" Da hat eine Frau die europäische Bühne betreten, von der ich heute sagen muss: Ich habe keine anderen Europäer gesehen - wenige. Und keine solche! Das war schon erstaunlich!"
Sagt der Österreicher und Grüne Europaabgeordnete Johannes Voggenhuber und steht mit dieser Bewertung nicht alleine da.
Europa gelingt gemeinsam, lautete das Motto der deutschen Ratspräsidentschaft, dem sich die Kanzlerin bis zuletzt verpflichtet fühlte. Dass am vergangenen Wochenende nicht nur der Fahrplan zur Lösung der Verfassungsfrage erstellt, sondern zugleich auch mit einer konkreten Inhaltsangabe versehen wurde und damit ein Großteil des alten Verfassungsvertrages in einen neuen Reformvertrag überführt werden konnte, gehört sicherlich zu den größten Erfolgen. Mit solch einem konkreten Ergebnis hat vor sechs Monaten niemand gerechnet.
Schließlich hatten neben der klaren Ablehnung der Verfassung in Frankreich und den Niederlanden 18 europäische Staaten das Vertragswerk bereits ratifiziert. Da eine neue Balance zu finden, erschien am Anfang als eine schwierige Gratwanderung.
Eine Verschiebung auf unbestimmte Zeit wollte die Kanzlerin mit aller Kraft verhindern. Nur einmal schien Angela Merkel ihrem Motto, Europa gelingt gemeinsam, untreu zu werden, als sie in der zweiten Gipfelnacht nach dem erneuten Veto der polnischen Regierung drohte. Sie wagte den Vorstoß, die Regierungskonferenz zur Ausarbeitung des Reformvertrages ohne Polen zu beginnen, was rechtlich kein Problem gewesen wäre. Da waren es die Regierungschefs einiger anderer Mitgliedsländer, etwa der luxemburgische Ministerpräsident Jean Claude Juncker, die Merkel auf die Bahn des europäischen Kompromissmodells: alle oder keiner zurückgeholt haben. Heraus kam die Verschiebung des Systems der doppelten Mehrheit auf das Jahr 2017 und damit die Einbeziehung Polens in ein Gesamtpaket.
" Ohne Umschweife müssen wir sagen, die deutsche Präsidentschaft hat es geschafft, mit allen, die Europa voran bringen wollten, Europa voranzubringen. Der Text ist in Ordnung, aber die Musik war grausam."
Sagte der französische Europaabgeordnete der Grünen Daniel Cohen Bendit.
Die Kanzlerin selbst machte sich nur eine bescheidene Bewertung zu eigen und nahm ihr Motto, Europa gelingt "nur" gemeinsam, zum Ausgangspunkt. Vor den Europäischen Parlament warnte Angele Merkel vor neuen Spaltungstendenzen, vor denen man auf der Hut bleiben müsse.
" Alles muss immer aufs neue gestärkt und verteidigt werden. Vertrauen aufbauen braucht Jahrzehnte, Vertrauen enttäuschen, das geht über Nacht, ja das geht über Nacht."
Merkel erteilt einem Europa der zwei Geschwindigkeiten eine klare Absage, hält ebenso wenig von einem deutsch-französischen Motor, sondern verfolgt die Strategie, vor allem die neuen osteuropäischen Mitglieder zu hören. Die Brüder Lech und Jaroslaw Kascynski, Präsident und Premiere Polens ignorierten den guten Willen Deutschlands und machten Merkel und der gesamten Gemeinschaft das Leben schwer. Und dies, obwohl Warschau zum Beispiel im Fleischstreit mit Russland jede Unterstützung aus Brüssel und Berlin erfuhr. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso erklärte warum.
" Die Schwierigkeit, die ein Mitgliedsland hat, ist eine Schwierigkeit für uns alle in der EU. Wir sind eine Gemeinschaft, die auf dem Prinzip der Solidarität basiert. Und somit ist ein polnisches Problem ein EU-Problem. Ein litauisches oder estnisches ein EU-Problem."
Die sture Verweigerungshaltung der Polen brachten die Staatschefs beim Brüssler Gipfel allesamt auf die Palme. Das Fass war übervoll, als Lech Kaczynski die Runde der 27 verließ, um mit seinem Bruder Jaroslaw zu telefonieren. Der Premier hatte in Warschau im Fernsehen Polens unverrückbare Haltung bekräftigt, als in Brüssel noch um einen Kompromiss gerungen wurde. Die 26 EU-Mitglieder waren sich einig: So funktioniert Europa nicht und lasen dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski solange die Leviten, bis der schließlich einlenkte. Wie Beobachter berichteten, griffen die deutschen Beteiligten gar nicht mehr ein, die anderen Mitglieder waren empört genug. Zum angeschlagenen Verhältnis Warschau-Moskau kam eine handfeste estnisch-russische Krise hinzu. Sie entstand, als in Tallin das Denkmal eines sowjetischen Soldaten kurz vor dem Tag des Sieges, dem 9. Mai, aus dem Stadtzentrum auf einen Soldatenfriedhof umgesetzt wurde. Zwischendurch hatten einige osteuropäische EU-Länder nicht wenig Lust, das Treffen der EU-Troika mit Russland in Samara kurzerhand abzusagen, wovon Außenminister Steinmeier ganz und gar nichts wissen wollte.
" Gerade in einer Situation, in der die Lage nicht einfach ist, muss man miteinander reden und im übrigen gilt der Grundsatz: Vorschläge statt Vorwürfe."
Die EU-Troika reiste an die Wolga und ging mit dem russischen Präsidenten beim Essen in einer russischen Bauernhütte und nachts bei einer Bootsfahrt auf der Wolga die Agenda durch.
So offen sie in kleiner Runde diskutierten, so offen traten sie vor die Presse. Ein neuer Ton.
" Ich will hervorheben, dass es immer besser ist, miteinander zu reden als übereinander zu reden. Ich sag ganz offen, dass ich mir wünsche, dass heute Nachmittag, die, die in Samara demonstrieren wollen und ihre Meinung zum Ausdruck bringen wollen, das auch tun können und bin etwas besorgt, dass manch einer Schwierigkeiten hat beim Anreisen. "
Den russischen Präsidenten traf dieser Satz unvorbereitet. Er setzte sich zur Wehr.
Der offene Schlagabtausch beim EU-Russland-Treffen bestätigte: unangenehme Themen müssen durchaus nicht nur hinter verschlossenen Türen behandelt werden, ein reinigendes Gewitter verkraften beide Seiten. Der polnisch-russische Fleischstreit, scheinbar eine Petitesse, blockierte bis zum Schluss ein Vorhaben, das Deutschland in seiner Ratspräsidentschaft gern selbst auf den Weg gebracht hätte: Die Neuaushandlung des ablaufenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommens der EU mit Russland.
Noch mehr als ohnehin schon, war der Außenminister in der Welt unterwegs. Zweimal allein in Zentralasien, denn die deutsche Ratspräsidentschaft hatte sich vorgenommen, erstmals eine EU-Zentralasien-Strategie vorzulegen. Am Ende der ersten Reise, die Steinmeier nach Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan führte, konstatierte er:
" Die Notwendigkeit einer Initiative für Zentralasien durch die EU ist mir nie deutlicher gewesen als nach dieser Reise in eine Region Die Reise in eine Region, die nach 70 Jahren Zugehörigkeit zur Sowjetunion aus der Wahrnehmung Europas oder vielleicht sogar der Welt hinausgetreten ist und zu der uns immer noch nicht genügend Kenntnisse zur Verfügung stehen und deshalb bin ich froh, dass wir diese Reise in alle fünf zentralasiatische Staaten unternommen haben und dabei auch kennengelernt haben, wie unterschiedlich diese Staaten in der Tat sind."
Unterschiedlich reich an Rohstoffen und verschieden weit auf dem Weg hin zu demokratischen Gesellschaften. Am weitesten hinterher hinkt Turkmenistan, das sich jetzt, nach dem Ende vorigen Jahres Diktator Nijasow überraschend starb, vorsichtig öffnet. Für die neue Zentralasienstrategie gilt: Keines der fünf Länder soll ausgeschlossen werden, um Rivalitäten nicht unnötig anzuheizen. Buchstäblich am letzten Tag der deutschen Präsidentschaft, nämlich morgen, wird die Initiative in Berlin präsentiert. Das Dringen auf die Einhaltung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit findet in der EU-Zentralasienstrategie einen angemessenen Platz, so dass selbst die Opposition nicht den Einwand erhebt, für Öl und Gas würde die EU zu Abstrichen bei demokratischen Standards bereit sein. Dennoch erheben sich kritische Stimmen. Für sie kommt die Initiative viel zu spät. China, Japan und die USA haben die zum Teil ressourcenreiche Region schon seit Jahren fest im Blick. Europa dagegen wurde erst auf sie aufmerksam, als das Thema Energiediversifikation immer akuter wurde.
Mehrfach hatten die russischen Energielieferanten an den Absperrventilen der nach Westen führenden Gas- und Ölpipelines gedreht. Auch wenn sich dies vor allem gegen die Kunden russischer Energiekonzerne in Weißrussland und der Ukraine richtete: Die Folgen waren auch weiter im Westen, in der EU zu spüren. Die Mitgliedstaaten bekamen vor Augen geführt, wie sehr sie von Öl- und Gaslieferungen aus Präsident Putins Reich abhängen.
" Ich unterstütze sehr, dass wir im Bereich der Energie weiterarbeiten. Der russische Präsident Wladimir Putin hat gesagt, es gibt ein Interesse daran, dass wir für eine längere Perspektive einmal den europäischen Bedarf klassifizieren, damit hier auch wirklich die Möglichkeit besteht zu überlegen, was kann man gemeinsam machen, was nicht. Dazu gibt es ausdrücklich die Bereitschaft."
Eine zweite Entwicklung hatte sich über Jahre hinweg angebahnt, war aber kaum ins Bewusstsein der europäischen Öffentlichkeit gelangt. Es war die Debatte über den Klimawandel, die erst im vergangenen Jahr aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaften in die Sphäre der Politik getragen wurde. Und zwar durch die immer alarmierender klingenden Berichte des UN-Klimarates. Daraufhin setzte es sich die Europäische Union zum Ziel, beides, Klimaschutz und Versorgungssicherheit, zu einer Gesamtstrategie zu vereinen. Beim ersten Gipfeltreffen unter ihrem Vorsitz, im März in Brüssel, war es die Aufgabe Angela Merkels, die überaus unterschiedlichen Positionen der 27 unter einen Hut zu bringen. Am Ende der Beratungen wurde nicht mit Superlativen gespart. Von einer globalen Vorreiterrolle der EU war da die Rede, von Bahn brechenden Beschlüssen. Und Angela Merkel hatte zudem bewiesen, dass sie Klimaschutz nicht nur predigt:
" Ich darf Ihnen berichten, dass die allermeisten Glühbirnen in meiner Wohnung Energiesparlampen sind, was mich ab und zu zu dem Wunsch bringt, dass sie technisch noch etwas verbessert werden, sie geben nämlich noch nicht so ein helles Licht. Und manchmal, wenn ich was auf dem Erdboden suche, habe ich Schwierigkeiten, aber ich bin auf dem richtigen Weg zu Hause."
20 - 20 - 20, so lautet die Formel, auf die sich die Staats- und Regierungschefs verständigt haben. Die Energieeffizienz in der EU soll um 20 Prozent gesteigert werden. Der Anteil der erneuerbaren Energien soll ebenfalls auf 20 Prozent ansteigen. Der CO2-Ausstoß in der EU soll wiederum um 20 Prozent abnehmen. Und das alles innerhalb von dreizehn Jahren, also bis 2020. Die Gipfelrunde sagte sogar eine Reduzierung der Treibhaugasemissionen um 30 Prozent zu, wenn andere große Wirtschaftsnationen, also vor allem die USA, China und Indien, sich dasselbe Ziel setzen.
Die noch ausstehende Umsetzung der pauschalen Gipfelbeschlüsse in konkrete Politik wird, das darf als sicher gelten, Streit entfachen. Etwa beim Thema CO2-Reduktion. Die neuen EU-Länder machen geltend, dass sie sich 18 Jahre nach der Wende noch immer in einem wirtschaftlichen Aufholprozess befinden. Strenge Auflagen für die polnische Energiewirtschaft, die sich weitgehend auf Kohle stützt, will Warschau deshalb nicht akzeptieren. Frankreich hingegen, das seinen Strom überwiegend in CO2-freien Atomkraftwerken produziert, will nichts wissen von einer Verpflichtung, erneuerbare Energien massiv auszubauen. Es ist also abzusehen, dass die Mitgliedstaaten erbittert streiten werden, wenn es darum geht, die gesamteuropäischen Zielmarken auf die einzelnen Staaten zu verteilen. Herbert Reul, CDU-Abgeordneter im Europaparlament, warnt davor zuzulassen, dass am Ende der Debatten die deutsche Industrie den Löwenanteil der CO2-Reduktion zu tragen hat:
" Ich bin noch nicht überzeugt, dass Frankreich, das 80 Prozent Kernenergie hat, die Notwendigkeit einsieht, noch Riesenzusatzleistung zu erbringen. Ich kann nachvollziehen, dass neue Länder, die dabei sind in Europa, die gerade wirtschaftlich in Schwung kommen, dass man die jetzt nicht abwürgen darf, indem man denen zuviel abverlangt. Da am Ende dann Deutschland die Zeche bezahlt und wir dann voller Begeisterung unsere Wirtschaft abwürgen dann muss ich sagen, kann das auch nicht die Lösung sein. "
Mit welch harten Bandagen gestritten werden wird, zeichnet sich bereits in einem anderen Bereich ab: Bei den CO2-Grenzwerten für Autos. Da die Automobilindustrie ihr Versprechen, die Emissionen drastisch zu senken, nicht eingehalten hat, will die EU-Kommission nun mit einer Richtlinie verbindliche Vorgaben machen. Künftig sollen Autos nur noch 120 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen, so ihr Vorschlag. Die Bundesregierung fürchtet, dass die deutsche Automobilindustrie, die anders als die übrigen europäischen Hersteller vor allem auf große und schnelle Autos setzt, ins Hintertreffen geraten könnte. Unter deutscher Präsidentschaft wurde deshalb lediglich beschlossen, den CO2-Ausstoß auf durchschnittlich 130 Gramm pro Kilometer zu begrenzen. Vor allem aber wurde die Entscheidung darüber, wie dieser EU-weite Durchschnittswert erreicht werden soll, auf den Herbst vertagt. Claude Turmes, der grüne Europaabgeordnete:
" Normensetzung für die Effizienz von PKW ist das größte Potential in Europa und weltweit. Das ist die größte Einzelmaßnahme, die wir jetzt treffen müssen und genau auf diesem Dossier ist die Kanzlerin über ein Wochenende mal zur Autokanzlerin geworden, das heißt, sie hat die Partikularinteressen der deutschen Automobilindustrie, die die rückständigste ist in dem Bereich, wenn man mal sieht, die andere europäischen Hersteller, da hat sie dann knallharte Industriepolitik gemacht."
Auf Konfrontation zur EU-Kommission ist Angela Merkel auch in einem anderen Bereich der Energiepolitik gegangen. Die Brüsseler Behörde ist nach einer Untersuchung des europäischen Strommarktes zu dem Ergebnis gelangt, dass in dieser Branche ein eklatanter Mangel an Wettbewerb herrscht. Das führt nach Auffassung der Kommission nicht nur zu überhöhten Preisen, die die Verbraucher zahlen müssen, sondern auch immer wieder zu Ausfällen bei der Stromversorgung, da die wenigen großen Stromproduzenten zu wenig in ihre Netze investieren. Der Lösungsvorschlag der Kommission ist radikal: Die Stromkonzerne sollen verpflichtet werden, ihre Verteilnetze abzugeben. In einigen europäischen Ländern, zum Beispiel Großbritannien, hat man mit einer solchen eigentumsrechtlichen Entflechtung gute Erfahrungen gemacht. Die Bundesregierung und viele deutsche Europaparlamentarier allerdings laufen Sturm gegen eine solche Trennung von Netz und Produktion. Der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul:
" Es wird überhaupt kein Problem lösen. Ich kriege nicht Wettbewerb dadurch, dass ich Stromkonzerne enteigne. Das ist eine typische Plazebopolitik. Da macht man wieder was, begeistert die Massen und es löst kein Problem."
Gleichwohl: Der Industrieausschuss des Europaparlamentes hat sich in diesem Streit auf die Seite der EU-Kommission geschlagen. Mit großer Mehrheit hat er der Trennung von Netz und Produktion zugestimmt. Ein intensives halbes Jahr geht zu Ende, hunderte Veranstaltungen waren zu organisieren, die Helfer waren am Rande der Erschöpfung.
" Noch nie wurde für eine gute Sache auf so viel Schlaf verzichtet. Und vielleicht ist das angenehme an der ganzen Sache, dass wir eine Ratspräsidentschaft hinter uns haben, in der wir uns nicht in erster Linie selbst loben müssen, in der wir uns nicht anstrengen müssen, bunte Schleifchen um an sich hässliche Geschenke zu binden."
Allerorten wird jetzt Bilanz gezogen. Für Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, CDU, ist wichtig, dass die Formel "Europa sicher leben" mit konkreten Inhalten gefüllt werden konnte.
" Das wichtigste Beispiel ist, die Ausweitung der Schengengrenzen, die wir, so wie das geplant gewesen ist, Ende des Jahres erreichen werden. Wir haben die anderen Voraussetzungen gut auf den Weg gebracht, es ist wichtig, das wir in diesen sechs Monaten es geschafft haben, das Visa-Informationssystem, die notwendige Verordnung, einschließlich des Zugriffs der Sicherheitsbehörden auf den Datenbestand und die entsprechende Klausel im Rat zu verabschieden."
Es sei gelungen, den Vertrag von Prüm auf die gesamte EU auszuweiten. Vor zwei Jahren waren nur sieben Staaten gewillt, ihre Ermittlungsbehörden zur Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinaus zu verpflichten.
Von einer erfolgreichen Präsidentschaft spricht auch Finanzminister Peer Steinbrück, SPD, mit Blick auf die Wachstumsvoraussetzungen der EU und den Abbau der Haushaltsdefizite, die Stabilität des Euro und nicht zuletzt auch die Frage, ob am Ende auch ein Plus bei den Beschäftigtenzahlen steht.
In der Tat, die Konjunkturberichte weisen eine verstärkte Tendenz nach oben aus. Die EU Kommission erwartet ein Wachstum der Bruttoinlandsprodukte in der EU durchschnittlich um 2,9 Prozent in diesem Jahr und rechnet damit, dass ein ähnlicher Zuwachs auch 2008 stattfindet. Ohne den deutlichen Konjunkturaufschwung mit all seinen Folgen etwa für die Steuereinnahmen und Haushalte der Länder, wäre in Brüssel niemand auf die Idee gekommen das Defizitverfahren gegenüber Deutschland einzustellen. Sieben andere Mitglieder haben allerdings nach wie vor arge Probleme, die selbst gesteckten Kriterien einzuhalten.
" Deshalb lautet meine klare Botschaft, die Zeiten sind so günstig, wie lange nicht mehr um in den Mitgliedstaaten die notwendigen Reformen für mehr Wachstum und Beschäftigung jetzt voranzubringen. Und die Zeiten waren noch nie so günstig wie heute, um von den hohen staatlichen Defiziten herunter zu kommen."
An dem Ort, an dem die 27 Staats- und Regierungschefs im März den 50. Jahrestag der römischen Verträge feierten und diesen historischen Moment auf einem Foto festhielten, an diesem Platz, dem Brandenburger Tor in Berlin, wird morgen der Staffelstab der EU-Ratspräsidentschaft an die Portugiesen übergeben. Die werden wohl schon im August die Regierungskonferenz einberufen, die dann binnen sechs bis acht Wochen den Reformvertrag aushandelt. Vorausgesetzt, weder die Polen, noch die Briten, noch jemand anders meldet neue Extrawünsche an. Deutschland wird dann wieder in die zweite Reihe treten. Die nächste deutsche Ratspräsidentschaft steht übrigens 2021 an - voraussichtlich.
Sagt der Österreicher und Grüne Europaabgeordnete Johannes Voggenhuber und steht mit dieser Bewertung nicht alleine da.
Europa gelingt gemeinsam, lautete das Motto der deutschen Ratspräsidentschaft, dem sich die Kanzlerin bis zuletzt verpflichtet fühlte. Dass am vergangenen Wochenende nicht nur der Fahrplan zur Lösung der Verfassungsfrage erstellt, sondern zugleich auch mit einer konkreten Inhaltsangabe versehen wurde und damit ein Großteil des alten Verfassungsvertrages in einen neuen Reformvertrag überführt werden konnte, gehört sicherlich zu den größten Erfolgen. Mit solch einem konkreten Ergebnis hat vor sechs Monaten niemand gerechnet.
Schließlich hatten neben der klaren Ablehnung der Verfassung in Frankreich und den Niederlanden 18 europäische Staaten das Vertragswerk bereits ratifiziert. Da eine neue Balance zu finden, erschien am Anfang als eine schwierige Gratwanderung.
Eine Verschiebung auf unbestimmte Zeit wollte die Kanzlerin mit aller Kraft verhindern. Nur einmal schien Angela Merkel ihrem Motto, Europa gelingt gemeinsam, untreu zu werden, als sie in der zweiten Gipfelnacht nach dem erneuten Veto der polnischen Regierung drohte. Sie wagte den Vorstoß, die Regierungskonferenz zur Ausarbeitung des Reformvertrages ohne Polen zu beginnen, was rechtlich kein Problem gewesen wäre. Da waren es die Regierungschefs einiger anderer Mitgliedsländer, etwa der luxemburgische Ministerpräsident Jean Claude Juncker, die Merkel auf die Bahn des europäischen Kompromissmodells: alle oder keiner zurückgeholt haben. Heraus kam die Verschiebung des Systems der doppelten Mehrheit auf das Jahr 2017 und damit die Einbeziehung Polens in ein Gesamtpaket.
" Ohne Umschweife müssen wir sagen, die deutsche Präsidentschaft hat es geschafft, mit allen, die Europa voran bringen wollten, Europa voranzubringen. Der Text ist in Ordnung, aber die Musik war grausam."
Sagte der französische Europaabgeordnete der Grünen Daniel Cohen Bendit.
Die Kanzlerin selbst machte sich nur eine bescheidene Bewertung zu eigen und nahm ihr Motto, Europa gelingt "nur" gemeinsam, zum Ausgangspunkt. Vor den Europäischen Parlament warnte Angele Merkel vor neuen Spaltungstendenzen, vor denen man auf der Hut bleiben müsse.
" Alles muss immer aufs neue gestärkt und verteidigt werden. Vertrauen aufbauen braucht Jahrzehnte, Vertrauen enttäuschen, das geht über Nacht, ja das geht über Nacht."
Merkel erteilt einem Europa der zwei Geschwindigkeiten eine klare Absage, hält ebenso wenig von einem deutsch-französischen Motor, sondern verfolgt die Strategie, vor allem die neuen osteuropäischen Mitglieder zu hören. Die Brüder Lech und Jaroslaw Kascynski, Präsident und Premiere Polens ignorierten den guten Willen Deutschlands und machten Merkel und der gesamten Gemeinschaft das Leben schwer. Und dies, obwohl Warschau zum Beispiel im Fleischstreit mit Russland jede Unterstützung aus Brüssel und Berlin erfuhr. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso erklärte warum.
" Die Schwierigkeit, die ein Mitgliedsland hat, ist eine Schwierigkeit für uns alle in der EU. Wir sind eine Gemeinschaft, die auf dem Prinzip der Solidarität basiert. Und somit ist ein polnisches Problem ein EU-Problem. Ein litauisches oder estnisches ein EU-Problem."
Die sture Verweigerungshaltung der Polen brachten die Staatschefs beim Brüssler Gipfel allesamt auf die Palme. Das Fass war übervoll, als Lech Kaczynski die Runde der 27 verließ, um mit seinem Bruder Jaroslaw zu telefonieren. Der Premier hatte in Warschau im Fernsehen Polens unverrückbare Haltung bekräftigt, als in Brüssel noch um einen Kompromiss gerungen wurde. Die 26 EU-Mitglieder waren sich einig: So funktioniert Europa nicht und lasen dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski solange die Leviten, bis der schließlich einlenkte. Wie Beobachter berichteten, griffen die deutschen Beteiligten gar nicht mehr ein, die anderen Mitglieder waren empört genug. Zum angeschlagenen Verhältnis Warschau-Moskau kam eine handfeste estnisch-russische Krise hinzu. Sie entstand, als in Tallin das Denkmal eines sowjetischen Soldaten kurz vor dem Tag des Sieges, dem 9. Mai, aus dem Stadtzentrum auf einen Soldatenfriedhof umgesetzt wurde. Zwischendurch hatten einige osteuropäische EU-Länder nicht wenig Lust, das Treffen der EU-Troika mit Russland in Samara kurzerhand abzusagen, wovon Außenminister Steinmeier ganz und gar nichts wissen wollte.
" Gerade in einer Situation, in der die Lage nicht einfach ist, muss man miteinander reden und im übrigen gilt der Grundsatz: Vorschläge statt Vorwürfe."
Die EU-Troika reiste an die Wolga und ging mit dem russischen Präsidenten beim Essen in einer russischen Bauernhütte und nachts bei einer Bootsfahrt auf der Wolga die Agenda durch.
So offen sie in kleiner Runde diskutierten, so offen traten sie vor die Presse. Ein neuer Ton.
" Ich will hervorheben, dass es immer besser ist, miteinander zu reden als übereinander zu reden. Ich sag ganz offen, dass ich mir wünsche, dass heute Nachmittag, die, die in Samara demonstrieren wollen und ihre Meinung zum Ausdruck bringen wollen, das auch tun können und bin etwas besorgt, dass manch einer Schwierigkeiten hat beim Anreisen. "
Den russischen Präsidenten traf dieser Satz unvorbereitet. Er setzte sich zur Wehr.
Der offene Schlagabtausch beim EU-Russland-Treffen bestätigte: unangenehme Themen müssen durchaus nicht nur hinter verschlossenen Türen behandelt werden, ein reinigendes Gewitter verkraften beide Seiten. Der polnisch-russische Fleischstreit, scheinbar eine Petitesse, blockierte bis zum Schluss ein Vorhaben, das Deutschland in seiner Ratspräsidentschaft gern selbst auf den Weg gebracht hätte: Die Neuaushandlung des ablaufenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommens der EU mit Russland.
Noch mehr als ohnehin schon, war der Außenminister in der Welt unterwegs. Zweimal allein in Zentralasien, denn die deutsche Ratspräsidentschaft hatte sich vorgenommen, erstmals eine EU-Zentralasien-Strategie vorzulegen. Am Ende der ersten Reise, die Steinmeier nach Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan führte, konstatierte er:
" Die Notwendigkeit einer Initiative für Zentralasien durch die EU ist mir nie deutlicher gewesen als nach dieser Reise in eine Region Die Reise in eine Region, die nach 70 Jahren Zugehörigkeit zur Sowjetunion aus der Wahrnehmung Europas oder vielleicht sogar der Welt hinausgetreten ist und zu der uns immer noch nicht genügend Kenntnisse zur Verfügung stehen und deshalb bin ich froh, dass wir diese Reise in alle fünf zentralasiatische Staaten unternommen haben und dabei auch kennengelernt haben, wie unterschiedlich diese Staaten in der Tat sind."
Unterschiedlich reich an Rohstoffen und verschieden weit auf dem Weg hin zu demokratischen Gesellschaften. Am weitesten hinterher hinkt Turkmenistan, das sich jetzt, nach dem Ende vorigen Jahres Diktator Nijasow überraschend starb, vorsichtig öffnet. Für die neue Zentralasienstrategie gilt: Keines der fünf Länder soll ausgeschlossen werden, um Rivalitäten nicht unnötig anzuheizen. Buchstäblich am letzten Tag der deutschen Präsidentschaft, nämlich morgen, wird die Initiative in Berlin präsentiert. Das Dringen auf die Einhaltung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit findet in der EU-Zentralasienstrategie einen angemessenen Platz, so dass selbst die Opposition nicht den Einwand erhebt, für Öl und Gas würde die EU zu Abstrichen bei demokratischen Standards bereit sein. Dennoch erheben sich kritische Stimmen. Für sie kommt die Initiative viel zu spät. China, Japan und die USA haben die zum Teil ressourcenreiche Region schon seit Jahren fest im Blick. Europa dagegen wurde erst auf sie aufmerksam, als das Thema Energiediversifikation immer akuter wurde.
Mehrfach hatten die russischen Energielieferanten an den Absperrventilen der nach Westen führenden Gas- und Ölpipelines gedreht. Auch wenn sich dies vor allem gegen die Kunden russischer Energiekonzerne in Weißrussland und der Ukraine richtete: Die Folgen waren auch weiter im Westen, in der EU zu spüren. Die Mitgliedstaaten bekamen vor Augen geführt, wie sehr sie von Öl- und Gaslieferungen aus Präsident Putins Reich abhängen.
" Ich unterstütze sehr, dass wir im Bereich der Energie weiterarbeiten. Der russische Präsident Wladimir Putin hat gesagt, es gibt ein Interesse daran, dass wir für eine längere Perspektive einmal den europäischen Bedarf klassifizieren, damit hier auch wirklich die Möglichkeit besteht zu überlegen, was kann man gemeinsam machen, was nicht. Dazu gibt es ausdrücklich die Bereitschaft."
Eine zweite Entwicklung hatte sich über Jahre hinweg angebahnt, war aber kaum ins Bewusstsein der europäischen Öffentlichkeit gelangt. Es war die Debatte über den Klimawandel, die erst im vergangenen Jahr aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaften in die Sphäre der Politik getragen wurde. Und zwar durch die immer alarmierender klingenden Berichte des UN-Klimarates. Daraufhin setzte es sich die Europäische Union zum Ziel, beides, Klimaschutz und Versorgungssicherheit, zu einer Gesamtstrategie zu vereinen. Beim ersten Gipfeltreffen unter ihrem Vorsitz, im März in Brüssel, war es die Aufgabe Angela Merkels, die überaus unterschiedlichen Positionen der 27 unter einen Hut zu bringen. Am Ende der Beratungen wurde nicht mit Superlativen gespart. Von einer globalen Vorreiterrolle der EU war da die Rede, von Bahn brechenden Beschlüssen. Und Angela Merkel hatte zudem bewiesen, dass sie Klimaschutz nicht nur predigt:
" Ich darf Ihnen berichten, dass die allermeisten Glühbirnen in meiner Wohnung Energiesparlampen sind, was mich ab und zu zu dem Wunsch bringt, dass sie technisch noch etwas verbessert werden, sie geben nämlich noch nicht so ein helles Licht. Und manchmal, wenn ich was auf dem Erdboden suche, habe ich Schwierigkeiten, aber ich bin auf dem richtigen Weg zu Hause."
20 - 20 - 20, so lautet die Formel, auf die sich die Staats- und Regierungschefs verständigt haben. Die Energieeffizienz in der EU soll um 20 Prozent gesteigert werden. Der Anteil der erneuerbaren Energien soll ebenfalls auf 20 Prozent ansteigen. Der CO2-Ausstoß in der EU soll wiederum um 20 Prozent abnehmen. Und das alles innerhalb von dreizehn Jahren, also bis 2020. Die Gipfelrunde sagte sogar eine Reduzierung der Treibhaugasemissionen um 30 Prozent zu, wenn andere große Wirtschaftsnationen, also vor allem die USA, China und Indien, sich dasselbe Ziel setzen.
Die noch ausstehende Umsetzung der pauschalen Gipfelbeschlüsse in konkrete Politik wird, das darf als sicher gelten, Streit entfachen. Etwa beim Thema CO2-Reduktion. Die neuen EU-Länder machen geltend, dass sie sich 18 Jahre nach der Wende noch immer in einem wirtschaftlichen Aufholprozess befinden. Strenge Auflagen für die polnische Energiewirtschaft, die sich weitgehend auf Kohle stützt, will Warschau deshalb nicht akzeptieren. Frankreich hingegen, das seinen Strom überwiegend in CO2-freien Atomkraftwerken produziert, will nichts wissen von einer Verpflichtung, erneuerbare Energien massiv auszubauen. Es ist also abzusehen, dass die Mitgliedstaaten erbittert streiten werden, wenn es darum geht, die gesamteuropäischen Zielmarken auf die einzelnen Staaten zu verteilen. Herbert Reul, CDU-Abgeordneter im Europaparlament, warnt davor zuzulassen, dass am Ende der Debatten die deutsche Industrie den Löwenanteil der CO2-Reduktion zu tragen hat:
" Ich bin noch nicht überzeugt, dass Frankreich, das 80 Prozent Kernenergie hat, die Notwendigkeit einsieht, noch Riesenzusatzleistung zu erbringen. Ich kann nachvollziehen, dass neue Länder, die dabei sind in Europa, die gerade wirtschaftlich in Schwung kommen, dass man die jetzt nicht abwürgen darf, indem man denen zuviel abverlangt. Da am Ende dann Deutschland die Zeche bezahlt und wir dann voller Begeisterung unsere Wirtschaft abwürgen dann muss ich sagen, kann das auch nicht die Lösung sein. "
Mit welch harten Bandagen gestritten werden wird, zeichnet sich bereits in einem anderen Bereich ab: Bei den CO2-Grenzwerten für Autos. Da die Automobilindustrie ihr Versprechen, die Emissionen drastisch zu senken, nicht eingehalten hat, will die EU-Kommission nun mit einer Richtlinie verbindliche Vorgaben machen. Künftig sollen Autos nur noch 120 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen, so ihr Vorschlag. Die Bundesregierung fürchtet, dass die deutsche Automobilindustrie, die anders als die übrigen europäischen Hersteller vor allem auf große und schnelle Autos setzt, ins Hintertreffen geraten könnte. Unter deutscher Präsidentschaft wurde deshalb lediglich beschlossen, den CO2-Ausstoß auf durchschnittlich 130 Gramm pro Kilometer zu begrenzen. Vor allem aber wurde die Entscheidung darüber, wie dieser EU-weite Durchschnittswert erreicht werden soll, auf den Herbst vertagt. Claude Turmes, der grüne Europaabgeordnete:
" Normensetzung für die Effizienz von PKW ist das größte Potential in Europa und weltweit. Das ist die größte Einzelmaßnahme, die wir jetzt treffen müssen und genau auf diesem Dossier ist die Kanzlerin über ein Wochenende mal zur Autokanzlerin geworden, das heißt, sie hat die Partikularinteressen der deutschen Automobilindustrie, die die rückständigste ist in dem Bereich, wenn man mal sieht, die andere europäischen Hersteller, da hat sie dann knallharte Industriepolitik gemacht."
Auf Konfrontation zur EU-Kommission ist Angela Merkel auch in einem anderen Bereich der Energiepolitik gegangen. Die Brüsseler Behörde ist nach einer Untersuchung des europäischen Strommarktes zu dem Ergebnis gelangt, dass in dieser Branche ein eklatanter Mangel an Wettbewerb herrscht. Das führt nach Auffassung der Kommission nicht nur zu überhöhten Preisen, die die Verbraucher zahlen müssen, sondern auch immer wieder zu Ausfällen bei der Stromversorgung, da die wenigen großen Stromproduzenten zu wenig in ihre Netze investieren. Der Lösungsvorschlag der Kommission ist radikal: Die Stromkonzerne sollen verpflichtet werden, ihre Verteilnetze abzugeben. In einigen europäischen Ländern, zum Beispiel Großbritannien, hat man mit einer solchen eigentumsrechtlichen Entflechtung gute Erfahrungen gemacht. Die Bundesregierung und viele deutsche Europaparlamentarier allerdings laufen Sturm gegen eine solche Trennung von Netz und Produktion. Der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul:
" Es wird überhaupt kein Problem lösen. Ich kriege nicht Wettbewerb dadurch, dass ich Stromkonzerne enteigne. Das ist eine typische Plazebopolitik. Da macht man wieder was, begeistert die Massen und es löst kein Problem."
Gleichwohl: Der Industrieausschuss des Europaparlamentes hat sich in diesem Streit auf die Seite der EU-Kommission geschlagen. Mit großer Mehrheit hat er der Trennung von Netz und Produktion zugestimmt. Ein intensives halbes Jahr geht zu Ende, hunderte Veranstaltungen waren zu organisieren, die Helfer waren am Rande der Erschöpfung.
" Noch nie wurde für eine gute Sache auf so viel Schlaf verzichtet. Und vielleicht ist das angenehme an der ganzen Sache, dass wir eine Ratspräsidentschaft hinter uns haben, in der wir uns nicht in erster Linie selbst loben müssen, in der wir uns nicht anstrengen müssen, bunte Schleifchen um an sich hässliche Geschenke zu binden."
Allerorten wird jetzt Bilanz gezogen. Für Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, CDU, ist wichtig, dass die Formel "Europa sicher leben" mit konkreten Inhalten gefüllt werden konnte.
" Das wichtigste Beispiel ist, die Ausweitung der Schengengrenzen, die wir, so wie das geplant gewesen ist, Ende des Jahres erreichen werden. Wir haben die anderen Voraussetzungen gut auf den Weg gebracht, es ist wichtig, das wir in diesen sechs Monaten es geschafft haben, das Visa-Informationssystem, die notwendige Verordnung, einschließlich des Zugriffs der Sicherheitsbehörden auf den Datenbestand und die entsprechende Klausel im Rat zu verabschieden."
Es sei gelungen, den Vertrag von Prüm auf die gesamte EU auszuweiten. Vor zwei Jahren waren nur sieben Staaten gewillt, ihre Ermittlungsbehörden zur Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinaus zu verpflichten.
Von einer erfolgreichen Präsidentschaft spricht auch Finanzminister Peer Steinbrück, SPD, mit Blick auf die Wachstumsvoraussetzungen der EU und den Abbau der Haushaltsdefizite, die Stabilität des Euro und nicht zuletzt auch die Frage, ob am Ende auch ein Plus bei den Beschäftigtenzahlen steht.
In der Tat, die Konjunkturberichte weisen eine verstärkte Tendenz nach oben aus. Die EU Kommission erwartet ein Wachstum der Bruttoinlandsprodukte in der EU durchschnittlich um 2,9 Prozent in diesem Jahr und rechnet damit, dass ein ähnlicher Zuwachs auch 2008 stattfindet. Ohne den deutlichen Konjunkturaufschwung mit all seinen Folgen etwa für die Steuereinnahmen und Haushalte der Länder, wäre in Brüssel niemand auf die Idee gekommen das Defizitverfahren gegenüber Deutschland einzustellen. Sieben andere Mitglieder haben allerdings nach wie vor arge Probleme, die selbst gesteckten Kriterien einzuhalten.
" Deshalb lautet meine klare Botschaft, die Zeiten sind so günstig, wie lange nicht mehr um in den Mitgliedstaaten die notwendigen Reformen für mehr Wachstum und Beschäftigung jetzt voranzubringen. Und die Zeiten waren noch nie so günstig wie heute, um von den hohen staatlichen Defiziten herunter zu kommen."
An dem Ort, an dem die 27 Staats- und Regierungschefs im März den 50. Jahrestag der römischen Verträge feierten und diesen historischen Moment auf einem Foto festhielten, an diesem Platz, dem Brandenburger Tor in Berlin, wird morgen der Staffelstab der EU-Ratspräsidentschaft an die Portugiesen übergeben. Die werden wohl schon im August die Regierungskonferenz einberufen, die dann binnen sechs bis acht Wochen den Reformvertrag aushandelt. Vorausgesetzt, weder die Polen, noch die Briten, noch jemand anders meldet neue Extrawünsche an. Deutschland wird dann wieder in die zweite Reihe treten. Die nächste deutsche Ratspräsidentschaft steht übrigens 2021 an - voraussichtlich.