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Grüne Gentechnik
EuGH-Urteil bremst Europas Pflanzenforscher aus

Genscheren sind Werkzeuge, mit denen sich das Erbgut von Organismen gezielt verändern lässt. Während die Möglichkeiten vielerorts für Euphorie sorgen, müssen europäische Pflanzenzüchter strenge Vorgaben erfüllen - die Auswirkung eines EuGH-Urteils aus dem letzten Jahr. Dagegen regt sich nun Widerstand.

Von Lucian Haas |
Illustration einer Schere, die ein DNA Molekül modifiziert
Mit der Genschere CRISPR kann das Erbgut in kleinsten Schritten gezielt verändert werden (imago / Keith Chambers)
Der 25. Juli 2018 war für viele Pflanzenforscher und Züchtungsunternehmen in der EU ein schwarzer Tag. Denn da urteilte der Europäische Gerichtshof: Organismen, deren Erbgut mit modernen Verfahren des sogenannten Genome Editing gezielt verändert wird, sind im Sinne der geltenden EU-Freisetzungsrichtlinie als gentechnisch veränderte Organismen einzustufen, kurz GVO. Wie alle GVO müssen sie deshalb streng geprüft, zugelassen und gekennzeichnet werden.
Mit einem Schlag war damit die Hoffnung dahin, Methoden wie Crispr/Cas, Talen oder Zinc-Finger-Nukleasen könnten künftig ohne viel Aufhebens und Kontrolle in der Pflanzenzucht verwendet werden. Mit diesen Genscheren lassen sich Mutationen im Genom erzeugen, wie sie auch auf natürliche Weise entstehen können. Die gezielten Genveränderungen sind in vielen Fällen nicht einmal von natürlichen Mutationen unterscheidbar.
Außerhalb der EU ist Genome Editing weitgehend dereguliert
Deshalb hatten viele Experten erwartet, der EuGH würde das Genome Editing ähnlich einstufen wie traditionelle Verfahren, um Mutationen im Erbgut auszulösen. Denn wenn Pflanzenzüchter – wie seit Jahrzehnten üblich – Chemikalien oder Strahlung einsetzen, um bei Pflanzen zufällige Mutationen der DNA hervorzurufen, dürfen sie mit diesem Genmaterial ohne die strengen Auflagen der Freisetzungsrichtlinie weiterarbeiten. Die Pflanzen, die dabei entstehen, gelten offiziell nicht als GVO.
Für Pflanzen, die mittels Genome-Editing optimiert wurden, greifen nun aber viel striktere Vorgaben. Dabei haben andere Länder wie die USA den Einsatz von Genscheren in der Pflanzenzucht schon weitgehend dereguliert. Das würden viele Züchter und Forscher gerne auch in der EU sehen. Doch dafür müsste die EU-Kommission ihre Gentechnik-Richtlinien anpassen oder den Rechtsrahmen ganz neu definieren. Konkrete Vorschläge dafür haben die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und die Deutsche Forschungsgemeinschaft jetzt in einer gemeinsamen Stellungnahme veröffentlicht.
"Das EuGH-Urteil ist wissenschaftlich in großen Teilen unhaltbar"
"Wege zu einer wissenschaftlich begründeten, differenzierten Regulierung genomeditierter Pflanzen in der EU", so der Titel des 88-seitigen Papiers. Professor Ralph Bock, Direktor am Max-Planck-Institut für Pflanzenphysiologie in Potsdam, ist einer der Autoren. Im Dlf-Interview erklärt er: "Die Entscheidung des EuGH hat seinerzeit zu großem Entsetzen in der Wissenschaft geführt - aber auch bei den Pflanzenzüchtern." Die Begründung des Urteils sei wissenschaftlich in großen Teilen unhaltbar, so Bock. "Die Hauptleidtragenden sind die europäischen Pflanzenzüchter. Denen werden die revolutionären Möglichkeiten der Genom-Editierung weitestgehend verwehrt bleiben." Die Folge: Ein gravierender Wettbewerbsnachteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz.
Europas Pflanzenzüchter - bei innovativen Entwicklungen abgehängt
Sojabohnen mit gesünderen Fettsäuren, Weizen mit weniger Gluten, Maispflanzen, die besser mit Dürren zurecht kommen, Weinreben, die resistent gegen Pilzbefall sind - diese und viele andere innovative Sorten wurden mittels Genom-Editierung bereits hergestellt. Damit Europas Forscher international nicht den Anschluss verlieren, fordern die Wissenschaftler in ihrer gemeinsamen Stellungnahme, dass die Genomeditierung bei Nutzfplanzen rechtlich genauso behandelt wird wie andere bewährte Mutagenese-Verfahren. Damit würden mittels Genome-Editing erzeugte Sorten nicht mehr unter die strengen Auflagen für GVO-Pflanzen fallen. Freiland- und Feldversuche wären dann ohne die großen bürokratischen und finanziellen Hürden möglich, die ihnen in Europa heute oft im Wege stünden, sagt Ralph Bock: "Freiland- und Feldversuche wurden in der EU extrem erschwert."
Politik und Öffentlichkeit seien gefordert, sich auf Basis belastbarer Fakten eine fundierte Meinung zu den Chancen und Risiken der Genomeditierung bei Nutzpflanzen zu bilden, so der Max-Planck-Direktor. Die gemeinsame Stellungnahme von DFG und deutschen Wissenschaftsakademien liefere dafür eine wissenschaftlich solide Grundlage.