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Große Koalition
Parteispitzen einigen sich auf Asylpaket II

Die Große Koalition hat sich nach monatelangem Streit über das Asylpaket II auf einen Kompromiss verständigt. Für Flüchtlinge, "die nicht unmittelbar persönlich verfolgt" seien, werde der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Zudem sollen Marokko, Algerien und Tunesien sogenannte "sicheren Herkunftsländer" werden. Pro Asyl spricht von "bitteren Entscheidungen".

    CSU-Chef Horst Seehofer, SPD-Chef Sigmar Gabriel und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beraten im Kanzleramt.
    CSU-Chef Horst Seehofer, SPD-Chef Sigmar Gabriel und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beraten im Kanzleramt. (pa/dpa/Nietfeld)
    "Das Asylpaket II, das steht jetzt und kann sehr schnell ins Kabinett gehen", betonte Gabriel vor Journalisten. Zuvor hatte er sich nach stundenlangen Verhandlungen mit CDU-Chefin Angela Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer auf den Kompromiss geeinigt.
    Der Einigung zufolge soll das Nachholen enger Angehöriger von Flüchtlingen mit eingeschränkten ("subsidiärem") Schutz wie zunächst auch geplant für zwei Jahre ausgesetzt werden. Das war eine Forderung besonders der CSU, die SPD hatte dies zunächst abgelehnt. Im Gegenzug sei nun aber vereinbart worden, dass "bei den jetzt zu verhandelnden Kontingenten von Flüchtlingen aus der Türkei, aus Jordanien, aus dem Libanon Vorrang für Familiennachzug gewährt wird", sagte Gabriel. "Und zwar auch für subsidiär Schutzbedürftige." Der SPD-Chef sprach von einem guten Kompromiss. Ihm zufolge wurde zuletzt rund 18 Prozent der syrischen Flüchtlinge der sogenannte subsidiäre Schutz gewährt.
    "Subsidiär Geschützte" sind Personen, die sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen können und auch keinen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen, aber dennoch nicht heimgeschickt werden, weil ihnen dort zum Beispiel Todesstrafe oder Folter droht.
    Monatelange Debatten über Details
    CSU-Chef Seehofer äußerte sich "hoch zufrieden". "Es gilt also die Vereinbarung von Anfang November." Die CSU habe sich zu jedem Zeitpunkt an die vor drei Monaten getroffene Vereinbarung gehalten.
    Die Parteien hatten monatelang über den Familiennachzug von syrischen Flüchtlingen gestritten. Bereits Ende Oktober 2015 trat ein umfangreiches Gesetzespaket in Kraft, das im Kern vorsah, abgelehnte Asylbewerber schneller in die Heimat zurückzuführen.
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU, l-r), Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geben am 08.05.2015 im Bundeskanzleramt in Berlin nach einem Spitzentreffen von Bund und Ländern zum Umgang mit der wachsenden Zahl von Flüchtlingen eine Pressekonferenz
    In der Großen Koalition hatte es Streit über das Asylpaket II gegeben. (dpa / picture-alliance / Wolfgang Kumm)
    Schon wenig später einigten sich die Spitzen von Union und SPD auf das Asylpaket II. Es soll unter anderem auch die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern erleichtern und schnellere Verfahren für Flüchtlinge ohne Bleibechance ermöglichen. Die Verhandlungen in der Regierung über das Paket zogen sich jedoch hin.
    CDU-Generalsektretär Peter Tauber sprach von einer guten Nachricht. "Der Beschluss trägt dazu bei, unser Ziel zu erreichen: die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber spürbar zu reduzieren."
    Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte die Beschlüsse. "Das sind ganz bittere Entscheidungen", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der Nachrichtenagentur AFP. "Das ist ein gravierender Eingriff in das Grundrecht auf das Zusammenleben als Familie." Den Betroffenen bleibe damit nur, illegale Wege zu gehen. "Das wird das Geschäft der Schleuser und Schlepper beleben."
    Die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner sagte, wer den Familiennachzug aussetze, nehme billigend in Kauf, dass Kinder und Frauen im Mittelmeer ertrinken würden. Die Linken-Politikerin Cornelia Möhring erklärte, die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten führe zu mehr Abschiebungen und sei menschenverachtend.
    Maghreb-Staaten sollen "sichere Herkunftsländer" werden
    SPD-Chef Gabriel erklärte weiter, die Koalition habe sich auch darauf verständigt, Marokko, Algerien und Tunesien zu "sicheren Herkunftsstaaten" zu erklären. Asylbewerber aus diesen Ländern sollen so schneller wieder in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Marokko hat sich schon dazu bereiterklärt, abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen.
    Der Königspalast in Rabat teilte der Nachrichtenagentur MAP zufolge mit, man werde umgehend mit Vertretern Deutschlands Gespräche über eine Abschiebung von Marokkanern intensivieren, die sich illegal in der Bundesrepublik aufhielten. Im Zuge des jüngsten Zustroms von Migranten hätten sich einige fälschlicherweise als Flüchtlinge ausgegeben. Schlepper auf beiden Seiten des Mittelmeers hätten zudem die Situation für sich ausgenutzt.
    Merkel trifft sich mit Ministerpräsidenten
    Union und SPD haben sich außerdem nach Angaben von Gabriel eine Änderung für junge Flüchtlinge vereinbart: Wer als Asylbewerber nach Deutschland kommt, eine Ausbildung beginnt und diese erfolgreich abschließt, soll anschließend zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen. Die Eigenbeteiligung von Asylbewerbern für Integrationskurse solle zehn Euro im Monat betragen.
    Am Abend ist zudem noch ein Treffen Merkels mit den Ministerpräsidenten der Länder geplant. Themen sind unter anderem eine bessere Integration der Flüchtlinge sowie der soziale Wohnungsbau.
    (hba/fwa)