Die Silvesternacht habe sie mit den Freiheitskämpfern vom Maidan verbracht, sie wüssten, warum sie Europa in seiner ganzen Unperfektheit wollten - für Worte wie diese erntet Rebecca Harms viel Applaus in ihrer Bewerbungsrede. Und es sind Erfahrungen wie diese, mit denen sie sich ihren Spitzenplatz für die Europawahl sichern konnte. Sie sei eine der wenigen Nicht-Ukrainerinnen, die das Land verstünden, betont auch der ukrainische Schriftsteller und Regimegegner Juri Andruchowytsch, der in Dresden für Unterstützung aus Europa wirbt:
"Leiden Sie mit uns mit! Denken Sie an uns. Wir werden trotzdem gewinnen – trotz aller Ausschreitungen!"
Nach der Schlappe bei den Vorwahlen der Grünen, hat sich die erfahrene Europa-Politikerin Harms klar gegen ihre jüngere Konkurrentin durchgesetzt, die nun auf Platz 3 kandidiert. Damit ist das Kampfduell Alt gegen Jung, oder wie es bei den Grünen heißt: Erfahrung gegen Erneuerung entschieden.
"Mir ist sehr bewusst, dass ich jetzt wirklich schon weit über 30 bin. Aber ich bin immer noch die Gorleben-Aktivistin und ich will immer noch die Welt verändern und ich will das mit euch in Europa."
Die männlichen Kandidaten wollten nicht gegeneinander antreten. Sie haben sich schon vorab geeinigt, wer sich für den zweiten und den vierten Listenplatz bewerben wird. Und so kandidiert der Europa-Abgeordnete Sven Giegold auf der zwei - der ehemalige Parteichef Reinhard Bütikofer rutscht auf Platz vier. Alt-Jung, Links-Rechts, Mann-Frau: Damit gehen die Grünen mit einem wohl austarierten Spitzen-Quartett in die Wahl.
Hoffen auf die Europawahl
Auf das Wahlprogramm konnte sich die sonst so streitlustige Partei relativ schnell einigen. Mehr statt weniger Europa, das ist die Botschaft aus Dresden. Dabei will die Partei wieder ganz zu grünen Kernthemen zurückkehren, Fraktionschef Anton Hofreiter:
"Ökologie ist ein ganz entscheidender Bereich, wo wir herkommen. Ökologie gehört ganz entscheidend zu unseren Wurzeln. Es muss uns allen bewusst sein, ohne intakte Umwelt, ohne einen intakten Planeten ist alles andere doch ziemlich wenig."
Uneinig ist sich die Partei einzig in der Frage, wie sie sich gegenüber dem Freihandelsabkommen der EU mit den USA positionieren sollte. Nach längeren Debatten ist klar: Die Gespräche sollen erst mal ausgesetzt werden, um die Rahmenbedingungen - wie mehr Transparenz und Verbraucherschutz - neu zu verhandeln.
Die Inhalte sind von den Personaldebatten weitestgehend überlagert worden , dabei sollte von dem Parteitag doch vor allem ein Signal des Aufbruchs ausgehen. Nach der vermasselten Bundestagswahl, bei der sie nur 8,4 Prozent der Stimmen holten, soll das Ergebnis der Europawahl im Mai auf jeden Fall zweistellig sein.