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Grüner Biobauer zu Ackerbaustrategie
"Was uns wieder fehlt, ist die Unterstützung der Politik"

Mit ihrer Ackerbaustrategie habe Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) die richtigen Themen benannt, sagte Grünen-Politiker und Biobauer Friedrich Ostendorff im Dlf. Um vom Anbau der "vordergründig attraktiven Früchte" wie Mais weg zu kommen, müsste die Politik aber ökonomische Anreize setzen.

Friedrich Ostendorff im Gespräch mit Philipp May |
Zu sehen ist ein Maishäcksler und ein Traktor, die am 1.10.2015 ein Maisfeld bei Jettkofen in Baden-Württemberg abernten.
Es müsse Märkte für andere Früchte geben, um von der Zentrierung auf ökonomisch attraktive Früchte wie Mais wegzukommen, so Ostendorff (picture-alliance / dpa / Thomas Warnack)
Philipp May: Kurz vor der Sendung habe ich darüber mit Friedrich Ostendorff sprechen können. Er ist agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag und selbst Biobauer.
Friedrich Ostendorff: Ja, schönen guten Abend!
May: Herr Ostendorff, wir haben es gerade im Beitrag gehört: Julia Klöckner, die Landwirtschaftsministerin, plädiert für eine vielfältige Fruchtfolge beim Anbau, zur Schonung der Böden und für smarte und digitale, internet-gestützte Landwirtschaft zur zielgenaueren Düngung. Gibt es von Ihnen dafür Applaus?
Ostendorff: Ja. Sie hat wie immer erst mal die Themen richtig benannt. Es ist in der Tat so, dass wir natürlich vielfältige Reformen brauchen. Das ist etwas, was Bauern und Bäuerinnen wissen, dass sie wegkommen müssen von dieser Zentrierung auf Weizen- und Maisanbau, weil die ökonomisch im Moment belohnt werden. Es geht um Vielfalt auf dem Acker. Wenn wir die zweiten, die Sekundäreffekte wie Feldvögel, wie Insekten, wenn wir da was Gutes für tun wollen, brauchen wir viel mehr Blütenvielfalt, viel mehr Früchte. Von daher: Vielfältige Fruchtfolge, da kann keiner gegen sein. Nur was uns wieder fehlt ist die Unterstützung der Politik. Wie kommen wir denn da hin? Wie geben wir denn den Bauern und Bäuerinnen das Signal, jetzt auch Fahrt aufzunehmen, wegzukommen von dieser Zentrierung auf wenige, ökonomisch vordergründig attraktive Früchte?
"Das ist Aufgabe von Politik, das am Anfang anzureizen"
May: Wie geben wir denn das Signal?
Ostendorff: Ja, wir müssen als Politik doch sagen, okay, wenn wir mal den Bereich nehmen der sogenannten Leguminosen. Das sind Früchte, die aus Luftstickstoff pflanzenverfügbaren Stickstoff bilden können. Das ist ja etwas, was aus Umweltsicht bei der heutigen Lage sehr, sehr gewünscht ist. Wenn wir diesen Früchten eine Chance geben wollen – das sind Bodenerbsen und so weiter -, dann müssen wir die ökonomisch belohnen. Das heißt, wir müssen helfen, dass dafür Märkte entstehen, dass dafür eine Vorzüglichkeit entsteht, und das ist Aufgabe von Politik, das am Anfang anzureizen, dass wir da hinkommen.
Ein Bauer bringt mit einem Traktor Gülle auf ein Feld.
Ackerbaustrategie - Klöckners Quadratur des Kreises
Mehr Klimaschutz, mehr Artenvielfalt – und mehr Ertrag. Geht das zusammen in der Landwirtschaft? Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will das mit ihrer Ackerbaustrategie erreichen. Sie stellte gleichzeitig mehr Unterstützung für Bauern in Aussicht.
May: Was hätte die Landwirtschaftsministerin sagen sollen? Was hätte sie skizzieren müssen, beziehungsweise was hätte sie vorschlagen müssen?
Ostendorff: Sie hätte zum Beispiel sagen müssen, vielfältige Fruchtfolge okay, wenn ich nur diesen Bereich sehe der Leguminosen, dann hätte ich sehr gut gefunden, man hätte gesagt, man gibt eine Förderung von X Euro pro Hektar, wenn ich diese Leguminosen in die Fruchtfolge einführe. Das kann man leicht nachweisen, das ist gut zu kontrollieren und das ist auch EU-konform, die EU unterstützt das auch und da hätte es deutliche Signale gebraucht, denn die Landwirtschaft ist bereit. Ich will das noch mal sagen. Ich spüre, dass Bauern und Bäuerinnen sagen, wir machen das, aber sagt uns, wie wir das ökonomisch darstellen können. Wir haben auch eine Verpflichtung, unser Familieneinkommen zu erwirtschaften, und von daher müsst ihr uns helfen, dass wir dann auch da eine ökonomische Vorzüglichkeit reinbekommen.
"Politik, helft uns auf diesem Weg, dort hinzukommen"
May: Aber viele Ihrer Kollegen, wenn Sie sagen, Sie fühlen das, die fühlen sich doch jetzt schon von immer mehr Verordnungen gegängelt. Wir hatten gerade große Bauernproteste erst in Berlin, ausgelöst durch die verschärfte Düngemittel-Verordnung. Kann man das System wirklich ohne weiteres gegen den größten Teil der Landwirte ändern?
Ostendorff: Nein, es geht nicht um gegen die Landwirte. Die Landwirte, die Landwirtschaft – ich erlebe sie so: Ich bin seit 51 Jahren aktiver Bauer. Mit meiner Frau zusammen bewirtschaften wir seit langer, langer Zeit den Familienbetrieb weiter. Wir erleben es so bei uns, dass wir bereit sind, uns auch einzulassen. Unser Umfeld, unser Bekanntenkreis, unsere Freunde sagen, machen wir, wir wissen, da muss was passieren, aber wir können das im Moment ökonomisch nicht darstellen, Politik, helft uns bei diesem Weg, auf diesem Weg, dort hinzukommen, weg von Spritzmitteln, weniger Spritzmittel, weg von zu viel Gülle auf den Flächen. Alles das ist ja heute in der Landwirtschaft längst durch.
Auch die, die mit den Schleppern losfahren, wissen, dass sie sich verändern. Nur sie sagen, ihr stellt eine Forderung und sagt uns nicht, wie ihr uns dabei helft, dass wir da hinkommen. Die Überforderung ist heute das Problem. Wenn man mit den Schlepperfahrerinnen und Schlepperfahrern spricht, die jetzt ja auf den Straßen überall zu finden sind, dann sagen die einem, wir sind nicht gegen, aber wir fühlen uns völlig überfordert, alle zwei Wochen neue Anforderungen. Jetzt auch die Ackerbau-Strategie wird bei den Bauern und Bäuerinnen, bei vielen so ankommen, jetzt wollen sie noch mehr, aber sagen uns nicht, wie sie uns helfen auf diesem Weg, da hinzukommen.
May: Herr Ostendorff, mit Blick auf die Zeit: Jetzt wissen wir allerdings, dass die Landwirtschaft schon jetzt mit Milliarden-Summen gefördert wird, und Sie wollen jetzt noch mehr Förderung für die Landwirtschaft.
Ostendorff: Nein, ich will nicht noch mehr Förderung; ich will diese Förderung, die wir heute haben, zielgerichtet auf diese Ziele einrichten, dass wir sagen, wir fördern in Vernunft und nicht mehr in Fläche. Heute fördern wir: 85 Prozent des Geldes gehen heute da rein, dass eine Bauernfamilie nachweist, wieviel Hektar Fläche sie bewirtschaftet. Das heißt: Wer viel hat, dem wird gegeben, und wer wenig Fläche hat – und das sind in den alten Bundesländern eher die Betriebe, die sind kleiner an Fläche -, die kriegen kleine Beträge. Wenn ich 300 Euro pro Hektar gebe, wie es heute die Politik macht, dann ist es ein Unterschied, ob ich einen 1.500-Hektar-Betrieb habe mal 300 Euro oder einen 40, 50 oder der Ostendorff 80 Hektar im Betrieb habe mal 300 Euro. Das ist ein großer Unterschied.
"Es wird nicht geschaut, ob diese Fläche vernünftig bewirtschaftet wird"
May: Herr Ostendorff, wenn Sie von "der Politik" sprechen, sprechen Sie da eigentlich von der Bundeslandwirtschaftsministerin, oder sprechen Sie da eher von der EU, die ja ein Großteil der Fördergelder verteilt und auch die Richtlinien vorgibt, von denen Sie gerade gesprochen haben?
Ostendorff: Beide verteilen. 6,3 Milliarden kommen aus Brüssel, 6,5 Milliarden kommen aus dem Bundeshaushalt. Die Brüsseler Leistungen, die werden zu 85 Prozent nur über die Fläche geschüttet, ohne irgendeinen Effekt. Es wird nicht geschaut, ob diese Fläche vernünftig bewirtschaftet wird oder nicht. Nur wer Fläche nachweist kriegt Geld.
May: Zum Abschluss noch eine Frage. Müssen Lebensmittel wieder teurer werden?
Ostendorff: Es wird so sein, dass wir die Super-Rabattschlachten im Supermarkt beenden werden müssen. Niemand kann rechtfertigen, dass wir wertvolles Fleisch verramschen. 80 Prozent des Schweinefleisches wird im Supermarkt verramscht durch Super-Sonderangebote. Ist es ethisch-moralisch vertretbar, das weiter zu machen? – Nein! Wenn wir eine andere Tierhaltung wollen, muss Fleisch seinen Preis haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.