Die Turbine der ältesten britischen Versuchsanlage für ein Wellenkraftwerk röhrt wie ein asthmatischer Drache an der Küste der Hebrideninsel Islay. Der Generator ist zwar Privatbesitz, aber er schuldet der britischen Krone eine Pacht. Denn die Krone ist Eigentümerin des Uferstreifens zwischen der mittleren Ebbe und der mittleren Flut. Das betrifft namentlich erneuerbare Energien, aber auch unterirdische Kabel, oberirdische Masten sowie sämtliche Muscheln und Austern, die in schottischen Gewässern ebenfalls der Krone gehören.
Überdies beansprucht die Krone das Eigentum am gesamten Meeresboden, angefangen bei der durchschnittlichen Ebbe-Linie bis hinaus an die Zwölfmeilengrenze. Die Erbauer von Wind-Turbinen im Meer liefern folglich ebenfalls ihren Obolus an die Krone ab, genauso wie Fischzüchter und die Betreiber von Öl- oder Gas-Röhren. Schottlands neue Chefministerin, die Separatistin Nicola Sturgeon, stellte die Landreform ins Zentrum ihres neuen Legislaturprogramms, das sie Ende November präsentierte.
Landreform oben auf der Agenda
Da sei noch viel zu tun, denn noch immer besäßen gut 400 Leute rund die Hälfte des schottischen Landes im Privatbesitz. Zur Abhilfe kündigte Sturgeon an, die geltende Steuerbefreiung für die großen Jagdreviere für Moorhühner und Hirsche werde abgeschafft. Die neuen Erträge sollen jenen Regionen zur Verfügung gestellt werden, die derartigen Großgrundbesitz für ihre Gemeinden erwerben wollen. Kenny MacLennan ist der Sprecher einer solchen Initiative auf der Hebrideninsel Lewis. Anlässlich einer Begegnung im letzten Sommer kam er auf die Rechte der Krone zu sprechen: Das Küstenland rund um die Insel gehöre der Krone. Er hoffe, dass das dereinst an die lokale Bevölkerung übergehe.
Inzwischen ist das eingeleitet. Die schottische Regierung hat sich verpflichtet, diese Verfügungsgewalt in einem nächsten Schritt an die Kommunen auf den Inseln weiterzugeben. – Das Vermögen des Crown Estate geht zurück auf die normannische Eroberung Englands im 11. Jahrhundert. Die Erträge dienten den Monarchen zur Finanzierung der Regierungsgeschäfte. 1760 trat ein vom Bankrott bedrohter Georg III. diese Einkünfte ans Parlament ab und erhielt dafür einen jährlichen Zuschuss. Er behielt bloß das Vermögen des Herzogtums Lancaster als sein direktes Eigentum. 1830 vollzog Wilhelm III. denselben Schritt für seine schottischen Besitztümer. Gegenwärtig verwaltet das Crown Estate Immobilien und Land im Wert von rund acht Milliarden Pfund. Das reicht von Häuserzeilen an der eleganten Londoner Regent Street über zahlreiche Einkaufszentren, den Rennplatz Ascot bis hin zu schottischen Wäldern.
267 Millionen Pfund Profit
Im letzten Geschäftsjahr lieferten die Verwalter 267 Millionen Pfund Profit an die britische Staatskasse ab. Der Zielkonflikt zwischen Profit und Gemeinwohl war Gegenstand einer Frage des schottischen Abgeordneten Nigel Don an den schottischen Kommissar des Crown Estate, Gareth Baird: Wie er denn seinen Herren im Schatzamt erkläre, dass er in einen kleinen lokalen Betrieb investiere, weil das dem Allgemeinwohl diene? – Der Befragte kam ins Stottern, bestätigte aber das Dilemma.
Die Königsfamilie selbst hat seit über 250 Jahren nichts mehr zu tun mit all dem Reichtum. Aber wie so oft im Vereinigten Königreich: Der Umstand, dass die alten Zöpfe der monarchischen Staatsform nie radikal abgeschnitten wurden, prägt die Strukturen bis heute. Jetzt wollen die Schotten auch im Wasser ihr eigenes Schicksal kontrollieren.