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Großoffensive gegen den IS
Der Sturm auf Mossul steht bevor

Noch in diesem Jahr soll der Sturm auf Mossul beginnen, so heißt es. Auf jeden Fall vor Ende der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama im Januar. Denn der wolle mit einem entscheidenden Schlag gegen die Terrormiliz IS punkten, um nicht als schwacher Staatsmann in die Geschichte einzugehen.

Von Anne Allmeling |
    Sie sehen zwei kurdische Peschmerga-Kämpfer, sie halten einen Posten auf dem Berg Zardak nahe Mossul.
    Kurdische Peschmerga-Kämpfer halten einen Posten auf dem Berg Zardak nahe Mossul. (AFP / Safin Hamed)
    Die Straße Richtung Mossul endet an einem Hügel – zwölf Kilometer vor den Toren der Stadt. Hier, in der Ninive-Ebene im Norden des Irak, verläuft die Front zum so genannten Islamischen Staat; hier haben die Peschmerga ihre Posten bezogen. Die kurdischen Kämpfer warten auf die Dämmerung – in Verschlägen aus Wellblech und Bunkern aus Beton.
    Hinter einem Wall aus Sandsäcken halten zwei junge Soldaten Wache. Von der Anhöhe nahe der Ortschaft Khorsabad überblicken sie die Ebene: weite, von der Sonne verbrannte Felder, verlassene Dörfer, dichter Wald. Dahinter liegt Mossul: die zweitgrößte Stadt des Irak. Seit mehr als zwei Jahren wird sie vom IS beherrscht – der gefährlichsten Terrororganisation der Welt.
    "Wir müssen uns ducken. Wenn wir uns hier fünf oder zehn Minuten aufhalten, entdecken uns die Scharfschützen des IS. Deshalb sollten wir nicht länger als ein oder zwei Minuten bleiben. Einmal kurz schauen, vielleicht noch einmal, dann verschwinden wir besser."
    Peschmerga werden von westlichen Ländern mit Waffen versorgt
    Safar und seine Kameraden beobachten ihre Gegner genau. In den umliegenden Dörfern haben sich die Dschihadisten verschanzt – wenige Hundert Meter von hier. Die Peschmerga sorgen dafür, dass der IS nicht weiter nach Norden vorrückt; nicht in die Autonome Region Irakisch-Kurdistan, nicht in die nahe gelegene Stadt Dohuk. Dafür werden sie von westlichen Ländern mit Waffen versorgt – auch aus Deutschland.
    Safar zieht sein Smartphone aus der Tasche, zeigt den Kameraden ein Video: ein Gefecht in der vergangenen Woche, direkt hier an der Front – gefilmt von einem Kämpfer des IS.
    Der Extremist hatte die kleine Kamera bedient, bis er getötet wurde – von den Peschmerga. Er ist nicht der einzige Gefallene, sagt Sarbast Tirwanshi, der Kommandant der Truppe.
    "Ich bin seit zwei Jahren und zwei Monaten hier. Wir haben Hunderte von Terroristen getötet. Vergangene Nacht waren es über 20."
    Der IS sei geschwächt, sagt Sarbast, die Terrororganisation habe gerade in den vergangenen Monaten enorme Verluste erlitten. Dennoch: Der schwerste Kampf gegen die Dschihadisten steht den Peschmerga noch bevor. Gemeinsam mit irakischen Truppen, schiitischen Milizen, sunnitischen Stämmen und amerikanischen Spezialkräften wollen sie die Terroristen im Irak besiegen und Mossul vom IS befreien. Keine einfache Aufgabe sagt Safeen Dazai, der Sprecher der Regionalregierung in Erbil.
    "Nicht den Krieg zu gewinnen ist wichtig, sondern dass wir Frieden bekommen. Parallel zu der militärischen Operation brauchen wir einen Plan für die Zeit danach, um die Interessen aller Bevölkerungsgruppen zu sichern."
    Obama will nicht als schwacher Staatsmann gelten
    Wer künftig den Ton angeben soll in der Stadt, das ist noch völlig unklar. In Mosul leben vor allem sunnitische Araber, die sich von der schiitischen Mehrheit oft dominiert und diskriminiert fühlen. Um den IS vollständig zu besiegen, müssten die Sunniten künftig darauf vertrauen können, dass ihre Interessen berücksichtigt werden, sagt Dazai.
    "Wenn die Menschen in Mossul das Gefühl haben, dass eine bessere Zukunft auf sie wartet, werden sie vielleicht gegen den IS aufbegehren. Aber wenn sie meinen, es wird künftig nicht anders, als in den vergangenen Jahren, werden manchen vielleicht den IS unterstützen."
    Noch in diesem Jahr soll der Sturm auf Mossul beginnen, so heißt es – auf jeden Fall vor Ende der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama im Januar. Der wolle – so wird gemunkelt – mit der Befreiung der Stadt und einem entscheidenden Schlag gegen den IS punkten, um nicht als schwacher Staatsmann in die Geschichte einzugehen.
    Kämpfen - bis die Dschihadisten des IS besiegt sind
    An der Front ist es dunkel geworden. Die Peschmerga streifen schusssichere Westen über ihre grüne Kluft, tauschen Turnschuhe in feste Stiefel. Safar und seine Kameraden beziehen Position. Vor allem nachts wird es hier gefährlich. Kommandant Sarbast Tirwanshi will weiterkämpfen – bis die Dschihadisten des IS besiegt sind:
    "Sie sind die Feinde aller Religionen – Juden, Christen, Jesiden. Vor allem aber sind sie Feinde des Islam. Und Feinde der Menschlichkeit. Wir empfinden es als unsere Pflicht, die Terroristen zu bekämpfen."
    So wie die Peschmerga vom Norden aus auf Mossul vorrücken, bewegen sich die irakischen Soldaten von Süden aus auf die Stadt vor. Doch wichtige politische Fragen für die Zeit nach der Befreiung sind längst noch nicht geklärt. Wenn die Dschihadisten in Mossul besiegt sind, könnte der Kampf um die Stadt und die Vorherrschaft in der Region erst richtig beginnen.