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Großkonzerne in der Hauptstadt
Boomtown Berlin?

Arm aber sexy – das gilt angeblich für Berlin. Denn: nur wenige große Unternehmen haben hier ihren Sitz, entsprechend rar sind gut bezahlte Arbeitsplätze. Bis jetzt - denn immer mehr Konzerne verlegen Teile ihres Geschäfts oder gar den Hauptsitz an die Spree. 

Von Philip Banse |
    Das Logo vom Onlinehändler Zalando auf dem Firmensitz in der Mühlenstraße in Berlin
    Der Modeversandhändler Zalando wurde in Berlin gegründet (picture alliance / Jens Kalaene)
    Zalando, der Online-Mode-Versand, ist Berlins Vorzeigeunternehmen: hier gegründet, digital, erfolgreich und mit 5.500 Mitarbeitern in Berlin einer der 15 größten Arbeitgeber der Hauptstadt. Mit Videos wirbt Zalando um neue Mitarbeiter, zentrales Argument: Ihr arbeitet in Berlin.
    Ein Ausschnitt aus einem der Filme: "Ich liebe Berlin, weil es so eine internationale Hauptstadt ist, die so anders ist als jede andere Hauptstadt, die ich besucht habe." "Wir haben die ganze Expertise in Berlin, die Kreativität ist hier und wir haben einen dynamischen Effekt, dass all diese kreativen Leute hier sind."
    Berlin boomt, sagen unisono Handelskammer und "Berlin Partner", die Wirtschaftsförderung des Landes: "Das Interesse an Berlin wird immer größer", sagt Stefan Franzke, der Geschäftsführer von Berlin Partner, der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlins. "Berlin wächst ja jedes Jahr über dem Bundesdurchschnitt." Das Landesamt für Statistik stützt diese These, die jüngsten Zahlen aus dem Jahr 2016 belegen zudem: Die Zahl der Unternehmen in Berlin wächst. Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern: plus sechs Prozent. Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs: plus 3,7 Prozent. Die Arbeitslosenquote sank in den letzten drei Jahren von 10,7 auf heute acht Prozent.
    Großer Treiber: die Digitalisierung
    "Der große Treiber für diesen Zuzug der Unternehmen nach Berlin ist die Digitalisierung", sagt Stefan Franzke von Berlin Partner. Getragen wird der Boom vor allem von Startups und kleinen mittelständischen Unternehmen. Große Industrieunternehmen sind die Ausnahme. Nur die Deutsche Bahn, zwei Krankenhausbetreiber, die Berliner Verkehrsbetriebe und Siemens haben in Berlin mehr als 10.000 Beschäftigte. Das sei ein Zeichen der Stärke, sagt der staatliche Wirtschaftsförderer Franzke. Berlin sei breiter aufgestellt als etwa Stuttgart: "Wenn dort die etablierte Mobilitätswirtschaft zusammenbricht, weil man vom fossilen Kraftsoff auf Elektromobilität geht, sind praktisch 100 Prozent der Unternehmen betroffen. Das ist in Berlin anders. Hier haben wir fünf starke Sektoren: Gesundheitswirtschaft, Kreativwirtschaft, Mobilität, Energietechnik und Industrie."
    Immer mehr Unternehmen wollen vom kreativ-digitalen Potential der Stadt profitieren, in dem Unternehmensteile in die Hauptstadt wandern. Der Sport-Artikel-Riese Nike will seine Deutschlandzentrale aus Frankfurt an die Spree verlegen; der VW-Vorstand hat beschlossen, alles Digitale in Berlin zu entwickeln. "Da haben sie das Headquarter zwar noch in Wolfsburg, aber die neuen Innovationen kommen aus Berlin", freut sich Berlins Wirtschaftsförderer Franzke: "Alleine aus den DAX30-Konzernen sind zwei Drittel, nämlich 20 Unternehmen in Berlin tätig mit ihren Innovationshubs. Das heißt, die Innovation und die Produkte, mit denen in Zukunft Umsätze gemacht werden, die werden in Berlin erstellt."
    Siemens würde gerne, aber...
    Beispiel Siemens. Die Siemensstadt im Westen Berlins - in Backstein-Bauten wurde der Weltkonzern vor über 170 Jahren gegründet. Heute baut Siemens hier Gasturbinen und Hochspannungsschalttechnik. Mit gut 11.000 Mitarbeitern ist Siemens einer der fünf größten Arbeitgeber der Hauptstadt. Und jetzt überlegt Siemens hier einen Siemens-Campus zu errichten: Wohnen, Startups, Forschung auf einem Quadratkilometer. Investition: 600 Millionen Euro. Ein Siemens-Vorstand traf sich mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller von der SPD - der erst zum Treffen überredet werden musste, berichten Berliner Zeitungen. Die Gespräche seien konstruktiv verlaufen, sagt ein Siemens-Sprecher, aber der Campus werde weltweit ausgeschrieben, dann müsse Berlin ein Angebot machen.
    Berlin boomt – trotz seiner Regierung, mosern viele. Zu wenig Wohnungen, lahme Behörden, steigende Lebenshaltungskosten – vor allem bei der Internetversorgung passiert zu wenig, sagt Constantin Terton von der Berliner Industrie- und Handelskammer. Die Politik müsse handeln: "Sie muss etwa die Genehmigungsverfahren für Tiefbauämter entschlacken, so dass hier dann auch solche Leitungen von Netzbetreibern verlegt werden können." Sonst könnte Berlins Boom bald schon wieder ins Stocken geraten.