Kommentar zum Vorstand der Grünen
Ein Rücktritt, der Respekt verdient

Der Vorstand der Grünen macht den Weg frei, obwohl ihm keine konkreten Fehler anzulasten sind. Trotzdem übernimmt er Verantwortung - ein bemerkenswert und wohltuend altmodisches Konzept.

Ein Kommentar von Gudula Geuther |
Ricarda Lang und Omid Nouripour haben die Grünen geführt und sind jetzt zurückgetreten. Hier starten sie den Wahlkampf zur Europawahl 2024.
Ricarda Lang und Omid Nouripour: Unter ihrer Führung fuhren die Grünen zuletzt sehr schlechte Wahlergebnisse ein. (picture alliance / photothek.de / Kira Hofmann)
Der Rücktritt von Ricarda Lang und Omid Nouripour kam völlig überraschend, zum Teil auch für Führungsleute bei den Grünen. Überraschend ist er auch deshalb, weil die beiden innerhalb der Partei anerkannt sind und waren. Sie standen im Schatten ihrer Vorgänger, der Regierungsmitglieder Annalena Baerbock und – vor allem – Robert Habeck. Aber das war von Anfang an so gewollt.

Scharnier zwischen Partei und Regierung

Sie sollten in beide Richtungen Scharnier sein zwischen Partei und Regierungsmitgliedern. Und diese Aufgabe haben sie schon deshalb sehr gut gemeistert, weil es ihnen anders als manchen Vorgängern und zusammen mit der Fraktionsspitze gelungen ist, Auseinandersetzungen zwischen ihren beiden Flügeln klein zu halten, möglichst im Vorfeld abzuräumen. Das Ergebnis waren dann nicht selten Formelkompromisse – nur ein Problem in der Kommunikation der Partei, die immer weniger ankam.
Weil ihre Kommunikation gar nicht ankam, waren personelle Konsequenzen für die politische Geschäftsführerin Emily Büning erwartet worden. Dass es stattdessen der gesamte Vorstand ist, der den Hut nimmt, auch die beiden Vorsitzenden, verdient gerade deshalb Respekt, weil es keine ganz konkreten Fehler sind, für die sie die Verantwortung übernehmen. Ein bemerkenswert und wohltuend altmodisches Konzept.

Die Fehler von Robert Habeck

Konkrete Fehler, die Robert Habeck gemacht hat, hängen ihm und der Partei immer noch nach, allen voran sein anfänglicher Umgang mit dem sogenannten Heizungsgesetz. Ironie der Geschichte: Ob er nun auf diese Entwicklung gedrängt hat oder nicht – sie könnte dazu führen, dass seine Führungsrolle in der Partei umso deutlicher zementiert wird. Ohnehin ist klar, dass er den Ton angibt und als Kandidat – sei es Spitzen- oder Kanzlerkandidat – im Bundestagswahlkampf das Gesicht der Partei sein wird. In einer bemerkenswert mehrdeutigen Formulierung nannte er den Schritt der scheidenden Vorsitzenden einen „großen Dienst an der Partei“. Auch er trage Verantwortung und wolle sich ihr stellen.

Linker Flügel und Realo-Pragmatismus

Tatsächlich meint er damit wohl, dass er für das Amt des Kandidaten nach offener Debatte in geheimer Wahl antreten will. Eine so gekürte Führungsfigur hätte dann die Beinfreiheit, die Habeck ohnehin von seiner Partei verlangt. Vor allem deren linker Flügel hadert mit vielen seiner Entscheidungen, mit seinem Realo-Pragmatismus und mit seinem Fremdeln gegenüber den oft umständlichen Entscheidungswegen einer mindestens traditionell basisdemokratischen Partei.
Der Parteitag im November wird zeigen, ob ihm dafür nun auch neue Vorsitzende zur Seite gestellt werden, die ihm eine starke Führungsrolle zugestehen. Für ein klareres Auftreten der Partei wäre das vermutlich hilfreich. Für Teile vor allem der Linken wären die Bündnisgrünen dann vermutlich nicht mehr ihre Partei.

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