Afrika
Die Hoffnung ist grün

Ein Gürtel aus Bäumen und Grünflächen soll sich bis 2030 durch Afrika ziehen. Ziel ist, die Folgen der Klimakrise zu bekämpfen. Doch das ehrgeizige Projekt stockt. Warum es trotzdem Anlass zur Hoffnung gibt.

17.07.2024
    Mega-Baumpflanzaktion: Setzlinge des Baobab, auch als Affenbrotbaum bekannt, für die „Große Grüne Mauer“, die sich quer durch den Kontinent ziehen soll
    Baumpflanzaktion: Setzlinge des Baobab, auch als Affenbrotbaum bekannt, für die „Große Grüne Mauer“, die sich quer durch den afrikanischen Kontinent ziehen soll. (Bettina Rühl)
    Die Länder Afrikas sind gerade einmal für vier Prozent der weltweiten CO2-Emmissionen verantwortlich, leiden aber besonders stark unter den Folgen der Klimakrise. Vor allem für die Menschen in der Sahelzone, am Südrand der Sahara, steht viel auf dem Spiel: Die Ausbreitung der Wüste und die schlechter werdenden Böden bedrohen ihre Existenz. Das vielleicht spektakulärste Ökologie-Projekt der Welt soll ihnen helfen.

    Was ist die Große Grüne Mauer?

    Es ist ein Umweltprojekt mit einer großen Vision: Ein breites grünes Band durchzieht Afrika, einmal quer durch den Kontinent, vom Senegal im Westen bis Dschibuti im Osten. Bereits seit 2007 arbeitet die Afrikanische Union an der sogenannten Großen Grünen Mauer. Bis 2030 soll sich den Plänen zufolge ein Grüngürtel durch den gesamten Sahel ziehen – und die Sahara davon abhalten, sich immer weiter gen Süden auszubreiten.

    Kampfansage an die Klimakrise

    Das ehrgeizige Vorhaben ist eine Kampfansage an den Vormarsch der Wüste und die Folgen der Klimakrise, an Dürren und Hungersnöte und gewaltsame Konflikte, die sich auch wegen der Wasser- und Bodenknappheit zuspitzen, an Flucht und Migration. Kurz: Es ist der Versuch, die Lebensgrundlagen für Millionen von Menschen zu sichern. 100 Millionen Hektar Land, eine Fläche so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen, sollen wieder fruchtbar gemacht, Jobs im ländlichen Raum geschaffen und obendrein Unmengen an CO2 gebunden werden.

    Wie stark leidet der Sahel unter der Klimakrise?

    Der Sahel liegt am Südrand der Sahara. Die größte Wüste der Welt wächst immer weiter: Laut einer Studie der amerikanischen National Science Foundation hat sie ihre Fläche allein in den vergangenen 100 Jahren um zehn Prozent vergrößert. Ihre Ausbreitung und die schlechter werdenden Böden sind existenzbedrohend für die mehr als 230 Millionen Menschen im Projektgebiet, die größtenteils von Ackerbau und Viehzucht leben.
    Obwohl sie kaum etwas zur Klimakrise beitragen - ganz Afrika produziert nur vier Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes - sind die Folgen dort besonders spürbar. Im Sahel steigen die Temperaturen anderthalbmal schneller als im globalen Durchschnitt. Wetterextreme nehmen zu, vernichten Ernten und lassen Vieh verenden. Dabei trifft es eine Region, die von politischen Krisen und Terrorismus gezeichnet ist, mit Ländern wie Sudan und Niger, die ohnehin zu den ärmsten der Welt zählen.

    Was wurde bisher vom Projekt umgesetzt?

    Die Grüne Mauer soll den Menschen im Sahel eine Perspektive geben. Die Initiatoren – ursprünglich einmal elf afrikanische Länder, inzwischen 22 – und ihre internationalen Partner sprechen selbstbewusst von einem „Weltwunder“. Unterstützt wird das Projekt von den Vereinten Nationen sowie von weiteren Geldgebern, etwa Entwicklungsagenturen und Hilfsorganisationen.

    Mosaik aus Grünflächen

    Allerdings hat der Name der Initiative mittlerweile eher Symbolcharakter. Denn um eine tatsächliche Mauer aus Bäumen, wie es ursprünglich angedacht war, geht es heute nicht mehr. Stattdessen sind viele kleine Umweltprojekte zur Wiederherstellung von Ökosystemen in der Region geplant. Statt eines Baumgürtels soll also ein Mosaik aus Grünflächen entstehen, die von der Bevölkerung nachhaltig genutzt werden können.

    Wie sinnvoll ist das Projekt?

    Das lässt sich momentan noch nicht abschließend beurteilen – denn bis zur Umsetzung des Projekts ist es noch ein weiter Weg. Weniger als ein Fünftel wurden bisher realisiert, trotz dem Einsatz hoher Summen. Nach Angaben der Vereinten Nationen flossen bisher mehr als 19 Milliarden US-Dollar von multi- und bilateralen Organisationen - doch erst rund 18 Millionen Hektar degradiertes Land sind wiederhergestellt, wie aus einem Umsetzungsbericht hervorgeht.
    Insgesamt schätzen die UN die Kosten auf bis zu 45 Milliarden US-Dollar. Trotzdem ist das Projekt einer Studie der Universität Bonn zufolge auch ökonomisch sinnvoll. Allerdings: nicht überall in der Sahelzone, weil die lokalen ökologischen Voraussetzungen sehr unterschiedlich sind. Die Analyse zeigt zudem, wie stark die bewaffneten Konflikte den Erfolg des Projekts gefährden: Die Hälfte der Regionen, in denen der Bau der Grünen Mauer sinnvoll wäre, sei „für solche Maßnahmen einfach zu unsicher“.

    Engagement und Erfolge auf lokaler Ebene

    Erfolge des Projekts werden vor allem auf der lokalen Ebene sichtbar – wo sich Menschen den enormen Herausforderungen stellen.
    Im Delta des Saloum-Flusses kämpft zum Beispiel die Soziologin Fatou Ndoye gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung gegen die Folgen der Klimakrise. Seit 2002 forstet sie zerstörte Mangrovenwälder wieder auf und schafft neue Einkommensquellen für jene, deren Lebensgrundlage bedroht ist.

    Die Küstenlinie verlagert sich landeinwärts

    Fatou Ndoye ist an der Küste des Senegal aufgewachsen, einem vom Klimawandel besonders betroffenen Gebiet. Stück für Stück verlagert sich die Küstenlinie des westafrikanischen Staates weiter landeinwärts. „Es bedrückt mich, wenn ich sehe, wie der Meeresspiegel steigt“, sagt sie, „wie viel Land verloren geht, wie viele Strände verschwinden.“
    In Loumbila, einem Ort gut 20 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Ouagadougou in Burkina Faso, träumt die Entwicklungswissenschaftlerin Blankine Sankara davon, dass die Menschen in ihrer Heimat unabhängig werden von Lebensmittelimporten.
    In dem Land führen Wetterextreme zu Ernteausfällen und Mangelernährung. Nach UN-Angaben sind bereits neun Millionen Hektar Boden degradiert. Einerseits wegen Übernutzung in Folge der stark wachsenden Bevölkerung. Andererseits treibt die Gewalt bewaffneter Milizen im Land viele Menschen in die Flucht, weshalb viele Felder brachliegen.

    Öko-Landwirtschaft in Burkina Faso

    Sankara setzt sich in Burkina Faso für Öko-Landwirtschaft ein. Auf den zwei Hektar Land, die sie vor zehn Jahren als Wüste kaufte, wachsen heute Mangobäume, Papaya-Stauden, Karotten und Spinat. Die Entwicklungswissenschaftlerin ist überzeugt: Die Böden in Burkina Faso wieder fruchtbar zu machen, wird eine Weile dauern, und es wird nicht einfach. „Aber ich glaube daran, dass wir es schaffen.“
    Auch Nigeria leidet unter Terror. Im bevölkerungsreichsten Land Afrikas treiben Armut und die Enttäuschung über die Regierung viele Bauern und Viehhalter in die Arme der Terrormiliz Boko Haram. Dazu kämen in Folge des Klimawandels Verteilungskonflikte, die schnell in religiöse Konflikte ausarteten, sagt der Priester Joseph Bature.

    Die Opfer der Klimakrise unterstützen

    Bature hat deswegen ein Programm zur psychischen und sozialen Unterstützung für die Opfer der Klimakrise und der Gewalt aufgebaut. Sein Ziel: verhindern, dass die vielen traumatischen Erlebnisse noch mehr Gewalt in der Gesellschaft schüren.
    Im Kampf gegen den Terror im Sahel gilt Nigerias Nachbarland Tschad als strategischer Partner des Westens. Dafür hält sich dieser mit Kritik an der Militärregierung zurück, die rund 20 Prozent des Haushalts in die Armee steckt, doch kaum etwas in das Gesundheitssystem und die Bildung - oder in die Vision der Großen Grünen Mauer.

    Aufforstung gegen den Sand

    Dabei habe das Projekt im Land durchaus Wirkung gezeigt, sagt Ali Mboudou. Der Gärtner arbeitet im Tschad als einer der letzten Angestellten für die „Weltwunder“-Initiative der Afrikanischen Union. Durch die Aufforstung habe man den Sand in den Griff bekommen, sagt Mboudou - und hofft darauf, dass die Regierung irgendwann wieder Geld für das Projekt bereitstellt.
    Im Osten des Sahel liegt Äthiopien. Die geplante grüne Trasse verläuft durch drei Regionen im Norden des Landes: Amhara, Tigray und Afar. Die dortige Bevölkerung lebt überwiegend von der Landwirtschaft. Doch auch hier bedrohen der Klimawandel und seine massiven Auswirkungen auf die Region die Lebensgrundlagen der Menschen.

    Überlebensstrategien für Nomaden

    „Die Lage ist verzweifelt“, sagt Valerie Browning – und jedes Jahr werde es schlimmer. Die 73-jährige Australierin kam vor mehr als drei Jahrzehnten nach Äthiopien. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie eine Hilfsorganisation gegründet und sucht mit den Nomaden im kargen Norden des Landes nach Überlebensstrategien. Doch Kriege im Land gefährden die bisherigen Erfolge.