Dirk Müller: Nichts ist so schnell in Deutschland gegangen wie die Energiewende, könnte man zumindest meinen – Japan und Fukushima sei Dank -, wenn man dies so sehen will, dass der Ausstieg aus der Kernkraft sinnvoll ist, vor allem in diesem Zeitkorridor, eben bis 2022: Umstellung auf die Erneuerbaren, Umstellung auf die Regenerativen. Aber geht das alles zu schnell, die politischen Beschlüsse, denn die organisatorischen, die finanziellen, die logistischen Schwierigkeiten sind immens und wie teuer wird das Ganze? – Die Bundesregierung hat nun ihren Zwischenbericht vorgelegt.
Wie weit ist der ökologische Energieumbau gekommen? Darüber sprechen wollen wir nun mit Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Guten Tag!
Hans-Josef Fell: Guten Tag, Herr Müller.
Müller: Herr Fell, hätten Sie sich als Grüner mehr Zeit gelassen?
Fell: Nein, nicht mehr Zeit, aber viel bessere Konzepte und viel bessere Programme. Die Expertenkommission zur Überwachung der Energiewende hat der Bundesregierung ja ein äußerst schlechtes Zeugnis ausgestellt und ich denke, diese Expertenkommission hat das auch richtig beleuchtet.
Müller: Zeitzeugnis oder Zeugnis?
Fell: Ein sehr schlechtes Zeugnis haben sie ausgestellt, dass die Energiewende eben nicht in dem Maße vorankommt, wie es eigentlich sein müsste, dass die Maßnahmen fehlen und dass vor allem die Erfolge ausbleiben.
Müller: Ich möchte Sie das trotzdem noch mal fragen, Herr Fell. Warum muss das sein bis 2022? Warum hat man nicht ein bisschen mehr Zeit im Konzept, damit man das vernünftig, solide machen kann?
Fell: Man kann es doch sehr solide machen und der Ausbau der erneuerbaren Energien, den wir unter Rot-Grün auf den Weg gebracht haben, zeigt ja auf, dass die Bevölkerung sehr wohl willens ist, bereit ist und viel Geld in die Hand nimmt, um diesen Ausbau auch zu beschleunigen. Das ist die treibende Kraft. Aber es braucht die begleitenden Maßnahmen von der Bundesregierung, mit der Netzintegration, mit Speicherprogrammen und mit vielen anderen Möglichkeiten, und da ist große Fehlanzeige.
Müller: Welcher Fehler ist gemacht worden?
Fell: Nun, wir haben eben nicht die Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass bei der Energiewende tatsächlich auch der Strom optimal ausgeglichen wird. Wir brauchen viel mehr Flexibilisierungsoptionen zum Ausgleich der Angebotsschwankungen von Sonne und Wind. Da könnte beispielsweise das Biogas sehr gut helfen, auch die Wasserkraft könnte man in die Ausgleichsenergie bringen. Aber da finden wir immer noch auch die erneuerbaren Energien, die speicherfähig sind, in der Grundlast, und Grundlast ist ja nicht gewollt, hat ja auch gar keinen Sinn, denn wir brauchen schnell zuschaltbare Kraftwerke.
Müller: Dann werden die falschen Energien gefördert?
Fell: Ja natürlich! Die Bundesregierung setzt hier weiterhin auf die Kohle, die eigentlich nur die Grundlast bereitstellen kann, aber nicht schnell zuschaltbar ist. Wenn ich sehe, dass in der letzten Woche das Kabinett wieder eine Unterstützung beschlossen hat zur Subventionierung der großen Stromabnehmer für die Braunkohle, für den Braunkohlestrom, dann sehe ich da wieder die Fehlleistungen. Es wird immer noch auf das Alte gesetzt, statt das neue richtig zu prüfen.
Müller: Aber die Kohlekraftwerke laufen ja noch. Auch dort gibt es Arbeitsplätze, auch dort gibt es Wirtschaftlichkeit. Und sie sind, wenn wir das richtig hier verstanden haben, zumindest ja auch ein Teil einer gewissen Preisstabilität, was wir bei den anderen Energiequellen bislang jedenfalls nicht haben. Warum dann so schnell raus aus der Kohle?
Fell: Ich kann Ihre Aussage nicht verstehen, dass sie zur Preisstabilität beiträgt. Wir haben immer größere Schäden in unserer Gesellschaft, die durch die Erderwärmung verursacht werden. Diese müssen Steuerzahler und viele andere zahlen, die eben diese Schäden erleiden. Wir haben immer größere Steigerungen auch bei den Kohlepreisen. Es ist eine Abhängigkeit einfach von diesen Ressourcen. Beim Erdöl, beim Erdgas ist das noch viel, viel stärker und viel schlimmer. Ich kann auch diese Energiepreisdebatte nicht richtig verstehen, die wir in unserer Gesellschaft führen. Europa hat ein Außenhandelsdefizit von 120 Milliarden Euro, was hauptsächlich verursacht ist durch 400 Milliarden Euro Kosten durch den Import fossiler Rohstoffe. Da liegen die Probleme, die unsere Wirtschaft und unsere Ökonomien destabilisieren. Wir brauchen den schnellen Umstieg auf die brennstoffkostenfreien erneuerbaren Energien und auf stärkere Energieeffizienz. Damit kommen wir aus den Problemen heraus.
Müller: Trotzdem hatten wir die Preisspirale in der Form ja vor Fukushima, vor dem Beschluss zum schnellen Ausstieg nicht. Wie passt das dann zusammen?
Fell: Ja die Preisspirale ist doch ein hausgemachter Fehler von der schwarz-gelben Bundesregierung. Immer neue Umlagenbefreiungen, ein nicht Einpreisen der kostensenkenden Wirkung der erneuerbaren Energien an der Börse, was kurioserweise sogar zur Erhöhung der EEG-Umlage führt, das sind alles Fehler, die nicht korrigiert werden. Wir haben die kuriose Situation, dass vor allem im westlichen Ausland von Deutschland in Europa sehr viel deutscher Strom gekauft wird, weil er eben durch Sonnen- und Windstrom sehr billig geworden ist, aber bei uns erhöhen die Energieversorger die Energiepreise für die Verbraucher. Das passt doch alles nicht zusammen, wir müssen hier umstellen.
Müller: Wir sprechen mit Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, hier im Deutschlandfunk. – Bleiben wir noch einmal bei Ihrer Kritik an der Kohleförderung respektive an der Rekurrierung der Kohlekraft nach wie vor. Sie sagen, wir müssen da so schnell wie möglich raus. Können wir uns das denn energiepolitisch, das heißt energetisch leisten, jetzt dort auch ganz schnell rauszugehen?
Fell: Ja wenn wir uns doch mal anschauen, wie der Ausbau erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung vorangeht – es sind die Genossenschaften, es sind die Betreibergemeinschaften, es sind Stadtwerke, die richtig investieren. Der Anstieg Erneuerbarer ist in den letzten zwei Jahren von 17 auf 23 Prozent ja fast explodiert und die Menschen wollen da weitermachen. Wir haben mit dieser Ausbaugeschwindigkeit 50 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2020 weit über dem Ziel, was die Bundesregierung anstrebt. Da müssen wir auch daran denken, dass wir eben die Bestandskohlekraftwerke Stück für Stück abschalten, sie eben dann auch ersetzen durch die erneuerbaren Energien. Aber genau dazu braucht es die Rahmenbedingungen, die die Infrastruktur bringen und die Ausgleichsenergie aus erneuerbaren Energien eben auch organisiert, und hier ist Fehlanzeige bei der Bundesregierung.
Müller: Wenn das bis 2020 klappt, wie Sie sagen, also 50 Prozent aus den erneuerbaren, ein Ziel, was viel, viel höher liegt als das, was die Bundesregierung formuliert hat, woher kommt dann 2020, auch 22 der Rest?
Fell: Nun, der Rest wird natürlich aus den Fossilen teilweise noch kommen müssen. Aber die müssen wir Zug um Zug abschalten und nicht, wie die Bundesregierung plant, sogar noch neue Kohlekraftwerke unterstützen im Ausbau. Es macht auch relativ wenig Sinn, neue Kohlekraftwerke zu ertüchtigen, denn wir haben genügend Luft, mit erneuerbaren Energien bis 2030 eine Vollversorgung von 100 Prozent erneuerbaren Energien zu organisieren. Wenn wir wirklich Klimaschutz machen wollen, dann müssen wir das doch auch tun. Alles andere ist doch eine Zementierung der CO2-Emissionen, die viel zu hoch sind, wenn wir die Erderwärmung auch anschauen.
Müller: Um das noch einmal festzuhalten. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, heißt das: keinerlei Investitionen, keinen Cent mehr für Kohle?
Fell: Nein! Wir haben heute immer noch die Kohlesubventionen als größten Subventionsposten in unserem Subventionsbericht stehen. Wir haben auch weiterhin immer neue Subventionen für die Kohle, die die Bundesregierung auf den Weg bringt. Das ist doch genau der verkehrte Weg. Wir brauchen eine Umänderung hin zur vollständigen Unterstützung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz. Das ist der richtige Weg.
Müller: Es sind doch, Herr Fell, in den vergangenen Jahren auch Milliarden in die Verbesserung der Kohletechnologie und Förderung investiert worden, sodass die Kraftwerke wesentlich effizienter und sauberer produzieren als noch zuvor. Das macht jetzt die nächsten zehn Jahre keinen Sinn mehr?
Fell: Nein, denn um einfach nur mal das richtig zu betrachten: Ein neues effizientes Kohlekraftwerk bläst in vier Tagen die Emissionen in die Luft, die ein altes ineffizientes in drei Tagen in die Luft geblasen hat. Was ist daran Klimaschutz? Wir müssen uns einfach vor Augen führen, dass wir raus müssen aus den fossilen Energieträgern. Sie belasten uns mit immer stärkeren Importkosten, sie belasten uns, wie ich schon mehrfach jetzt sagte, in der Erderwärmung, und die erneuerbaren Energien stehen bereit. Aber hier haben wir ja eine Entwicklung, die genau umgekehrt ist. Statt die Arbeitsplätze in den Erneuerbaren weiter aufzubauen, gehen bei uns die Solarunternehmen in Insolvenz, immer mehr Entlassungen sind da, vor wenigen Wochen hat der Weltmarktführer in der Wechselrichtertechnologie der Fotovoltaik 1200 Arbeitsplätze freigesetzt, heute sehe ich in meiner Heimatzeitung in Schweinfurt, wegen Absatzschwierigkeiten für Kugellager für die Windkraftanlagen müssen in der Kugellagerindustrie Schweinfurts 500 Arbeitsplätze gestrichen werden. Das passt doch nicht zusammen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, wir brauchen die starke Industrie, dann bekommen wir auch Arbeitsplätze dort, und zwar weitere, statt den Rückgang, wie ihn diese Bundesregierung organisiert.
Müller: Höhere Kosten gefährden Arbeitsplätze, hören wir immer wieder. Wie teuer werden die Stromtrassen, die Hochspannungsnetze?
Fell: Also schauen wir uns das noch mal richtig an. Die höheren Preise sind durch Erdöl-Preissteigerungen, Erdgas-Preissteigerungen, Kohlepreissteigerungen gekommen und sie belasten unsere Wirtschaft in einem höchsten Maße. Wir müssen einfach sehen, dass die Eurokrise, die Staatsverschuldung auch damit zusammenhängt. Und wenn wir raus kommen wollen aus diesen krisenhaften Entwicklungen, ökonomisch, dann müssen wir umstellen auf erneuerbare Energien. Dort sinken die Preise. Die Erneuerbaren sinken immer weiter. Die Netze, die dazu notwendig sind, sind in einer Größenordnung, die weit unter dem in den Investitionsgrößenordnungen liegen, was wir beispielsweise für Telekom-Netze ausgeben in unserer Gesellschaft. Wenn wir das nicht mehr schultern können und wollen, dann weiß ich auch nicht, wie wir da noch irgendwie vernünftige Energiepolitik betreiben wollen.
Müller: Die Zahl, Herr Fell, zugegeben, habe ich jetzt nicht parat. Nennen Sie uns bitte eine Zahl.
Fell: Also es wird hier in der Größenordnung von einigen Milliarden Euro gesprochen, die wir für die Netze, die Hochspannungsnetze brauchen. In der Telekom-Branche brauchen wir auch einige Milliarden Euro, um die DSL-Netze und Weiteres auszubauen. Das wird einfach unwidersprochen hingenommen. Da wird gesagt, das sind notwendige Investitionen, und ich verstehe nicht, warum das bei dem Stromsektor dann als Belastung bezeichnet wird und bei anderen Sektoren dann immer als notwendige Investitionen.
Müller: Bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wie weit ist der ökologische Energieumbau gekommen? Darüber sprechen wollen wir nun mit Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Guten Tag!
Hans-Josef Fell: Guten Tag, Herr Müller.
Müller: Herr Fell, hätten Sie sich als Grüner mehr Zeit gelassen?
Fell: Nein, nicht mehr Zeit, aber viel bessere Konzepte und viel bessere Programme. Die Expertenkommission zur Überwachung der Energiewende hat der Bundesregierung ja ein äußerst schlechtes Zeugnis ausgestellt und ich denke, diese Expertenkommission hat das auch richtig beleuchtet.
Müller: Zeitzeugnis oder Zeugnis?
Fell: Ein sehr schlechtes Zeugnis haben sie ausgestellt, dass die Energiewende eben nicht in dem Maße vorankommt, wie es eigentlich sein müsste, dass die Maßnahmen fehlen und dass vor allem die Erfolge ausbleiben.
Müller: Ich möchte Sie das trotzdem noch mal fragen, Herr Fell. Warum muss das sein bis 2022? Warum hat man nicht ein bisschen mehr Zeit im Konzept, damit man das vernünftig, solide machen kann?
Fell: Man kann es doch sehr solide machen und der Ausbau der erneuerbaren Energien, den wir unter Rot-Grün auf den Weg gebracht haben, zeigt ja auf, dass die Bevölkerung sehr wohl willens ist, bereit ist und viel Geld in die Hand nimmt, um diesen Ausbau auch zu beschleunigen. Das ist die treibende Kraft. Aber es braucht die begleitenden Maßnahmen von der Bundesregierung, mit der Netzintegration, mit Speicherprogrammen und mit vielen anderen Möglichkeiten, und da ist große Fehlanzeige.
Müller: Welcher Fehler ist gemacht worden?
Fell: Nun, wir haben eben nicht die Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass bei der Energiewende tatsächlich auch der Strom optimal ausgeglichen wird. Wir brauchen viel mehr Flexibilisierungsoptionen zum Ausgleich der Angebotsschwankungen von Sonne und Wind. Da könnte beispielsweise das Biogas sehr gut helfen, auch die Wasserkraft könnte man in die Ausgleichsenergie bringen. Aber da finden wir immer noch auch die erneuerbaren Energien, die speicherfähig sind, in der Grundlast, und Grundlast ist ja nicht gewollt, hat ja auch gar keinen Sinn, denn wir brauchen schnell zuschaltbare Kraftwerke.
Müller: Dann werden die falschen Energien gefördert?
Fell: Ja natürlich! Die Bundesregierung setzt hier weiterhin auf die Kohle, die eigentlich nur die Grundlast bereitstellen kann, aber nicht schnell zuschaltbar ist. Wenn ich sehe, dass in der letzten Woche das Kabinett wieder eine Unterstützung beschlossen hat zur Subventionierung der großen Stromabnehmer für die Braunkohle, für den Braunkohlestrom, dann sehe ich da wieder die Fehlleistungen. Es wird immer noch auf das Alte gesetzt, statt das neue richtig zu prüfen.
Müller: Aber die Kohlekraftwerke laufen ja noch. Auch dort gibt es Arbeitsplätze, auch dort gibt es Wirtschaftlichkeit. Und sie sind, wenn wir das richtig hier verstanden haben, zumindest ja auch ein Teil einer gewissen Preisstabilität, was wir bei den anderen Energiequellen bislang jedenfalls nicht haben. Warum dann so schnell raus aus der Kohle?
Fell: Ich kann Ihre Aussage nicht verstehen, dass sie zur Preisstabilität beiträgt. Wir haben immer größere Schäden in unserer Gesellschaft, die durch die Erderwärmung verursacht werden. Diese müssen Steuerzahler und viele andere zahlen, die eben diese Schäden erleiden. Wir haben immer größere Steigerungen auch bei den Kohlepreisen. Es ist eine Abhängigkeit einfach von diesen Ressourcen. Beim Erdöl, beim Erdgas ist das noch viel, viel stärker und viel schlimmer. Ich kann auch diese Energiepreisdebatte nicht richtig verstehen, die wir in unserer Gesellschaft führen. Europa hat ein Außenhandelsdefizit von 120 Milliarden Euro, was hauptsächlich verursacht ist durch 400 Milliarden Euro Kosten durch den Import fossiler Rohstoffe. Da liegen die Probleme, die unsere Wirtschaft und unsere Ökonomien destabilisieren. Wir brauchen den schnellen Umstieg auf die brennstoffkostenfreien erneuerbaren Energien und auf stärkere Energieeffizienz. Damit kommen wir aus den Problemen heraus.
Müller: Trotzdem hatten wir die Preisspirale in der Form ja vor Fukushima, vor dem Beschluss zum schnellen Ausstieg nicht. Wie passt das dann zusammen?
Fell: Ja die Preisspirale ist doch ein hausgemachter Fehler von der schwarz-gelben Bundesregierung. Immer neue Umlagenbefreiungen, ein nicht Einpreisen der kostensenkenden Wirkung der erneuerbaren Energien an der Börse, was kurioserweise sogar zur Erhöhung der EEG-Umlage führt, das sind alles Fehler, die nicht korrigiert werden. Wir haben die kuriose Situation, dass vor allem im westlichen Ausland von Deutschland in Europa sehr viel deutscher Strom gekauft wird, weil er eben durch Sonnen- und Windstrom sehr billig geworden ist, aber bei uns erhöhen die Energieversorger die Energiepreise für die Verbraucher. Das passt doch alles nicht zusammen, wir müssen hier umstellen.
Müller: Wir sprechen mit Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, hier im Deutschlandfunk. – Bleiben wir noch einmal bei Ihrer Kritik an der Kohleförderung respektive an der Rekurrierung der Kohlekraft nach wie vor. Sie sagen, wir müssen da so schnell wie möglich raus. Können wir uns das denn energiepolitisch, das heißt energetisch leisten, jetzt dort auch ganz schnell rauszugehen?
Fell: Ja wenn wir uns doch mal anschauen, wie der Ausbau erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung vorangeht – es sind die Genossenschaften, es sind die Betreibergemeinschaften, es sind Stadtwerke, die richtig investieren. Der Anstieg Erneuerbarer ist in den letzten zwei Jahren von 17 auf 23 Prozent ja fast explodiert und die Menschen wollen da weitermachen. Wir haben mit dieser Ausbaugeschwindigkeit 50 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2020 weit über dem Ziel, was die Bundesregierung anstrebt. Da müssen wir auch daran denken, dass wir eben die Bestandskohlekraftwerke Stück für Stück abschalten, sie eben dann auch ersetzen durch die erneuerbaren Energien. Aber genau dazu braucht es die Rahmenbedingungen, die die Infrastruktur bringen und die Ausgleichsenergie aus erneuerbaren Energien eben auch organisiert, und hier ist Fehlanzeige bei der Bundesregierung.
Müller: Wenn das bis 2020 klappt, wie Sie sagen, also 50 Prozent aus den erneuerbaren, ein Ziel, was viel, viel höher liegt als das, was die Bundesregierung formuliert hat, woher kommt dann 2020, auch 22 der Rest?
Fell: Nun, der Rest wird natürlich aus den Fossilen teilweise noch kommen müssen. Aber die müssen wir Zug um Zug abschalten und nicht, wie die Bundesregierung plant, sogar noch neue Kohlekraftwerke unterstützen im Ausbau. Es macht auch relativ wenig Sinn, neue Kohlekraftwerke zu ertüchtigen, denn wir haben genügend Luft, mit erneuerbaren Energien bis 2030 eine Vollversorgung von 100 Prozent erneuerbaren Energien zu organisieren. Wenn wir wirklich Klimaschutz machen wollen, dann müssen wir das doch auch tun. Alles andere ist doch eine Zementierung der CO2-Emissionen, die viel zu hoch sind, wenn wir die Erderwärmung auch anschauen.
Müller: Um das noch einmal festzuhalten. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, heißt das: keinerlei Investitionen, keinen Cent mehr für Kohle?
Fell: Nein! Wir haben heute immer noch die Kohlesubventionen als größten Subventionsposten in unserem Subventionsbericht stehen. Wir haben auch weiterhin immer neue Subventionen für die Kohle, die die Bundesregierung auf den Weg bringt. Das ist doch genau der verkehrte Weg. Wir brauchen eine Umänderung hin zur vollständigen Unterstützung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz. Das ist der richtige Weg.
Müller: Es sind doch, Herr Fell, in den vergangenen Jahren auch Milliarden in die Verbesserung der Kohletechnologie und Förderung investiert worden, sodass die Kraftwerke wesentlich effizienter und sauberer produzieren als noch zuvor. Das macht jetzt die nächsten zehn Jahre keinen Sinn mehr?
Fell: Nein, denn um einfach nur mal das richtig zu betrachten: Ein neues effizientes Kohlekraftwerk bläst in vier Tagen die Emissionen in die Luft, die ein altes ineffizientes in drei Tagen in die Luft geblasen hat. Was ist daran Klimaschutz? Wir müssen uns einfach vor Augen führen, dass wir raus müssen aus den fossilen Energieträgern. Sie belasten uns mit immer stärkeren Importkosten, sie belasten uns, wie ich schon mehrfach jetzt sagte, in der Erderwärmung, und die erneuerbaren Energien stehen bereit. Aber hier haben wir ja eine Entwicklung, die genau umgekehrt ist. Statt die Arbeitsplätze in den Erneuerbaren weiter aufzubauen, gehen bei uns die Solarunternehmen in Insolvenz, immer mehr Entlassungen sind da, vor wenigen Wochen hat der Weltmarktführer in der Wechselrichtertechnologie der Fotovoltaik 1200 Arbeitsplätze freigesetzt, heute sehe ich in meiner Heimatzeitung in Schweinfurt, wegen Absatzschwierigkeiten für Kugellager für die Windkraftanlagen müssen in der Kugellagerindustrie Schweinfurts 500 Arbeitsplätze gestrichen werden. Das passt doch nicht zusammen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, wir brauchen die starke Industrie, dann bekommen wir auch Arbeitsplätze dort, und zwar weitere, statt den Rückgang, wie ihn diese Bundesregierung organisiert.
Müller: Höhere Kosten gefährden Arbeitsplätze, hören wir immer wieder. Wie teuer werden die Stromtrassen, die Hochspannungsnetze?
Fell: Also schauen wir uns das noch mal richtig an. Die höheren Preise sind durch Erdöl-Preissteigerungen, Erdgas-Preissteigerungen, Kohlepreissteigerungen gekommen und sie belasten unsere Wirtschaft in einem höchsten Maße. Wir müssen einfach sehen, dass die Eurokrise, die Staatsverschuldung auch damit zusammenhängt. Und wenn wir raus kommen wollen aus diesen krisenhaften Entwicklungen, ökonomisch, dann müssen wir umstellen auf erneuerbare Energien. Dort sinken die Preise. Die Erneuerbaren sinken immer weiter. Die Netze, die dazu notwendig sind, sind in einer Größenordnung, die weit unter dem in den Investitionsgrößenordnungen liegen, was wir beispielsweise für Telekom-Netze ausgeben in unserer Gesellschaft. Wenn wir das nicht mehr schultern können und wollen, dann weiß ich auch nicht, wie wir da noch irgendwie vernünftige Energiepolitik betreiben wollen.
Müller: Die Zahl, Herr Fell, zugegeben, habe ich jetzt nicht parat. Nennen Sie uns bitte eine Zahl.
Fell: Also es wird hier in der Größenordnung von einigen Milliarden Euro gesprochen, die wir für die Netze, die Hochspannungsnetze brauchen. In der Telekom-Branche brauchen wir auch einige Milliarden Euro, um die DSL-Netze und Weiteres auszubauen. Das wird einfach unwidersprochen hingenommen. Da wird gesagt, das sind notwendige Investitionen, und ich verstehe nicht, warum das bei dem Stromsektor dann als Belastung bezeichnet wird und bei anderen Sektoren dann immer als notwendige Investitionen.
Müller: Bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.