Dicht an dicht stehen die Menschen in einer Schul-Aula in Hamburg-Rissen. 500 Interessierte sind gekommen, nicht jeder findet einen Platz. Das Thema: Wie wollen, wie können wir die in der Hansestadt ankommenden Flüchtlinge am besten unterbringen, treibt immer mehr Hamburgerinnen und Hamburger um. Wohlgemerkt: es geht um das Wie, nicht darum, ob Flüchtlinge aufgenommen werden. In der Kritik stehen vor allem die Senatspläne, in allen sieben Bezirken auch große Siedlungen zu bauen, in die bis zu 3.000 Menschen mit einer Bleibeperspektive einziehen könnten. Auf der Abendveranstaltung in der Schul-Aula warnen die Gegner dieser Pläne: dadurch würden, wie durch die Planungen der Siebzigerjahre, wieder neue Gettos entstehen.
"Wir können gerne mal eine Tour durch diese Stadtteile machen nach dreißig Jahren, oder jetzt nach vierzig, fünfzig Jahren und schauen, was aus diesen Stadtteilen geworden ist. Sie sind leider zu sozialen Brennpunkten geworden!"
"Da kann man eben nicht immer ganz sauber nach theoretischen Proportionen verteilen"
Vorne auf dem Podium hören sich die zuständigen Bezirkspolitiker und Hamburgs Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel die Kritik an. Auch die von Klaus Schomacker, dem Sprecher neu gegründeten Dachverbands Initiativen für erfolgreiche Integration in Hamburg: "Ich denke, man ist sich unisono einig, dass diese Großunterkünfte Probleme für die nächsten fünfzig Jahre verursachen. Und wir wollen so einen Problembereich natürlich nicht vor der Tür haben, sondern wir wollen die Politik des Senats vom Kopf auf die Füße stellen. Das heißt: Vorrang für Integration! Und denn schauen wir, wie wir durch bestmöglich Dezentralisierung und Durchmischung eine Integration langfristig sicherstellen."
Vorn auf dem Podium nickt Hamburgs Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel. Seine Präsentation, die Folien, mit denen er klar machen will, wie viele Menschen in diesem Jahr nach Hamburg kommen werden und wie schnell der Senat deshalb bauen will, diese Folien können nur wenige seiner Zuhörer beeindrucken. Nach der Bürgerversammlung, um kurz nach zehn Uhr am Abend sitzt Anselm Sprandel hinten in seinem Dienstwagen. Er atmet tief durch, beeindruckt vom Gegenwind auf der Rissener Bürgerversammlung: "Sie war schon anstrengend. Das muss ich schon sagen. Ich habe schon damit gerechnet, dass dort kritische Stimmen geäußert werden. Aber das sie so massiv auftreten, das war ein Stück... dann eine eigene Erfahrung."
Die Idee, dass sich Flüchtlinge viel eher integrieren, wenn sie über die ganze Stadt verteilt wohnen, in bestehenden Quartieren, diese Idee findet auch Anselm Sprandel gut. Theoretisch. "Das leuchtet mir für sich genommen auch ein. Aber wenn man sieht, mit welcher großen Zahl von Flüchtlingen wir rechnen und wie viele wir schon haben, dann haben wir das Thema, dass man eben nicht immer ganz sauber nach theoretischen Proportionen verteilen kann. Sondern dass man einfach zusehen muss, dass wir ausreichend Unterkünfte für diese Menschen finden. Und das entzieht sich manchmal der sauberen Proportionierung."
Ein Anfang in der Diskussion ist gemacht
Für 80.000 Flüchtlinge sollen Ende des Jahres feste Unterkünfte zur Verfügung stehen - das ist das Ziel des Senats. Und möglich sei das, heißt es, eben nicht allein durch viele kleine Bauprojekte. Klotzen, statt Kleckern, lautet die Devise. - Dieses Konzept soll nun durch einen Volksentscheid torpediert werden. Und weil der Hamburger Senat das auf jeden Fall verhindern möchte, sucht er das Gespräch mit den Kritikern. Zum Beispiel gestern Abend im Rathaus. Die Fraktionschefs von SPD und Grünen hatten Klaus Schomacker und seine Mitstreiter von den Initiativen für erfolgreiche Integration in Hamburg eingeladen.
Vor dem Gespräch, auf dem Rathausmarkt, bekräftigte Klaus Schomacker noch einmal seine Skepsis gegenüber den vermeintlich "alternativlosen" Senatsplänen. Seiner Meinung nach wurde von Anfang an einfach ein falsches Konzept verfolgt. "Wenn der Senat oder der Bürgermeister gesagt hätte: 'Liefert mir die Möglichkeit, 40.000 Flüchtlinge unterzubringen und zwar möglichst dezentral, in kleinen Einheiten!' Dann hätten die Bezirke völlig andere Lösungen angeboten."
Drei Stunden lang haben die Fraktionschefs mit den Gegnern der rot-grünen Pläne diskutiert. Einig ist man sich noch lange nicht, heißt es heute. Aber immerhin ist ein Anfang gemacht, natürlich wird es weitere Treffen geben. Bis dahin wollen beide Seiten, die Kritiker von großen Flüchtlingsvierteln und der Hamburger Senat, aber ihre Projekte vorantreiben. Die einen bereiten einen langwierigen Volksentscheid vor, die anderen machen Druck beim Bau von möglichst vielen Folgeunterkünften.