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Grübel: Optimismus beim Euro Hawk war ansteckend

Rüstungsvorhaben stellten sich in der Umsetzung meist teurer dar als von der Industrie kalkuliert, sagt Markus Grübel. Der CDU-Politiker glaubt, dass sich die Staatssekretäre um Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) vom Optimismus des Drohnenherstellers anstecken ließen.

Markus Grübel im Gespräch mit Silivia Engels |
    Silvia Engels: Wir schauen auf den sogenannten Drohnen-Ausschuss des Bundestages. Dieser Untersuchungsausschuss zu den Verlusten durch das gestoppte Drohnenprojekt Euro Hawk war ja bislang vor allen Dingen diesen Fragen nachgegangen: Warum fielen die Probleme, das Fluggerät zuzulassen, erst so spät auf? Warum wurde das Projekt also nicht früher gestoppt. Gestern nun wurden die betroffenen Rüstungskonzerne selbst gefragt, und deren aufgeworfene Fragen lauten ganz anders: Warum, fragten sie, wurde der Euro Hawk so früh gestoppt? Ihrer Ansicht nach hätten die Probleme mit der Drohne nämlich gelöst werden können. Am Telefon ist nun Markus Grübel, CDU-Obmann im Drohnen-Untersuchungsausschuss. Guten Morgen, Herr Grübel!

    Markus Grübel: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Hat Sie denn die Argumentation der Rüstungskonzerne überzeugt? Hätte man die Drohne retten können?

    Grübel: Die hat mich nicht überzeugt, aber überrascht hat sie mich nicht. Die Firmen wollen was verkaufen und stellen ihr Produkt in einem guten Licht dar und sind davon überzeugt, dass ihr Produkt gut ist, und darum waren sie der Meinung, dass es richtig wäre, dass wir die Drohnen kaufen.

    Engels: Die Vertreter der Rüstungskonzerne, Cassidian und Northrop Grummon, sagten unter anderem, mit dem Abbruch habe sich das Verteidigungsministerium für den teuersten Weg für den Steuerzahler entschieden, die Flugzulassung für die Serienproduktion hätte man für unter 200 Millionen kriegen können. Also wird hier die Darstellung von Minister de Maizière bezweifelt. Der hatte ja höhere Mehrkosten gefürchtet. Wer hat denn da richtig gerechnet?

    Grübel: Sicher weiß man es nicht, aber das Ministerium geht von Mehrkosten von mindestens 600 Millionen Euro aus und mit dem Risiko, dass die Zulassung dann trotzdem nicht erreicht werden kann, und hat seine Positionen noch einmal von einem Institut überprüfen lassen. Also ich gehe davon aus, dass das Ministerium richtig liegt.

    Engels: Haben Sie denn das Gefühl, dass in der Tat man es bis zum Ende geprüft hat? Ist eigentlich klar, dass beispielsweise ein Teil dieses Spähsystems Isis noch zu retten ist? So hatte ja Minister de Maizière argumentiert, das Geld sei deshalb nicht verloren, weil man eine Trägerplattform entwickeln könnte, mit der ein Teil der entwickelten neuen Software zu retten sei. Nun haben Mitarbeiter von EADS das auch bezweifelt.

    Grübel: Da habe ich den Vorstandsvorsitzenden von EADS anders verstanden. Das System Isis funktioniert. Die Überwachungsdrohne fliegt ja zurzeit über Deutschland und wird erprobt und wird erfolgreich erprobt und …

    Engels: Aber eine neue Trägerplattform sei bis jetzt noch nicht in der Planung.

    Grübel: Die ist noch nicht in der Planung. Und das funktionierende System Isis – also die Erprobungen laufen ja noch bis 30. September, – das System Isis kann dann in eine andere Plattform eingebaut werden. Da werden noch Anpassungskosten entstehen. Das Ministerium ist aber mal davon ausgegangen, dass die Trägerplattform dann nicht teurer sein darf als Euro Hawk.

    Engels: Finden Sie es nicht insgesamt erschreckend, dass zwischen Verteidigungsministerium, Parlamentariern und eben auch den Rüstungsvertretern so verschiedene Ansichten über dieses Projekt Euro Hawk bestehen?

    Grübel: Das ist eigentlich bei allen Rüstungsvorhaben, dass die Industrie die Kosten anders schätzt als die Kosten, die nachher rauskommen. Und das Ministerium hat hier wirklich intensiv die Sachen überprüft, es noch einmal extern gegenprüfen lassen, und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Angaben der Industrie zu niedrig geschätzt sind. Insbesondere hat die Industrie, da habe ich ja in vielen Nachfragen noch mal gebohrt, die Industrie hat nie gesagt, wir verkaufen euch die Zulassung sozusagen zu einem Festpreis, sondern sie haben geschätzt, dass die Kosten dort liegen, auch nicht die gesamte Industrie, sondern der amerikanische Hersteller Northrop Grummon, der den Euro Hawk baut, hat immer gesagt, man nimmt an, dass es so und so viel kostet, aber gibt keine Garantie. Und es gibt ein paar offene Posten, die nicht finanziell unterlegt sind, und das sind gerade die Posten, die am meisten Risiken haben. Also von daher glaube ich, dass die Schätzung, die die Bundeswehrdienststellen gemacht haben, dass es Richtung 600 Millionen Euro geht, die extern überprüft wurden, dass die Schätzungen richtiger sind.

    Engels: Dann schauen wir auf den Tag voraus. Heute werden ja unter anderem im Untersuchungsausschuss die Staatssekretäre im Verteidigungsministerium, Beemelmans und Wolf gehört werden. Im Verteidigungsausschuss, dem Sie ja auch angehören, hat Staatssekretär Beemelmans über Jahre über den Fortgang des Euro-Hawk-Projekts berichtet, aber, so wird der Vorwurf ihm gemacht, er habe nicht darüber informiert, wie teuer es wird, obwohl er schon konkrete Kosten hatte. Fühlen Sie sich von ihm hintergangen?

    Grübel: Nein. Die Projektleiter hatten immer die Hoffnung, dass sie die Probleme lösen können. Und wenn man gestern den Vertreter des amerikanischen Unternehmens angehört hat, der hat auch überhaupt nicht verstanden, dass diese Zulassungsprobleme in Deutschland bestehen, weil in Amerika eine völlig andere Kultur der Zulassung von solchen Flugzeugen besteht. Und wenn alle sozusagen ständig Optimismus verbreiten und sagen, es gibt Probleme, aber die lösen wir, dann schlägt das bis zur Spitze durch.

    Engels: Aber offenbar, das legen jedenfalls Papiere nahe, über die in den Medien berichtet wird, beschwert sich ja nicht nur die Opposition, sondern auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Hoff berichtete, dass sie von Herrn Beemelsmans noch im April nicht die Zahl von Drohnen 500 Millionen Euro Schaden genannt bekam, obwohl er sie damals kannte, sondern vage blieb. Kann man diesem Staatssekretär Beemelmans dann noch vertrauen?

    Grübel: Ja, also diese Schadenshöhe 500 Millionen Euro ist jetzt auch, hat sich bei keiner Anhörung bestätigt. Wenn man davon ausgeht, dass das deutsche Aufklärungssystem Isis in einem anderen Flugzeug genutzt werden kann, dann ist der Schaden deutlich geringer. Wie hoch der Schaden ist, wird man wahrscheinlich nie richtig bewerten können, weil das ein Erprobungsvorhaben war. Der Minister hat ja ausdrücklich entschieden, die Erprobung zu Ende zu führen. Die Erkenntnisse haben wir, aber wir kaufen Euro Hawk nicht. Rein vom Haushalt her haben wir jetzt 675 Millionen Euro übrig, weil der Kaufpreis für Euro Hawk zumindest vorläufig nicht fließt. Und jetzt müssen wir mal schauen, was wir für Alternativen haben und was die Alternativen kosten. Und hinterher können wir sagen, ob die Alternative teurer ist als Euro Hawk oder billiger. Die Entscheidung halte ich aber für richtig, weil bislang hat uns keiner garantieren können, dass wir eine Zulassung für Euro Hawk bekommen. Und wer würde ein Auto kaufen, das er nicht fahren darf?

    Engels: Na ja, die Kosten sind jetzt das eine, aber die lückenhafte Information des Verteidigungsausschusses, die ja auch de Maizière eingestanden hat, durch die Staatssekretäre, die steht auf einem anderen Blatt. Haben diese Staatssekretäre Sie in Ihrer Kontrollaufgabe beeinträchtigt?

    Grübel: Also ich glaube, so kann man das nicht sagen. Die Staatssekretäre hatten den Kenntnisstand, dass es Probleme gibt, aber dass sie lösbar sind. Und wir haben ja praktisch bis ins Amt hinein die Beteiligten befragt, und alle haben immer gesagt, wir hatten die Hoffnung, wir kriegen die Probleme in den Griff. Am Anfang gab es Probleme, dass die Amerikaner die Papiere nicht zur Verfügung gestellt haben, dann hat sich das Problem gelöst. Dann hat man in der Tat gesagt, das reguläre Zulassungsverfahren in Deutschland wird schwierig und wird teuer. Dann hat man im Jahr 2012 alternative Zulassungsverfahren geprüft. Und es gäbe immer noch eine Zulassungsmöglichkeit, die nicht teuer ist, die hat man aber dann ganz am Schluss verworfen, nämlich dass der Inspekteur Luftwaffe praktisch die Zulassung erteilt und das aufwendige Zulassungsverfahren ersetzt. So fliegt übrigens Global Hawk, also die Schwester von Euro Hawk in den Vereinigten Staaten. Die haben kein ordentliches Zulassungsverfahren gemacht, sondern der Luftwaffengeneral hat praktisch das Flugzeug zugelassen.

    Engels: Viele Fragen sind noch offen, das kann man auch festhalten am Ende dieses Gesprächs. Wir sprachen mit Markus Grübel, CDU-Obmann im Drohnen-Untersuchungsausschuss. Vielen Dank für das Gespräch!

    Grübel: Gern, Wiederhören!

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