ergebnis: Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend. Auch sie gehört zur Weltgesundheitsorganisation WHO.
Experten verweisen jedoch darauf, dass die Studien mit unterschiedlichen Fragestellungen gearbeitet hätten und deshalb zu anderen Ergebnissen kämen.
Die Opposition im Bundestag ist gegen den Einsatz des Pestizids, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Oliver Krischer: "So bleibt die Einschätzung, Glyphosat ist krebserregend, und auch der Wissenschaftler-Streit, der um die Sache tobt, das Vorsorgeprinzip, das sonst in der EU gilt, walten zu lassen." Umweltverbände weisen zudem auf die Bedrohung der Artenvielfalt durch das Pflanzengift hin.
Die EU-Zulassung für den Wirkstoff endet am 30. Juni. Der EU-Ausschuss für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit will voraussichtlich am Donnerstag entscheiden, ob die Zulassung verlängert werden soll oder nicht. Das kann die Methoden der Landwirtschaft für die Zukunft deutlich beeinflussen. In dem Ausschuss sitzen Vertreter der 28 Mitgliedstaaten. Wenn Deutschland keine gemeinsame Linie findet, müsste es sich enthalten. Da auch andere europäische Länder, wie Frankreich skeptisch gegenüber Glyphosat sind, ist kurz vor der Abstimmung noch unklar, wie sie ausgeht.