Keine schöne Bescherung war das, kurz vor Weihnachten im Hamburger Rathaus. Das Spitzenduo der Grünen hatte geladen. Und zwischen Katharina Fegebank und Jens Kerstan stand der Weihnachtsmann in seiner rot-weißen Tracht, einen Jutesack über der Schulter, Olaf-Scholz-Maske vor dem Gesicht.
"Das ist ja ein komisches Geschenk..."
Das grüne Spitzenteam packte die Geschenke aus und siehe da: Die Pakete waren leer. Nichts als schöner Schein, mit dem Weihnachtsmann Scholz die Wählerschaft zu ködern versucht. Die Botschaft kam an, die beiden Grünen bewiesen schauspielerisches Talent.
Nur zuspitzen, die alleinregierende SPD unter Olaf Scholz frontal angehen, dass wollen die Hamburger Grünen im Wahlkampf nicht, so die Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin Katharina Fegebank:
"Man muss zur Kenntnis nehmen, dass es nach knapp vier Jahren, nach knapp einer Legislaturperiode, was die Umfragen angeht und die Zustimmungswerte zum Senat eine hohe Zufriedenheit gibt. Und dann frage ich mich, ob man den gleichen Fehler machen will, den man schon bei der Bundestagswahl gemacht hat, als Opposition die Keule rauszuholen und draufzuschlagen, wenn es eine positive Grundstimmung gibt, die zufrieden ist, erst mal mit dem Grundrauschen, was in der Stadt da ist."
"Das sind alte Rituale"
Die einst so widerborstigen Grünen starten fast handzahm in den Wahlkampf. Gewählt wird in der Hansestadt am 15. Februar. Vergessen sind die gar nicht lang vergangenen Zeiten, in denen Jens Kerstan als Fraktionschef am Rednerpult der Bürgerschaft auf die Barrikaden ging, gegen die Politik der SPD beim Rückkauf der Energienetze wetterte:
"Keine Privatisierung der Fernwärme! Ja zu Bürger..."
"Herr Kerstan, ihre Redezeit ist wirklich abgelaufen!"
"Herr Kerstan, ihre Redezeit ist wirklich abgelaufen!"
Ein Jahr liegt die Debatte zurück. Ein Jahr, in dem der SPD-Senat die sogenannten Gefahrengebiete auf St. Pauli unterstützte. Ein Jahr, in dem der Senat nichts Effektives gegen die Luftschadstoffe durch den Autoverkehr unternommen hat und an der Elbvertiefung immer noch festhält. Trotzdem steht fest: Polternd wollen sie nicht daherkommen, bestätigt auch der einst so temperamentvolle Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan:
"Das, finde ich, sind einfach alte Rituale. Und letztendlich wollen die Menschen, dass wir uns um die Probleme dieser Stadt kümmern und wollen auch, dass wir Grüne da eine Änderung herbeiführen. Aber die Zeiten, wo man früher mit diesen wirklich ganz krawalligen Auftritten viele Punkte gemacht hat, die sind vorbei, oder jedenfalls werden sie von uns Grünen auch nicht mehr erwartet. Die Menschen wollen von uns, dass wir die wichtigen Themen im Umweltbereich, im Bildungsbereich, bei der sozialen Gerechtigkeit angehen und da was ändern."
Die wundersame Wandlung der Grünen, ihre politische Milde hat natürlich nichts mit den Machtoptionen nach der Bürgerschaftswahl zu tun, beteuert Jens Kerstan. Laut aktuellen Wahlumfragen kann Olaf Scholz der SPD nicht noch einmal zur absoluten Mehrheit verhelfen. Und was er dann zu tun gedenkt, hat der Erste Bürgermeister schon verraten. Kurz und knapp, Olaf Scholz eben:
"Ich habe immer gesagt: Wenn es allein nicht reicht, fragen wir die Grünen. Das habe ich übrigens auch vor der letzten Wahl schon gesagt."
Noch ist Zeit für mehr politischen Krawall
Und die scheinen es sich mit dem allseits beliebten Bürgermeister nicht verderben zu wollen. Natürlich haben die Hamburger Grünen einiges auszusetzen an der Senatspolitik der letzten vier Jahre. Auf 120 Seiten listet ihr Wahlprogramm auf, wie ein grüneres Hamburg aussehen sollte: Ja, die Gefahrengebiete mit ihren verdachtsunabhängigen Polizeikontrollen gehörten abgeschafft, fordern sie. Und die Kluft zwischen Arm und Reich im ökonomisch so erfolgreichen Hamburg müsse bekämpft, Inklusion viel stärker vorangetrieben, mehr Fahrradverkehr ermöglicht werden. "Mit Grün geht das!" lautet die windelweiche Losung der Grünen im Wahlkampf.
Aber die anderen sind ja auch nicht besser: Die SPD wirbt mit dem Slogan "Hamburg weiter vorn!", die CDU versucht es mit "Hamburg kann mehr!". Die FDP - nach letzten Umfragen in Zukunft gar nicht mehr in der Bürgerschaft vertreten - ist überzeugt: "Hamburg gibt die Richtung vor!", die AfD findet: "Hamburg muss handeln!". Die Parole der Linken - fast schon konkret - lautet: "Konsequent sozial!". Die grüne Beißhemmung mitten im Wahlkampf ist, so Spitzenkandidatin Katharina Fegebank, auch eine Lehre aus dem "Veggie-Day"-Desaster aus dem Bundestagswahlkampf: Die Grünen als Verbotspartei, die den Menschen einen fleischfreien Tag pro Woche verordnen wollte, das kam damals nicht gut an:
"Das passt nicht zu meinem Bild, was ich von Grün habe. Wir haben immer versucht, eine Idee und eine Vision für diese Stadt zu entwickeln, die alle mit ins Blickfeld nimmt. Dass es uns gelingt, Hamburg zur Stadt der Möglichkeiten, Hamburg zur Stadt für alle zu machen. Das ist der Anspruch, den wir haben!"
"Stadt der Möglichkeiten", "Stadt für alle". Das klingt gut, das klingt, als könnten auch SPD, CDU, FDP und Linke damit werben, die AfD vielleicht weniger. Aber immerhin hat der Wahlkampf gerade erst begonnen, es sind noch fünf Wochen Zeit für ein bisschen mehr politischen Krawall und ein bisschen mehr Unterscheidbarkeit.