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Grüne Oasen gegen den Alltagsfrust

Der Standard der Plattenbauwohnungen im sozialistischen Einheits-Grau ist häufig katastrophal, die wenigsten der Häuser aus den 60er- und 70er-Jahren sind renoviert. Die slowakische Hauptstadt Bratislava ist da bislang Vorreiter. Sie iniziierte das Projekt "Grüne Stadt", bei dem die Anlieger selbst zum Werkzeug greifen und verwilderte Plätze zwischen den Häuserriegeln zu grünen Oasen umbauen. Das Material stellt dabei ein Sponsor zur Verfügung, die Arbeit leisten Freiwillige. Kilian Kirchgeßner berichtet aus Bratislava.

    Ein kleiner, unscheinbarer Platz fünfzehn Straßenbahnminuten vom Bratislavaer Stadtzentrum entfernt. Zu beiden Seiten recken sich Plattenbau-Türme zehn Stockwerke hoch in den Himmel. Eine Motorsäge dröhnt in einer Häuserschlucht. An den grauen Fassaden bröckelt der Beton, auf den Balkonen flattert trocknende Wäsche im Wind. Karlova Ves ist eine typische Satellitenstadt mit gewaltigen Ausmaßen. Mehr als 30.000 Menschen leben hier in den Plattenbauten, hinzu kommen rund 15.000 Studenten, die während der Semester in Wohnheimen unterkommen. Die Arbeiten, die hier auf dem kleinen Platz stattfinden, sind ungewöhnlich in Karlova Ves: Bewohner mit Sägen, Schaufeln und Spaten haben sich auf dem kleinen Platz mitten in ihrem Viertel versammelt. Inmitten dieser kleinen Gruppe steht Eva Lucenicova vom Bratislavaer Bauamt. Sie koordiniert das Projekt "Grüne Stadt".

    " Unser Plan ist es, die Stadtteile von Bratislava zu renaturalisieren. Heute sind wir dabei, diesen eher unansehlichen Platz mit Leben zu erfüllen. Dafür haben sich diese Bürger hier stark gemacht, und jetzt auch bei der Umsetzung helfen."

    Dass die Menschen hier in den Plattenbau-Siedlungen, wovon es in Bratislava rund ein halbes Dutzend gibt, selbst die Initiative ergreifen, ist eher ungewöhnlich. Anonym und trostlos geht es normalerweise hier zu. Und es gibt Probleme: Drogenmissbrauch, Vandalismus zählen dazu. Eine Anwohnerin, die ebenfalls bei den Bauarbeiten mit anpackt, macht ihrem Ärger Luft.

    " Hier sind viele pubertierende Kinder unterwegs. Die machen alles kaputt, neulich erst den Spielplatz hier um die Ecke. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass das in all den anderen Siedlungen auch passiert und nicht nur hier bei uns."

    Die Aktion "Grüne Stadt" ist weit mehr als ein reines Verschönerungsprojekt. Neben der Begrünung nämlich geht es dabei vor allem auch um soziale Ziele. Der Hintergedanke: Wer selbst beim Pflanzen mit anpackt, wird auf die Bäume nachher gut aufpassen, statt sie zu beschädigen. Und ganz neben verliert das graue Viertel etwas von seiner Anonymität. Das zumindest ist die Hoffnung von Petra Barinekova, einer der Initiatorinnen.

    " Es entsteht eine Gemeinschaft. In solchen großen Siedlungen wie hier kennen viele nicht einmal ihre Nachbarn. Wir möchten die Leute dazu bringen, dass sie sich in ihrer Siedlung engagieren."

    Die Idee kommt an. In der ersten Phase des Projekts reichten Bratislavaer Bürger gleich stapelweise Vorschläge ein, welche Plätze und Straßenzüge eine Begrünung am dringendsten nötig hätten. Örtliche Zeitungen haben die Einsendungen dann abgedruckt und zur Abstimmung darüber aufgerufen. An drei Projekten wird zur Zeit gearbeitet. Das Material hat ein Sponsor zur Verfügung gestellt. Die Arbeiten werden von städtischen Mitarbeitern und den Bewohnern selbst verrichtet. Eva Lecenicova vom Bauamt ist über die große Resonanz begeistert.

    " In der ersten Phase allein gingen mehr als 100 Vorschläge bei uns ein. An der Abstimmung nahmen dann sogar mehr als 3.200 Leute teil. Ich denke, dass diese große Zahl schon alles sagt."

    Und es wird hart gearbeitet. Neben einem Beet schütten die freiwilligen Arbeiter ein Kiesbett auf. Andere karren Schubkarren weise Müll und Bauschutt von der Grünfläche auf die jetzt ein rundes Dutzend Bäume gepflanzt worden ist.

    Das hier wird ein Schutzgerüst für die jungen Bäume, damit sie nicht umknicken, sagt der Mann mit dem Hammer, der emsig die Holzlatten zusammenzimmert. Gleich neben ihm bewässern zwei kleine Mädchen mit ihren Spielzeug- Gießkannen schon einmal die frisch gesetzten Blumen. Ihre Mutter packt auch mit an.

    " Wir wohnen hier gleich um die Ecke. Als wir von der Aktion hier mitgekriegt haben, war für uns klar, dass wir rauskommen und helfen. Das da drüben ist unser Fenster. Wir schauen von dort aus direkt runter auf diesen Platz. Für uns ist die Arbeit hier deshalb so, als würden wir unseren eigenen Garten bestellen."