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Großkundgebungen in Frankreich
Übergriffe auf jüdische Studierende nehmen zu

Pöbeleien, herabsetzende Fotomontagen auf Snapchat und Instagram, Hakenkreuz-Schmierereien: An Frankreichs Hochschulen werden antisemitische Übergriffe immer häufiger. Bei den heutigen Großdemonstrationen gegen Antisemitismus will die Gewerkschaft der jüdischen Studierenden darauf aufmerksam machen.

Von Suzanne Krause |
    Portal der Universität Sorbonne in Paris.
    Schätzungen zufolge studieren etwa 30.000 Menschen jüdischen Glaubens an französischen Hochschulen (picture alliance / Ulrich Baumgarten)
    Im Pariser Büro der 'Union des Etudiants Juifs de France', dem Zusammenschluss jüdischer Studierender in Frankreich, entwerfen einige Mitstreiter Slogans für die Kundgebung, die Liste an der Tafel wird immer länger.
    Da stehen Sprüche wie '74 Prozent mehr antisemitische Übergriffe – es reicht!' Oder 'Angesichts des Antisemitismus sind wir alle jüdische Franzosen'. Noémie Madar steuert einen oft gehörten Spruch und die richtige Antwort bei: 'Geh doch heim nach Israel! - Meine Heimat ist Frankreich!'
    Noémie Madar ist Vizepräsidentin des Studierendenverbands jüdischer Franzosen. Der zählt 15.000 Mitglieder- die Hälfte der Juden, die, Schätzungen zufolge, an Frankreichs Hochschulen studieren. Und die zunehmend Zielscheibe antisemitischer Übergriffe werden. Letzten Oktober ging der Fall einer Medizin-Studentin an der Pariser Universität durch alle Medien, sagt Noémie Madar.
    "Anfangs verbreiteten Kommilitonen Fotomontagen von ihr auf Snapchat und Instagram, die auf Vorurteile gegenüber Juden setzen. Bei einer wichtigen studentischen Veranstaltung trat ein Kommilitone als 'Gott der Krampfadern' auf und wählte als Kopfbedeckung eine jüdische Kippa. Die Studentin wurde immer wieder antisemitisch angepöbelt."
    Hakenkreuze auf Uni-Toiletten
    Die junge Jüdin hat ihren Fall publik gemacht, eine Premiere und die Täter angezeigt. Doch nach ersten Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt: Es mangele an Beweisen. Und obgleich der Verband der Hochschul-Präsidenten diese antisemitischen Übergriffe einhellig verdammte: Nur einer von acht Tätern wurde vom disziplinarischen Rat sanktioniert, resümiert Noémie Madar.
    "Sie sah sich leider gezwungen, die Universität zu wechseln, weil sie nun bei den Kommilitonen, so wörtlich, als 'Krebsgeschwür ihres Jahrgangs' gilt. Doch seither kommen viele Medizin-Studierende aus dem ganzen Land zu uns und erzählen von ähnlichen Vorfällen."
    Auch andernorts wird die Stimmung immer bedrohlicher: Vor wenigen Wochen wurden die Toiletten in Paris-Assas, der landesweit renommiertesten Jura-Fakultät, mit Hakenkreuzen verschmiert. In einer Elite-Wirtschaftsschule fand sich mehrfach - auf deutsch - der Begriff 'Juden'. Zu Semesterbeginn wurde in Grenoble gar das Vereinsbüro der jüdischen Studierenden Frankreichs zertrümmert. Viele Fälle im Alltag werden weiterhin totgeschwiegen: weil die Opfer fürchten, es könne sind auf sie zurückfallen.
    "Ich will das keineswegs allein der sozialen Protestbewegung Gilets jaunes in die Schuhe schieben. Aber seit deren Aufkommen wagt mancher, laut zu sagen, was er im tiefsten Inneren denkt. Und so wird auch Antisemitismus hoch gespült."
    Studierenden-Gewerkschaft gegen Vorurteile
    Seit Oktober verfügt jede französische Hochschule über einen speziellen Referenten, zuständig für Aufklärungsarbeit in den Bereichen Rassismus und Antisemitismus. Eine der Maßnahmen des nationalen Aktionsplans gegen Antisemitismus. Seit 15 Jahren gehen auch Mitstreiter der FAGE, der größte Studierenden-Gewerkschaft, in Schulen, um gängige Vorurteile gegenüber Juden aufzubrechen. Dass die FAGE massiv zur Teilnahme an der heutigen Kundgebung aufgerufen hat, sei, sagt Präsidentin Orlane François, selbstverständlich.
    "Der Antisemitismus betrifft alle Franzosen. Er bedeutet einen Angriff auf das, was unsere Nation definiert, als da wären: Pluralität, Diversität, das Recht auf freie Meinung und auf Religionsfreiheit."