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Groundhopper

Sogenannte Groundhopper verbinden Reiselust und Fußball miteinander. Sie hüpfen quasi von einem Stadion zum nächsten, und wollen Fußballtempel rund um die Welt besuchen. Die 18 Stadien der deutschen Bundesliga reichen da schon lange nicht mehr aus.

Von Gerd Michalek | 05.07.2009
    "Irgendwann reicht einem das nicht mehr. Dann hat man jedes Stadion in der Bundesliga gesehen, dann sagt man sich. Mensch, man möchte doch auch mal Stadien in der zweiten Bundesliga angucken. Dann habe ich im Fanclub Bonn Groundhopper getroffen, die haben mir das mal erklärt, und dann bin ich so in die Szene rein geraten. Der Anfang war im Februar 1997."

    Bereits zehn Jahre früher als der Kölner Andreas Werner hatte Jens Uwe Hansen Blut geleckt. Der Remscheider Lagerarbeiter war in England unterwegs zu Westham United.

    "Und irgendwann auf der Fähre hat man dann mal einen älteren Deutschen kennen gelernt, der schon alle 92 Stadien der englischen Profi-Liga besucht hat. Da war natürlich das Staunen groß und die Bewunderung, wie man so bescheuert sein kann, so was zu machen. Und dann kommst du auf die Idee, das könntest Du auch mal machen."

    Andreas Werner: "Dann hat mich mal ein Kollege mit nach Belgien genommen und hab dort den ersten Länderpunkt Belgien gemacht. Und das fand ich ganz toll."

    Dann steigerte sich das Ganze - so wie aus einem braven Halbschuh-Wanderer langsam ein gestandener Alpinist wird. Die Strecken wurden weiter, das Punktekonto wuchs. Die Autos der beiden Groundhopper Hansen und Werner kamen kaum noch zum Stehen. Noch heute fährt Jens Uwe Hansen oft nach England - zu Stadien mit einer gewissen Aura:

    "Mir gefallen beispielsweise in England die Grounds, die noch alte Holztribünen haben. Wo es noch ein bisschen nach Vergangenheit riecht und die Steh-Terrassen nicht so gerade gebaut sind und im Laufe der Jahre was verformt sind."

    Aura hin oder her - worin besteht nun das größte Glück für einen Groundhopper?

    "Wenn man für einen Tag vier Spiele geplant hat und auch die vier alle besuchen kann, und es geht rein nichts schief. Man fängt morgens mit einem Jugendspiel an, nachmittags mit einem Herrenspiel, um 17:30 Uhr noch eins und um 20 Uhr. Das klappt meistens in Belgien oder Holland."

    Wie Sammler, die alle Briefmarken eines Landes besitzen wollen, haben Groundhopper ihren Anspruch auf Komplettierung. Jens Uwe Hansen kennt allein in Deutschland alle Stadien der ersten bis fünften Liga - also von Bundesliga runter bis zur Verbandsliga. Da ist ordentlich was zusammengekommen: 4.300 Stadien in 76 Ländern - die Früchte von 20 Jahren Sammelzeit. Damit ist Hansen inoffiziell die Nummer zwei in Deutschland. Aber sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, kommt nicht infrage. Ihn reizt einfach zu sehr, auf Achse sein - wie auch die Reise-Logistik:

    "Ich studiere dann alle Internetseiten der ausländischen Verbände und ausländischen Vereine, Zugfahrpläne, Flugfahrpläne, das macht das Leben einfacher. Früher ist man mit dem Auto nach Spanien gefahren. Das war Wahnsinn, war fast das ganze Wochenende im Auto, hat zwei Spiele gesehen. Dann wieder nach Hause gefahren."

    Möglichst viele Stadion-Termine sollen in ein Wochenende passen. Jugendspiele und Fünft-Ligisten - Hauptsache Neuland. Doch es gibt auch Tage, an denen die gut überlegte Planung schief läuft.

    Jens Uwe Hansen: "Gerade in der Anfangszeit, da hat man sich auf so Zeitungen wie die Sport Bild verlassen. Da fährt man nach Wien, ich war auch freitagabends da, und die erzählen einem dann, dass das Spiel erst Samstagabends ist. Und Wien ist 1.000 Kilometer weg, da hat man schon nen dicken Hals."

    Andreas Werner: "Die härteste Sache war, wir sind mal mit fünf Mann mit dem Leihwagen unter der Woche nach Dover, nach England gefahren, haben uns vergewissert vorher, dass das Spiel auch ist, kommen dann hin zum Stadion, und das Spiel fand kurzfristig dann nicht statt. Das war ein Mega-Frusterlebnis."

    Doch hartnäckig wie Andreas Werner war, hat er wenig später die Reise erfolgreich nachgeholt. Und überhaupt: Sich nur bis zum Kartenhäuschen vorkämpfen - dafür gibt es keine Punkte. Genauso wenig für Spielabbrüche in der ersten Halbzeit.

    "Der Ehrenkodex ist da schon sehr hoch. Als Nachweis dient in der Regel die Eintrittskarte und das Programmheft. Es reicht aus, eine Halbzeit zu gucken, um den Ground zu zählen. Aber ich versuche immer, das Spiel komplett 90 Minuten zu gucken, weil: Ich halte nichts vom 'Halbzeit-Hopping'."

    Groundhopper treffen Gleichgesinnte auf der ganzen Welt - ob in Thailand oder Zypern. Einsam werden sie schon deshalb nicht.

    "Die normalen Bekannten werden natürlich weniger, dafür haben sich neue Freundschaften gebildet innerhalb der Groundhopperszene. Ich habe eine Freundin, die ist auch Groundhopperin, da ergänzt sich das ganz hervorragend. Sie wohnt in Hannover, sie ist auch noch nicht so weit gediehen, sie hat etwa 700 oder 800 Grounds. Demzufolge, wenn ich irgendwo hin fahre, fehlen ihr die Grounds so oder so. Das ist dann nicht die Problematik, dass wir nicht zusammen fahren können."

    Wer die Minimalform von Erlebnisurlaub liebt, ist bei den Groundhoppern genau richtig.

    "Das war so ein Kult nach der Arbeit: Unter der Woche nach England Fußball gucken, nachts zurück, und dann morgens in der Frühstückspause: Na, wo warst du denn? Der eine dann: 'Ich war im Kino.' Und ich halt: 'Ich in England beim Fußball.' Und hab die Eintrittskarte noch gezeigt. Ich meine, dass ist so eine verrückte Sache gewesen."