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Großstadt-Flucht

In Zeiten der Krise ziehen immer mehr junge Griechinnen und Griechen weg von den Großstädten in die Provinz. Viele beschäftigen sich dort mit der Landwirtschaft oder dem Tourismus. Andere versuchen, so autark wie möglich zu leben, um dadurch auf fast gar kein Geld angewiesen zu sein.

Von Rodothea Seralidou | 31.01.2012
    Es regnet in Strömen in Aghios, einem 900-Seelen-Dorf im Norden der Insel Evia. Trotzdem arbeiten Apostolis und sein Freund Panagiotis an ihrem neuesten Bauwerk: Einer runden, zeltartigen Jurte, wie man sie von asiatischen Nomadenvölkern kennt. Das Holzgerüst steht schon. Zur Isolierung streut Apostolis, ein großer schlanker Typ mit langen Haaren, Kieselsteine auf den Boden:

    ""Die Jurte wird 40 Quadratmeter groß und wird sogar eine Küche und eine Trockentoilette haben. Für den Bau benötigen wir vor allem Holz, einen wasserdichten Stoff und Material zur Wärmedämmung."

    Apostolis hat noch vor kurzem in Athen gelebt. Doch das Leben in der griechischen Hauptstadt machte ihn nicht glücklich. Im Internet hat der 32-Jährige Gleichgesinnte gesucht - und gefunden. Zusammen gründeten sie die Gruppe "Free-and-real." – also in etwa: Frei und echt! Auf der Insel Evia wohnen sie nun zu sechst und versuchen mit so wenig wie möglich auszukommen:

    "Hier ist jeder Tag ein einziges Abenteuer. Mal arbeiten wir auf unserem Bio-Acker, mal arbeiten wir an unserer Jurte. Und wir informieren die Leute im Internet über unsere Projekte. Allein im letzten Jahr haben uns hier auf der Insel rund 500 Leute besucht."

    Der Ausbruch der Wirtschaftskrise hat Apostolis und Panagiotis in ihrem Vorhaben nur noch bestärkt. In letzter Zeit wollten es ihnen immer mehr Leute gleichtun, sagt der 30-jährige Panagiotis.

    "Die Städte haben nichts mehr zu bieten: Egal an welche Tür man klopft, sie bleibt verschlossen. Es gibt keine Perspektive mehr. Auch unsere Freunde und Verwandten sehen es immer positiver, dass wir aufs Land gezogen sind und fragen uns mit Neugier, wie das Leben im Dorf so ist."

    Dass die Flucht aus den Großstädten in Mode kommt, bestätigt auch Vize-Bürgermeister Spyros Zacharis. In seinem Zuständigkeitsgebiet in Nord-Euböa leben rund 22.000 Einwohner.

    "Viele junge Leute kehren zurück, um hier auf dem Acker oder im Geschäft der Eltern zu arbeiten. Oder sie machen etwas Eigenes, beschäftigen sich mit der Landwirtschaft und im Sommer mit dem Tourismus. Und wir haben auch immer mehr Zuwanderer, deren Eltern gar nicht von hier sind. Die meisten von ihnen haben unsere Region im Urlaub kennengelernt."

    Wichtig sei jetzt, diese jungen Leute auch nach der Krise hier zu behalten, sagt Spyros Zacharis. Apostolis und Panagiotis wollen auf jeden Fall hier bleiben. Eine Rückkehr nach Athen käme für sie nicht in Frage. Hohe Ansprüche haben sie ohnehin nicht:

    "Wir haben einen Garten, in dem wir Gemüse und Salate der Saison anbauen und wir haben 400 Obstbäume gepflanzt. Alle Ausgaben teilen wir uns. Und wir haben unsere Bedürfnisse heruntergeschraubt. Man braucht nicht viel, um glücklich zu sein."

    Ihre Ausgaben decken Apostolis und Panagiotis mit Aushilfsjobs. Fast alles fertigen sie selbst an: In einer alten Werkstatt, die ihnen ein Dorfbewohner zur Verfügung gestellt hat, verarbeiten sie Holzlatten und alte Möbelstücke, die sie im Müll finden.

    "Es ist doch schade, wenn solche Sachen im Müll landen. Aber jetzt in der Krise kommt das seltener vor. Die Menschen überlegen es sich dreimal, ob sie etwas wegwerfen. Also gibt es auch weniger Müll. Ein weiterer positiver Aspekt der Krise."

    Im Moment wohnen Panagiotis und Apostolis noch in einer kleinen Wohnung im Dorf. Bald aber wollen sie in die Jurte ziehen. Und sie haben vor, eine Art Öko-Kommune zu gründen, erklärt Panagiotis. Das Land dafür haben sie schon günstig erworben:

    "Es sind fast 12.000 Quadratmeter Ackerland. Dort könnten mit unserem angebauten Gemüse und den Obstbäumen locker 15 bis 20 Leute fast autark leben. Wir würden dauerhaft dort wohnen und wir hoffen, dass uns andere folgen."