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Grüne nach der Bayernwahl
Strategische Neuausrichtung?

Mit der Bayernwahl hat Bündnis 90/Die Grünen die liberale Mitte weiter erobert. Bundesvorsitzender Robert Habeck will diesen Weg weiter gehen - als klassische Volkspartei versteht sich die ehemalige Protestpartei aber nicht.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 17.10.2018
    Die Spitzenkandidaten der Grünen in Bayern, Katharina Schulze and Ludwig Hartmann, gemeinsam mit Parteichef Robert Habeck.
    Die Grünen wollen mehr sein als ein "Spürhund" gesellschaftlicher Stimmungen. Im Bild: Die Spitzenkandidaten der Grünen in Bayern, Katharina Schulze und Ludwig Hartmann mit Parteichef Robert Habeck. (Alexander Pohl/ NurPhoto / dpa)
    17,5 Prozent, das ist das beste Ergebnis, das die Grünen je erreicht haben bei einer bayerischen Landtagswahl – sogar FDP-Chef Christian Lindner räumt ein: "Wer in Bayern bestätigt worden ist, das sind die Grünen. Die Grünen sind die letzte Partei, die 'Full Flavour' Merkel-Politik macht."
    Trotzdem droht den Grünen wieder die Oppositionsbank. Das löst Frustration aus, gepaart allerdings mit einer anhaltenden Skepsis gegenüber der CSU: Zu groß sind die Gräben, etwa in der Asyl- und in der Verkehrspolitik:
    "Diese Art und Weise, wie die CSU auftritt, stößt, glaube ich, viele Menschen vor den Kopf. Die wenden sich vertrauensvoll den Grünen zu. Das ehrt uns, und das ist auch eine große Herausforderung, zeigt aber auch, dass es eine große, große Distanz zur CSU gibt", erklärte Bundesgeschäftsführer und Parteilinke Michael Kellner noch kurz vor der Landtagswahl.
    CSU will grüne Themen aufgreifen
    Umgekehrt klingt CSU-Chef Horst Seehofer plötzlich geradezu grün: "Unsere Großstadt-Kompetenz, das ist ein Problembereich für uns. Und wir müssen ein sehr starkes Profil entwickeln in der ganzen Themenpalette Umwelt-, Naturschutz- und Klima."
    Der Union und SPD dämmert es längst, dass die Grünen immer weiter in die politische Mitte vorrücken. Winfried Kretschmann hat in Baden-Württemberg einst den Weg dafür bereitet. Parteichef Robert Habeck will die liberale Mitte nun weiter erobern:
    "Wir sind als Protestpartei gestartet, dann kam die Phase der Projekt-Partei, also die rot-grüne Phase, wo wir uns um den Atomausstieg und die doppelte Staatsbürgerschaft gekümmert haben. Aber nur allein Spürhund zu sein, das reicht eben nicht mehr."
    Begriff der Volkspartei "ist veraltet"
    Spürhund gesellschaftlicher Stimmungen soll das heißen. Doch Habeck will mehr: Nämlich aktiv mitgestalten und regieren. Allerdings nicht als Volkspartei: Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, hält dieses Modell für überholt.
    "Wir sind ein Bündnis. Wir gehen zusammen mit Unternehmen, mit Kirchen, die vorangehen wollen mit echtem Klimaschutz. Wir sind ein Bündnis mit den Gewerkschaften, mit den Alleinerziehenden, wenn es darum geht, mehr Gerechtigkeit zu bekommen. Und das ist was Neues. Und da brauche ich nicht den Rückgriff auf ein Label, was veraltet und was 20. Jahrhundert ist."
    Zuversichtlich blicken die Grünen nun auf die kommenden Landtagswahlen in Hessen. Schwierig wird es allerdings 2019 bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.
    "Die ostdeutschen Wahlen sind nach der Europawahl die nächste Herausforderung", sagt Robert Habeck. "Ich glaube aber, dass, wenn man das Gespür aufnimmt für die gesellschaftliche Stimmung, dass man dann auch gehört werden kann."
    Noch aber gelten die Grünen im Osten als reine West-Partei, die sich zwar ums Klima sorgt, aber nicht um die Mitte der Gesellschaft.