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Grünen-Politiker Markus Kurth
Bundesregierung "verfrühstückt" Rücklagen der Rentenkasse

Der Grünen-Politiker Markus Kurth hält die Rentenpläne der Bundesregierung für ungerecht. Im Deutschlandfunk-Interview sagte der Obmann im Bundestags-Ausschuss für Arbeit und Soziales, Leistungen wie die geplante Mütterrente dürften nicht zulasten anderer finanziert werden.

Markus Kurth im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Christoph Heinemann: Mütterrente, abschlagsfreie Rente mit 63 für bestimmte Arbeitnehmer, darum geht es im Wesentlichen im Entwurf der Rentenreform der Bundesregierung. Darüber hat mein Kollege Martin Zagatta mit Markus Kurth gesprochen, dem Rentenexperten der Grünen. Erste Frage: Seit wann üben die Grüne in ihrer Ablehnung der Reform den Schulterschluss mit den Arbeitgebern?
    Markus Kurth: Na ja, wir haben auch nicht durchaus immer Schnittmengen mit den Arbeitgebern. Aber in diesem Falle sagen wir, dass die zusätzlichen Lasten für die Beitragszahler ungerecht sind. Wenn man schon versicherungsfremde Leistungen wie die Mütterrente, denen ja keine Beitragseinnahmen gegenüberstehen, finanzieren will, dann sollte man das aus Steuermitteln tun. Dann wären die Arbeitgeber wahrscheinlich auch nicht einverstanden mit uns; wir haben ja vor der Wahl auch verschiedene, auch sozialpolitische Verbesserungen wie bei der Erwerbsminderungsrente gefordert, sagen aber, als gesamtgesellschaftliche Aufgaben muss man das aus Steuermitteln finanzieren und nicht den Durchschnittsverdiener mit seinen Sozialversicherungsbeiträgen zahlen lassen.
    Martin Zagatta: Ihnen geht es darum, dass das aus dem falschen Topf gezahlt wird. Würden denn die grünen Rentenpläne billiger? Ihre Partei ist doch bei der Bundestagswahl auch abgestraft worden, weil Ihre Vorhaben den Menschen offenbar viel zu teuer waren.
    "Bei Altersarmut bei Frauen müsste mehr getan werden"
    Kurth: Wir haben vorher gesagt, was es kostet, und sind auch tatsächlich mit dem Bekenntnis, dass wir Steuern erhöhen wollen, allerdings bei den Einkommensstärkeren, in den Wahlkampf gezogen. Was jetzt passiert, halte ich für wesentlich unehrlicher, zu sagen, wir machen keine Steuererhöhungen und stattdessen die Rücklagen der Rentenkasse, das Geld aller Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu verfrühstücken und dann im Jahr 2018 der dann kommenden Regierung eine Last von zehn Milliarden Euro jährlich zu überlassen. Es ist aber nicht nur die Frage der Finanzierung, sondern man muss sich auch die Frage stellen, ob die Bundesregierung hier die richtigen Prioritäten setzt, ob die Ausgaben, die ja doch erheblich sind mit zehn Milliarden jährlich, denen zugutekommen, die es wirklich am dringendsten benötigen. Wir meinen, da müssten bessere Ausstattungen der Erwerbsminderungsrente her, bei Altersarmut bei Frauen müsste mehr getan werden und nicht bei denjenigen, die vergleichsweise auskömmliche Renten haben.
    Zagatta: Meinen Sie damit auch die Besserstellung von älteren Müttern? Sollen die weiter benachteiligt werden, oder meinen Sie das nicht?
    Kurth: Natürlich kann man sagen, es ist wünschenswert, dass auch die Frauen, die Kinder vor 1992 geboren haben, jetzt noch einmal zusätzlich bessergestellt werden. Ich will ja niemandem etwas missgönnen. Solange ich aber doch dringendere Baustellen von Altersarmut habe, übrigens auch vielfach Frauen, die nur knappe Erwerbsbiografien haben mit Lücken, solange ich also dringendere Baustellen habe, meinen wir, muss man nicht unbedingt bei der besseren Honorierung dieser Kindererziehungszeiten ansetzen.
    Zagatta: Ihre eigene Partei wollte ja auch, so zumindest war das Wahlprogramm, eine Garantierente einführen für alle, die 30 Jahre beschäftigt waren, selbst wenn sie auch nur Teilzeit gearbeitet haben. Dann sollten Zeiten der Kindererziehung mit einbezogen werden und auch Arbeitslosigkeit. Da wurde irgendwie ja auch jedem etwas versprochen, und davon abgesehen: Das wäre ja auch sehr teuer geworden. Oder sehe ich das falsch?
    Grüne für Garantierente
    Kurth: Das wäre nicht so teuer geworden wie jetzt die Rentenpläne der Großen Koalition, und die Garantierente ist ein, wie ich finde, gutes Beispiel dafür, dass wir versucht haben, dort anzusetzen, wo es am nötigsten ist. Diejenigen, die langjährig beschäftigt waren, über 30 Jahre in die Rentenversicherung einbezahlt haben oder die es hätten tun wollen, weil sie dann arbeitslos waren, vielleicht auch nicht konnten, diejenigen, die schwierige Erwerbsbiografien hatten, aber gleichwohl lange eingezahlt haben, die sollten eine Rente bekommen oberhalb des Grundsicherungsniveaus. Das ist die Idee der sogenannten Garantierente. Da sollten mindestens 850 Euro am Ende des Tages rauskommen und damit hätte man Altersarmut direkt konkret bekämpft. Die jetzige Variante der etwa Rente mit 63 nach 45 Beschäftigtenjahren wird mit Sicherheit niemanden treffen, der auf Grundsicherung angewiesen ist. Ich will es diesen Beschäftigten gar nicht missgönnen, noch einen Zuschlag darauf zu haben, aber es sind nicht diejenigen, die es am dringendsten benötigen.
    Heinemann: Markus Kurth, der Rentenexperte der Grünen. Die Fragen stellte mein Kollege Martin Zagatta.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.