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Große Koalition in Oaxaca als Vorbild für Mexiko

Im Bundesstaat Oaxaca regiert seit einem Jahr nicht die konservative Partei der Nationalen Aktion, PAN, sondern ein breites Parteienbündnis. Die Hoffnungen sind groß, dass die Koalition auch als Vorbild für ganz Mexiko gelten könnte, um im Kampf gegen die Drogenkartelle Erfolg zu haben.

Von Markus Plate |
    Für rund fünf Millionen Touristen jährlich steht der mexikanische Bundesstaat Oaxaca auf dem Besuchsprogramm. Nirgendwo sonst ist der koloniale und indigene Reichtum Mexikos besser zu bewundern als hier. Ob das koloniale Schmuckkästchen Oaxaca-Stadt oder die beeindruckenden Reste der prähispanischen Zapoteken-Hauptstadt Monte Alban.

    Von den 65 ethnischen Gruppen Mexikos sind allein 18 in Oaxaca zu Hause. Doch nirgendwo sonst in Mexiko sind so viele Kinder unterernährt, ist die Kinder- und Müttersterblichkeit so hoch, wie gerade in den indigenen Gemeinden. Oaxaca, einer der drei ärmsten Bundesstaaten Mexikos. Und einer, in dem die Partei der institutionalisierten Revolution PRI 80 Jahre lang herrschte - gestützt auf Lokalfürsten, die sogenannten Kaziken, auf eine Günstlingswirtschaft, eine hörige Justiz und paramilitärischen Terror.

    Ein Aufstand im Jahr 2006 brachte den Wendepunkt. Monate lang legte er das Leben in der Hauptstadt lahm und wurde schließlich vom damaligen Gouverneur Ulices Ruiz brutal niedergeschlagen. Die Zeit war reif für das Ende der PRI-Herrschaft. Und der Jubel war groß, als im Juni 2010 eine Koalition aus rechter PAN, sozialdemokratischer PRD und zwei weiteren Parteien die Wahlen gegen die PRI gewannen. Ebenso die Hoffnung auf tief greifende Reformen, auf eine Verbesserung der Lebensumstände - und auf Gerechtigkeit. Der neue Gouverneur Gabino Cue bei seiner Amtseinführung am 1. Dezember letzten Jahres:

    "Oaxaca lebte in Angst. Angst vor einem System der Ungleichheit. Angst vor der Verletzung der Menschenrechte und der ständigen Verfolgung sozialer Aktivisten und Bewegungen. Wir werden keine Rache oder Sündenböcke suchen. Aber ich werde auch keine Straflosigkeit dulden! Und es wird keinen Schutz für diejenigen geben, die durch ihre Taten das Vertrauen und den Einsatz der Menschen verraten haben."

    Inzwischen hat die Regierung erste Programme zur Armutsbekämpfung präsentiert, Investitionen in die Infrastruktur, in Bildung, in die Wirtschaft - Und politische Reformen. Gouverneur Gabino Cue:

    "Wir haben fast dreißig Verfassungsartikel geändert. Der Kongress als Legislative erhält mehr Rechte gegenüber der Regierung, die Justiz mehr Unabhängigkeit und Mittel. Die Menschenrechtskommission wurde gestärkt. Wir haben Elemente partizipativer Demokratie eingeführt. Amtsträger können nun per Volksabstimmung ihres Amtes enthoben werden und sie alle - vom Bürgermeister bis zum Gouverneur - müssen sich nun regelmäßig öffentlichen Anhörungen stellen."

    Die Regierung Oaxacas ist stolz auf diese Reformen – auch deswegen, da es auf Bundesebene, in Mexiko-Stadt, seit Monaten nicht gelingt, ähnliche Reformen auf den Weg zu bringen. Doch auch in Oaxacas bleibt noch viel zu tun, wie Anabel López Sanchez einräumt. Sie ist die Chefin der Regierungsbehörde der Oaxaqueñischen Frau, dem IMO:

    "Wir sind in allen Institutionen gerade erst dabei, den Entwicklungsplan für diese Legislaturperiode auszuarbeiten und für 2011 müssen wir noch mit dem Haushalt arbeiten, der unter der letzten PRI-Regierung beschlossen wurde. Aber Indígenas, Gender und Frauen, das sind nun Ressort übergreifende Themen, zu dem alle Ministerien und Behörden arbeiten müssen. Wir haben erste Gesundheitsprogramme für Frauen, es gibt eine neue Staatsanwaltschaft, die sich speziell um Delikte gegen Frauen kümmert und hier im Institut haben wir den Bereich, der sich um Opfer häuslicher Gewalt kümmert, stark ausgebaut."

    Doch vielen geht der Wandel nicht schnell genug. Die mächtige Lehrergewerkschaft etwa macht Druck, dass die Regierung endlich das unterfinanzierte und rückständige Bildungssystem umbaut. Auch im Gesundheitswesen gibt es bislang kaum Konkretes, beide Felder gelten als Schlüssel für Entwicklung in Oaxaca. Die Regierung habe viel versprochen, vielleicht zu viel, meint Alfonso Cárdenas, der sich für Menschenrechte einsetzt.

    "Viele Menschen wollten den politischen Wandel, aber im Alltag reproduzieren sie traditionelle Muster. Wenn man daran nicht arbeitet, gibt es zwar einen Regierungswechsel, aber keine substanziellen Veränderungen. Bislang sehe ich keine große Entschlossenheit, diese Dinge wirklich anzupacken. Und wenn man gerade bei der versprochenen Verfolgung der Verbrechen der PRI-Regierung nicht langsam Taten folgen lässt, dann gehen die Menschen davon aus, dass sich nichts geändert hat."

    Ein weiteres Problem sind die ideologischen Gräben innerhalb der Regierung Oaxacas, zwischen der rechtskonservativen PAN und der halblinken PRD. Über delikate Themen werde gar nicht erst geredet, konstatiert die Frauenrechtlerin López Sánchez, über ein liberaleres Abtreibungsrecht, über Drogenpolitik, über die Homoehe, über AIDS-Prävention. Andere potenzielle Konfliktfelder sind – wie auf Bundesebene - die Sicherheits-, die Sozial- und die Wirtschaftspolitik. Und dennoch wird Oaxaca als Modell gehandelt, um bei den 2012 anstehenden Wahlen auf Bundesebene die drohende Rückkehr der PRI ins Präsidentenamt zu verhindern. Warum, erklärt Anabel López Sanchez:

    "Wir sind das Laboratorium Mexikos. Wenn die Allianz in einem Bundesstaat funktioniert, in dem es eine solche Tradition starker und unterschiedlichster sozialer Bewegungen gibt, dann funktioniert sie auch auf Bundesebene. Aber die schwierige Frage ist eben, ob das hier funktionieren wird."