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Grünen-Abgeordneter Mutlu
Die Armenier, Herero und der Völkermord

Der Grünen-Politiker Özcan Mutlu wehrt sich gegen Vorwürfe, er unterstütze die Kritik der Türkei an Deutschland nach der Armenier-Resolution des Bundestages. Mutlu hatte an der Abstimmung nicht teilgenommen und eine Veranstaltung zum Thema deutscher Völkermord an den Herero in Afrika organisiert. Nun präzisiert er seine Position zum Genozid an den Armeniern.

Von Kemal Hür |
    Özcan Mutlu (Grüne), Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Sportausschusses spricht im Bundestag
    Özcan Mutlu (Grüne), Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Sportausschusses (dpa/picture alliance/Lukas Schulze)
    Als der Bundestag Anfang Juni über die Armenier-Resolution debattierte, saß Özcan Mutlu in den Reihen der Grünen-Fraktion und hörte sich die Reden an. Er ist einer von elf Abgeordneten im Bundestag, die aus der Türkei stammen. Einige von ihnen waren nicht anwesend. Özcan Mutlu verließ den Plenarsaal nur zehn Minuten vor der Abstimmung. Doch er kommunizierte das nicht öffentlich. Auch nicht dann, als er im Fernsehen über die Drohungen sprach, die er und die anderen türkeistämmigen Parlamentarier bekamen. Erst als der Deutschlandfunk darüber berichtete, bestätigte er das. Gestern Abend organisierte Mutlu eine Podiumsdiskussion zum Thema Völkermord an den Herero und Nama in der früheren deutschen Kolonie Südwestafrika, dem heutigen Namibia.
    "Ich hab das wiederaufgenommen, weil kurz nach dem Beschluss, der Resolution im Bundestag zum Völkermord an den Armeniern, wo Deutschland sich endlich bekannt hat, auch an der Mitverantwortung, dass das ein guter Zeitpunkt ist, auch dieses Thema zu diskutieren."
    Nach der Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern hatten Türken in Deutschland dem Bundestag Türkeifeindlichkeit vorgeworfen. Deutschland solle sich lieber mit der eigenen Geschichte befassen und den Genozid an den Herero anerkennen, lautete der Vorwurf. Özcan Mutlu widerspricht dem Verdacht, dass seine Veranstaltung in irgendeinem Zusammenhang mit dieser türkischen Kritik stehen könnte. Denn er hatte nach der Abstimmung eine private Kurznachricht an seine türkischen Bekannten verschickt, in der er erklärte, er habe den Plenarsaal bewusst verlassen, um nicht mit Ja stimmen zu müssen. Nun präzisiert er aber seine Position zum Genozid an den Armeniern.
    "Der Völkermord an den Armeniern, da gibt es keine Zweifel. Meine Position dazu steht auch: Es gab einen Völkermord. Und es war richtig, dass Deutschland sich bekennt. Zweitens: Es gibt Null Zusammenhang, weil ich das Thema Völkermord an den Nama und Herero nicht zum ersten Mal diskutiere. Wir haben hier im Bezirk mehrfach solche Diskussionen geführt. Das ist im übrigen die dritte. "
    Grüne wollen Anerkennung als Völkermord
    Mutlu hat seinen Wahlkreis im Bezirk Mitte. Hier gibt es ein sogenanntes Afrikanisches Viertel. Ganze Straßenzüge tragen Namen afrikanischer Länder. Drei Straßen sind aber auch nach deutschen Kolonialherren benannt. Seit langen Jahren gibt es immer wieder Forderungen nach einer Umbenennung. Im Bundestag gab es mehrere Versuche, den Völkermord an den Herero und Nama anzuerkennen. Die Grünen-Fraktion brachte zuletzt vor einem Jahr einen Antrag ein. Federführend ist der menschenrechtspolitische Sprecher Tom Koenigs. Über die Forderungen bestehe in den Fraktionen und mit der namibischen Botschaft weitgehende Einigkeit.

    "Wo es im Augenblick hakt, kann ich nicht sagen. Ich finde die Forderungen, und das war in allen Reden auch so ausgedrückt worden, dass man zunächst den Völkermord anerkennt, dann sich seitens des Parlaments und der Regierung entschuldigt für den Völkermord, dann Institutionen schafft, die die Erinnerung wachhalten und auch in die Geschichtsbücher und in die Lehre eingehen lässt. Das ist der wesentliche Punkt."
    Eine Gedenktafel auf dem deutschen Friedhof am Waterberg (Namibia) mit der Aufschrift "Dem Andenken der in der Schlacht am Waterberg gefallenen Hererokrieger".
    Eine Gedenktafel auf dem deutschen Friedhof am Waterberg (Namibia) für die Herero-Krieger (picture alliance/dpa/Jörg Schmitt)
    Während der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia wurden in den Jahren 1904 bis 1908 tausende Herero, Nama und Mitglieder anderer Volksstämme getötet. Das sei der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts noch vor dem Armenier-Genozid, sagt Tom Koenigs. Er rechnet mit einer Anerkennung durch den Bundestag noch in der laufenden Legislaturperiode.