"Einig nur sind die Arbeiter eine Macht! Zersplittert sind wir ewig das Gespött unserer Gegner, aber einheitlich und wahrhaft demokratisch organisiert sind wir unüberwindlich."
Das sind die zentralen Sätze eines politischen Aufrufs, der in der Nacht des 22. Juni 1869 in einem Magdeburger Gasthaus niedergeschrieben worden ist, im Wesentlichen von August Bebel und seinem Freund Wilhelm Liebknecht formuliert. Der Aufruf bereitete einen von den beiden organisierten Arbeiterkongress in Eisenach vor. Er begann mit 262 Delegierten am 7. August 1869 und hatte die Einigung der deutschen Arbeiter in einer Partei zum Ziel – ein Vorhaben, das mit der Gründung der SDAP, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, am 8. August 1869 auch zu gelingen schien. In deren Programm stand die Errichtung eines "freien Volksstaates" an erster Stelle. Aber ebenso, in guter marxistischer Diktion, die Beseitigung der Klassenherrschaft in all ihren Auswirkungen. Von zentraler Bedeutung blieb aber auch die "politische Freiheit":
"Sie ist die unentbehrliche Vorbedingung zur ökonomischen Befreiung der arbeitenden Klassen. Die soziale Frage ist mithin untrennbar von der politischen, ihre Lösung durch diese bedingt und nur möglich im demokratischen Staat."
Forderung nach Einigkeit
Die im Vorfeld der Parteigründung erhobene Forderung nach Einigkeit benannte eins der Hauptprobleme der jungen Arbeiterbewegung: Sie blieb gespalten und ihre Vertreter rieben sich in ideologischen Grabenkämpfen auf. Dabei war diese Arbeiterbewegung allenfalls in Umrissen sichtbar. Jedenfalls galt das bis weit in die 1860er-Jahre hinein, da sich das durch die Kleinstaaterei geschwächte Deutschland erst langsam vom Agrar- zum Industriestaat zu wandeln begann. Der Historiker Peter Brandt:
"Überall, wo sich die kapitalistischen Produktionsverhältnisse durchsetzen, im Verlauf des 19. Jahrhunderts, bilden sich Arbeitervereine unterschiedlicher Art. Bevor sich dann die Parteienformierung in den 1860er-Jahren durchsetzt, gibt es ja schon in Deutschland eine ganze Zeit sowohl gewerkschaftliche Ansätze – die Drucker und die Zigarrenarbeiter – als auch vor allem diese Bildungsvereine, die eben zum gewissen Teil auch von Bürgerlichen gegründet werden – mit den besten Absichten, aber nicht mit dem Ziel, jetzt eine Klassenbewegung zu unterstützen."
Mühsamer Gründungsprozess
Die Gründung einer Arbeiter-Partei war auch im August 1869 noch mühsam. So sollte der neue Zusammenschluss nach dem Willen des damals populären Revolutionärs und einstigen Oberbefehlshabers der badischen Volkswehr in der Revolution von 1848/49, Johann Philipp Becker, ganz anders heißen. August Bebel berichtet in seinen Erinnerungen:
"Becker hatte es sich trotz all meiner Gegengründe nicht nehmen lassen, einen langen Antrag einzubringen, wonach die Partei sich "Allgemeiner deutscher sozialistisch-demokratischer Arbeiterverein, Bestandteil der internationalen Arbeiterassoziation" nennen solle. Der Antrag fand keine Zustimmung."
Gottseidank, möchte man meinen, die Lage war auch so schon kompliziert genug. Denn neben der SDAP existierte vorerst auch weiterhin der einst von Ferdinand Lassalle gegründete ADAV, der Allgemeine deutsche Arbeiterverein. Der strebte eigentlich, dabei durchaus marxistisch orientiert, nach ähnlichen Zielen, allerdings mit einigen entscheidenden Unterschieden. Lassalle schrieb dem ADAV ins Stammbuch:
"Der Arbeiterstand muss sich als selbständige politische Partei konstituieren und das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht zu dem prinzipiellen Losungswort und Banner dieser Partei machen."