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Grubenwasser
Die ewigen Kosten des Steinkohlebergbaus

Das Ruhrgebiet ist durchzogen von einem gigantischen Netz an Schächten, Gruben und Stollen, die sich täglich mit großen Wassermengen füllen. Riesige Pumpen sind notwendig, damit das Revier nicht zu einer Seenplatte wird. Das verursacht enorme Kosten, die von der RAG-Stiftung getragen werden.

Von Moritz Küpper |
    Eine Pumpe in der stillgelegten Zeche Duisburg-Walsum
    Riesige Pumpen sorgen dafür, dass das Grubenwasser abgepumpt werden kann (imago/ biky)
    Markus Roth steht auf der stillgelegten Zeche Walsum in Duisburg. Nebenan läuft Steinkohle vom Band, die ein paar Meter entfernt, in einem noch laufenden Kraftwerk verfeuert wird. Diese Kohle kommt mittlerweile aus Australien und Südamerika. Denn: Der 780 Meter tiefe, alte Schacht, vor dem Roth jetzt steht, ist durch Beton versiegelt, einzig ein Rohr für eine Pumpe führt noch hinab, in die Tiefe:
    "Durch den über 150 Jahre alten Abbau, hat natürlich der Steinkohlenbergbau eingegriffen in die Deckschichten als solches."
    Essener Innenstadt ist fast 30 Meter abgesackt
    Roth, 50 Jahre alt, ist Geologe. Und Wasser-Fachmann, beim Bergbaukonzern RAG – und muss ich jetzt um die Altlasten des Steinkohle-Bergbaus kümmern. Die über Jahrzehnte aus dem Boden geholten Abermillionen Tonnen von Kohle und Gestein, haben das Ruhrgebiet gewaltig absacken lassen. Im Schnitt um 12 Meter, die Essener Innenstadt ist fast 30 Meter abgesunken. Die Zahl der Schächte, Gruben und Stollen im Ruhrgebiet und im Aachener Revier werden auf rund 60.000 geschätzt, es ist ein gigantisches Netz, was sich tief in der Erde entspinnt. Über 200 Pumpen sind daher nötig, damit das Ruhrgebiet nicht zur Seenplatte wird.
    "Ein Anstieg komplett ohne Pumpen wäre natürlich wieder das Einstellen eines natürlichen Zustandes. Aber dieser natürliche Zustand ist durch den jahrhundertealten Steinkohlenbergbau gestört. Und insofern sind wir gehalten das Wasser nur soweit ansteigen zu lassen, wie es zum Schutz der Tagesoberfläche notwendig ist."
    Denn: Grubenwasser ist salzig und mit der Chemikalie PCB belastet, die früher unter Tage als Flammschutzmittel in den Maschinen vorgeschrieben war. Durch die alten Abbau-Schächte würde das Wasser nach oben steigen:
    "Wir haben oberflächen-nah Grundwasservorkommen, die zu Trinkwassergewinnung genutzt werden. Und wenn man das Grubenwasser unkontrolliert ansteigen lassen würde, wären möglicherweise diese Grundwasser- oder Trinkwasser-Vorkommen gefährdet."
    Bis zu 9.000 Liter werden pro Minute abgepumpt
    Roth zeigt auf die fast 15 Meter lange, stählerne Pumpe, die neben ihm langsam in die Tiefe gelassen wird. 2.300 PS hat das Gerät, mit deren Hilfe das Grubenwasser nach oben kommt – bis zu 9.000 Liter pro Minute. An sechs Standorten soll dies künftig geschehen – und eben durch solche Brunnen und nicht mehr durch offene Schächte:
    "Der große Vorteil der Grubenwasserhaltung ist, dass ich kein offenes Grubengebäude mehr habe und kompletten Zugriff von der Tagesoberfläche auf das Grubenwasser habe."
    Beispielsweise eine Grubenwehr, also eine Eingreiftruppe unter Tage, wird überflüssig. Dennoch: Die Pumpen müssen ewig weiterlaufen. Das kostet eine Menge Strom – und viel Geld.
    "Ja, die Idee bei der Stiftungsgründung war ja, dass man den werthaltigen Teil von dem Beihilfe-abhängigen Teil trennt und dass man beides unter die RAG-Stiftung setzt."
    Milliardenvermögen aus Industriebeteiligungen in die Stiftung
    Bernd Tönjes war einst selbst Steiger. Auf dem Bergwerk Lippe. Nun ist er Chef der sogenannten RAG-Stiftung. Dieses Konstrukt, das einst vom Energie-Manager und ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Werner Müller erdacht wurde, erhielt das Milliardenvermögen aus den Industriebeteiligungen und den Immobilien der Bergwerke.
    "Mit der Maßgabe, dass dann nach Beendigung des Steinkohlenbergbaus, also ab 2019, die RAG-Stiftung mit dem verfügbaren Vermögen und Einkommen dann die Nach-Bergbau-Kosten tragen kann, ab 2019, wie gesagt. Das war die damals, ja, mutige Annahme und heute, zehn Jahre später, kann ich sagen, dass diese Annahme zu 100 Prozent aufgegangen ist."
    Heute gehört ihr die Mehrheit am Chemiekonzern Evonik, an 16 Mittelständlern und Start-Ups ist sie beteiligt. Dazu kommen Kapitalanlagen. Alles in allem hat sie bis heute fünf Milliarden Euro für Rückstellungen gesammelt. Geld, um die sogenannten Ewigkeitskosten zu übernehmen: Von gut 220 Millionen Euro pro Jahr war man da bisher ausgegangen, …
    "… jetzt sind die Preise natürlich auch gestiegen. Die Zahlen werden etwas höher ausfallen. Die Genehmigungsverfahren bei den Wasserhaltungsmaßnahmen sind etwas im zeitlichen Verzug, so dass aktuell nochmal überlegt wird, welche Größen damit auch auf die RAG-Stiftung zukommen werden."
    Bei rund 450 Millionen Euro Einnahmen aktuell ist sich Tönjes jedoch sicher, dass das Stiftungsmodell ab dem nächsten Jahr funktioniert: "Die Einnahmen werden die Ausgaben bei Weitem übersteigen."
    Doch, ob und wie viel – das wirkt die Zukunft zeigen.