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Grüne und Polizei in Sachsen-Anhalt
Von "Bullen“ redet schon lange keiner mehr

In den 1980-er Jahren sahen viele Grüne die Polizei als Feind. Heute wollen die Grünen im Magdeburger Landtag Partner der Sicherheitsbehörden sein. Die Polizeigewerkschaft sieht die Umarmungsgesten skeptisch. Sie fordert konkrete Wege, um Lagen bewältigen zu können.

Von Christoph Richter |
Die Nummer und das Emblem einer Einsatzbeamtin der Polizei Sachsen-Anhalt
Die umstrittene Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten mit Nummern wurde in Sachen-Anhalt auf Druck der Grünen eingeführt (dpa/Sebastian Willnow)
"Die Grünen und die Studenten, das waren Synonyme für ein Feindbild. Auch die Castor-Transporte , der zivile Ungehorsam, die Sitzblockaden. Da war viel Emotion dahinter…"
Und Rafael Behr kann sich heute noch gut an die teilweise sehr gewaltsamen Proteste von früher erinnern. Denn zwischen 1975 und 1990 war er Polizeibeamter in Frankfurt. Und er war dabei, als Anfang der 1980-er Jahre Anhänger der Öko-Bewegung - mitten drin die Grünen - gegen die Startbahn West mobil machten.
Die Wucht der Proteste habe er am eigenen Leib miterlebt, sagt Behr noch.
"Ich glaub´ sogar Joschka Fischer hat mal gesagt, jeder Mensch hat das Recht auf Veränderung. Und so haben auch Parteien das Recht auf Weiterentwicklung. Und in dem Maß ist es den Grünen gelungen, positiven Kontakt zur Polizei zu finden. Nachdem – wenn ich es so sagen darf – die großen Schlachten geschlagen waren."
Von "zivilem Ungehorsam" zum "Partner der Sicherheitsbehörden"
Jetzt ist Rafael Behr kein Polizeibeamter mehr, sondern lehrt an der Hamburger Akademie der Polizei Soziologe und Kriminologie.
Von "Bullen" rede hier schon lange keiner mehr, heißt es bei den Grünen. Ganz im Gegenteil, man verstehe sich als "Partner der Sicherheitsbehörden". Und so seien es beispielsweise die Grünen gewesen, die sich in Sachsen-Anhalt im Koalitionsvertrag für deutlich mehr Polizisten eingesetzt hätten, nachdem die Vorgängerregierung von CDU und SPD die Polizei kaputtgespart habe, wie Cornelia Lüddemann sagt. Sie ist Fraktionschefin der Grünen im Magdeburger Landtag und mit fünf Abgeordneten der Juniorpartner in der schwarz-rot-grünen Kenia-Koalition.
"Es geht darum, dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis der Menschen nachzukommen und tatsächliche Sicherheit zu gewährleisten. Und das geht nur, wenn wir genügend Polizei haben. Deswegen haben wir da drauf gedrungen, mehr Polizei einzustellen."
Wunschbild Polizei: bürgernah, grundrechtsschonend
Doch es gehe nicht nur um mehr Polizeibeamte, sondern auch um ein neues Selbstbild der Polizei, ergänzt Lüddemann noch. Man wolle keinen martialisch aufgerüsteten Polizeiapparat, sondern bürgernahe und grundrechtsschonende Polizei-Beamte. Darüber wolle man mit den Polizisten im Land ins Gespräch kommen. Es gehe um einen Dialog, um ein besseres Verhältnis mit der Polizei überhaupt, so Lüddemann weiter. Einer der Gründe, warum Sachsen-Anhalts Grüne kürzlich ihren ersten Polizeikongress veranstaltet haben. Tenor: Auf dem Weg zu einer modernen Polizei für die offene Gesellschaft.
Gekommen waren neben Vertretern von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Wissenschaftlern, auch Polizeischüler, die aber nicht öffentlich sprechen wollten. Anders die Gewerkschaft der Polizei, dort sieht man die Umarmungsgeste der Grünen in Richtung Polizei skeptisch.
"Wir erwarten von den Grünen, dass sie das Thema Polizei nicht nur als PR einsetzen, sondern dass sie mit der Polizei zusammen Wege finden will, wie wir bestimmte Probleme und Lagen bewältigen können."
Skepsis gegenüber Umarmungsgesten der Grünen
Doch noch glaube man nicht so ganz da dran, schiebt Kriminalhauptkommissar Uwe Bachmann später hinterher, als das Aufnahmegerät schon aus ist. Bachmann ist der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei - kurz GdP - in Sachsen-Anhalt. Mit knapp 5.000 Mitgliedern ist sie die größte Berufsvertretung von Polizeibeschäftigten im Land.
Insbesondere der Vorschlag der Grünen, einen unabhängigen Polizeibeauftragten zu schaffen, um Missstände in der Polizei öffentlich zu machen, stößt bei Uwe Bachmann von der GdP auf Ablehnung.
"Denn wir haben eine sehr gut funktionierende Beschwerdestelle, die im letzten Jahr rund 1.000 Beschwerden aufgenommen hat, wovon tatsächlich nur ein Bruchteil realistische Beschwerden waren, die wir ernsthaft betrachten mussten. Von daher ist so ein zentraler Beschwerdebeauftragter, der von außerhalb agiert, nicht notwendig."
Polizeibeamte lehnen Kennzeichnungspflicht ab
Erst kürzlich haben Sachsen-Anhalts Grüne vehement für die Kennzeichnungspflicht von Polizisten gestritten. Die CDU war zunächst dagegen, am Ende wurde es auf Druck der Grünen eingeführt. Bei den Polizeibeamten im Land kam das aber nicht gut an, sie lehnen die Kennzeichnungspflicht weiter ab.
Deutlich wird an der Stelle: Das Verhältnis zwischen Polizei und den Grünen ist immer noch nicht zum Besten bestellt. Das man jetzt aber gar ein Ansprechpartner für die Beamten sein wolle, bezeichnet Polizeiexperte Rafael Behr als, "Pazifizierungs-Strategie der Grünen". Weil sie so ihre Vergangenheit eines höchst misstrauischen Verhältnisses zur Polizei hinter sich lassen wollen.
"Insofern schau ich ohne Häme auf diesen Prozess. Und glaube auch, dass alle die sich bei den Grünen konstruktiv mit Polizei einsetzen wollen, tatsächlich authentisch sind. Und es ernst meinen."
Der Weg in Richtung Volkspartei, in dem sich die Grünen nicht mehr als Ein-Themen-Partei mit dem Fixpunkt Ökologie inszenieren – ergänzt Polizeiexperte Rafael Behr - gehe am Ende nur über ein vertrauensvolles Miteinander von Grünen und Polizei.
"Das kann ein Modell sein, mit denen sich die Grünen durchaus profilieren können."
Die AfD mischt auf
Anders die AfD. Dort sieht man – salopp formuliert – in der Strategie der Grünen den Untergang des Abendlandes. So jedenfalls hat es vergangene Woche der AfD-Fraktionsvorsitzende Oliver Kirchner während einer Landtagssitzung formuliert. Als er das Szenario aufzeichnete, was passieren würde, wenn die Grünen irgendwann einmal den Innenminister stellen.
"Wenn das hier passiert in diesem Land, dann haben wir keine innere Sicherheit mehr. Dann haben wir Chaos und rechtsfreie Räume auf den Straßen. Das wünscht sich in diesem Land kein Mensch."
Und weil uniformierte Polizeischüler den Grünen Polizeikongress besucht haben, will die AfD nun auch rechtlich prüfen lassen, ob CDU-Innenminister Holger Stahlknecht gar gegen das Neutralitätsgebot verstoßen habe.