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Bundeswirtschaftsminister
Habeck (Grüne): Gasumlage notwendig, um Belastung gerecht zu verteilen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte die geplante Gasumlage im Dlf gegen Kritik. Sie sei notwendig, um die hohen Gaspreise möglichst gerecht zu verteilen. Er räumte Mängel bei der Umsetzung ein – diese würden nachgebessert.

Robert Habeck im Gespräch mit Sandra Schulz |
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und Vizekanzler
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) sprach sich im Deutschlandfunk auch für eine Übergwinnsteuer aus - als Übergangslösung (imago / photothek / Florian Gärtner)
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wies im Deutschlandfunk Kritik an der Gasumlage zurück. Diese sei notwendig, um die Lasten für die gestiegenen Gaspreise auf alle Schultern zu verteilen. Er räumte aber ein, dass nicht alles „gut gelaufen sei“. Vorrang habe die Versorgungssicherheit gehabt. Habeck äußerte sich zuversichtlich, dass man durch Nachbesserungen das Problem von Trittbrettfahrern „heilen“ werde. Er nannte dazu drei Kriterien: Erstens müssten Unternehmen einen relevanten Anteil an der Versorgungssicherheit in Deutschland haben. Die zu beschaffenden Mengen müssten zweitens für das Unternehmen selbst relevant sein. Drittens dürften Firmen die staatlichen Hilfen nicht für Boni und Dividenden auszahlen.

Habeck plädiert für Übergewinnsteuer

Eine Situation im Energiebereich wie jetzt habe es in Deutschland noch nicht gegeben, sagte Robert Habeck im Deutschlandfunk. Man operiere bereits seit einem dreiviertel Jahr nicht im Normalmodus. So müsse man nun auch die Reform des Strommarkts angehen – ein Projekt, das ursprünglich erst gegen Ende der Legislaturperiode geplant gewesen sei. Für die Übergangsphase bis dahin sollte es eine Übergewinnsteuer geben, sagte Habeck. Dies sei eine "gangbare Brücke", über die auch die FDP gehen könne.
Das Thema Energiekrise spielt auch eine Rolle bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts, die am 30. und 31. August in Meseberg bei Berlin stattfindet.
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Ist die Gasumlage noch zu retten?
Robert Habeck: Meine oberste Aufgabe ist es, die Versorgungssicherheit in Deutschland sicherzustellen. Das tut die Gasumlage. Sie ist dafür notwendig. Die Kombination aus Lieferausfällen, die die Unternehmen ja zu beklagen haben, und den hohen Gaspreisen hat zu einer gefährlichen Kombination geführt. Die haben wir zum einen bekämpft, indem wir den Unternehmen mit Geldern unter die Arme gegriffen haben. Wir sind ja bei zwei großen Unternehmen mit hohen Milliarden-Summen eingestiegen. Auf der anderen Seite ist es so: Wenn die Unternehmen, auch wenn sie dem Staat gehören, dauernd ihre Bonität verlieren, dann werden sie irgendwann herabgestuft werden. Sie können dann keine Kredite mehr bekommen, sie können kein Gas mehr kaufen. Das ist dann wie ein Fass ohne Boden und die Gasumlage zieht diesen Boden ein. Sie sorgt dafür, dass das Ausbluten der Unternehmen gestoppt wird. Deswegen ja, sie ist notwendig. Was natürlich nicht notwendig ist, dass diese Trittbrettfahrer, Unternehmen, die eigentlich gute Gewinne machen, die Gasumlage bekommen.

Uniper brauche jetzt Hilfe, weil die Gasumlage noch nicht da sei

Schulz: Aber wenn dieser Boden jetzt eingezogen ist, warum kommen dann jetzt schon wieder die nächsten Milliarden-Forderungen von UNIPER?
Habeck: Das liegt daran, dass UNIPER noch die Umlage nicht bekommt. UNIPER muss jetzt Gas kaufen. Wir sind ja im August noch, wenn der August auch zu Ende geht. Die Gasumlage wird zum 1. 10. Erhoben, wird dann umgelegt auf die Kunden, im Laufe des Novembers, schätze ich, vielleicht Dezembers bei den Bürgerinnen und Bürgern, bei den Verbrauchern ankommen. Im Moment kriegt UNIPER mit jeder Kilowattstunde Gas, die es verkauft, weniger Geld. Jetzt ist der Preis ja noch mal gestiegen, gestern ist er ein bisschen gesunken und das geht vielleicht auch hoffentlich ein bisschen weiter, aber das ist der Grund, warum UNIPER jetzt schon wieder nicht mehr in der Lage ist, Gas einzukaufen.

Gasumlage sei „eine Art Solidaritätsmechanismus“

Schulz: Warum muss der Boden mit dem Geld der Gaskundinnen und Kunden eingezogen werden und nicht mit dem Geld der Allgemeinheit, insgesamt der Steuerzahler?
Habeck: Das Gas wird ja an die Kunden verkauft. Das heißt, die Umlage ist nur eine vorgezogene Möglichkeit der Unternehmen, die Preise an die Bürgerinnen und Bürger weiterzugeben. Das heißt, die Gasumlage – das ist wahrscheinlich ein Missverständnis, das sich in der Öffentlichkeit breitgemacht hat, vielleicht auch durch nicht hinreichende Erklärungen von meiner Seite -, die Gasumlage ist keine Strafzahlung, sondern sie ist eine vorgenommene Zahlung von Geldern, die sowieso gekommen wären.
Das ist der erste Unterschied und der zweite Unterschied ist, dass sie die Ausfälle von russischem Gas nicht nur bei den Unternehmen und den Verbraucherinnen und Verbrauchern belässt, die dieses russische Gas hatten, sondern auf alle Gaskunden verteilt, eine Art Solidaritätsmechanismus. Den kann man in Frage stellen, aber wenn man nicht eingegriffen hätte, hieße das, dass etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung, die Gas bekommen, eine immens hohe Rechnung, vielleicht den vierfachen Preis hätten bezahlen müssen und die andere Hälfte gar nicht. Das gleiche gilt für Unternehmen. Einige Unternehmen hätten explodierende, nicht sehr hohe, sondern wirklich explodierende Preise bezahlen müssen und andere hätten weitermachen können wie bisher und meine Einschätzung ist, das hätte Deutschland noch viel weniger ausgehalten.
Was ich noch mal sagen will ist: Die Gasumlage ist das Bezahlen des Gases, das sowieso hätte bezahlt werden müssen, nur jetzt vorgezogen. Die Unternehmen dürfen ihre Preise schneller, direkter weiterreichen und sie verteilt die Last auf alle Schultern. Wenn man das kritisiert sagt man, wenige Schultern müssen mehr tragen.

„Trittbrettfahrer wieder vom Trittbrett zu schubsen“

Schulz: Wenn Sie sagen, es wird das bezahlt, was sowieso hätte bezahlt werden müssen, da ist ja dieses Verständnis-Delta bei vielen Gaskundinnen und Gaskunden, die das jetzt zahlen müssen, in dem Wissen, dass das möglicherweise an Unternehmen fließt, die finanziell überhaupt nicht in Bedrängnis sind.
Habeck: Ja, und das ist das Problem, das gelöst werden muss. Das ist aber nicht die Gasumlage an sich, sondern in der Gasumlage drin sind auch Mengen von Unternehmen, die gute Gewinne gemacht haben. Auch da muss man einordnen, nicht so sehr viel. Die Gasumlage beträgt ja 2,4 Cent ohne Mehrwertsteuer. Unter zehn Prozent, irgendwas zwischen fünf und acht Prozent, schätze ich, kommt von Unternehmen, die das nicht nötig haben. Diese Summe ist nicht exorbitant, aber sie ist trotzdem falsch, auch wenn es eine vergleichsweise geringe Summe ist. Aber nur, dass das kein Missverständnis gibt und wir uns da missverstehen: Wenn wir dieses Problem heilen – und wir sind dabei oder wir werden es heilen; ich sage gleich, wenn Sie mögen, wie das gehen kann -, ist die Gasumlage nicht weg, sondern nur ein Teil, etwa knapp unter zehn Prozent der Gasumlage ist weg. Trotzdem muss der raus. Das haben wir uns die letzten Tage angeschaut und sind da auf einem ganz guten Weg.
Es gibt drei Kriterien, meine ich, die der ursprünglichen Idee folgen und die wir nehmen können, um diese Trittbrettfahrer wieder vom Trittbrett zu schubsen. Das erste wäre ein Kriterium, dass die Unternehmen einen Anteil an der Versorgungssicherheit Deutschlands haben müssen, also nicht nur russische Gasausfälle kompensieren, sondern in einem relevanten Anteil, der für die Versorgungssicherheit von Deutschland notwendig ist. Das zweite Kriterium wäre, dass diese Mengen, die beschafft werden müssen, am Unternehmen selbst eine gewisse Relevanz haben, dass Unternehmen, die große Gewinne in anderen Bereichen machen, weil sie noch X Kohlekraftwerke haben oder Gas woanders verkaufen, oder was auch immer, dass die das dann nicht umlegen können. Und drittens: Das, was für alle Unternehmen gilt, die staatliche Hilfen bekommen, dass sie keine Boni und Dividenden auszahlen dürfen. Wenn man das noch mit Transparenzkriterien kombiniert, sagt, ihr müsst wirklich eure Bücher offenlegen, weil das sind Geflechte, Mütter, die Töchter haben, und große Konzerne, die irgendwelche Untergesellschaften haben, sehr, sehr undurchschaubar teilweise in der Konstruktion, aber wenn man sagt, alle Bücher offen, ihr müsst das nachweisen, dann bin ich mir sehr sicher, dass das eigentlich schon reicht, um diese Unternehmen auszusortieren.

Versorgungssicherheit habe oberste Prämisse

Schulz: Genau den Schritt würde ich gerne noch mal zurückmachen. Es ist jetzt bei dieser Gasumlage ja schon das zweite Nachjustieren, um nicht zu sagen schon die zweite Fehlerkorrektur. Erst ist keinem aufgefallen, dass es ja noch teurer wird mit der Mehrwertsteuer, und jetzt ist es vorher keinem aufgefallen, dass dann ja auch Unternehmen profitieren, die es möglicherweise gar nicht nötig haben. Warum merkt man das immer erst hinterher?
Habeck: Diese Geschichte mit diesen Trittbrettfahrern war nicht unbekannt, nur in der Dimension nicht erkannt, wie viele es sein werden. Das liegt daran – das muss ich offen einräumen -, dass die Konzentration von uns allen im Ministerium, auch von mir immer darum geht, die Versorgungssicherheit zu stabilisieren, und wir unter hohem Zeitdruck und in einer enormen Operation erst ehemals Gazprom Germania (jetzt wurde das Ding umfirmiert) SEFE gerettet haben, indem wir eine Treuhand eingesetzt haben. Dann haben wir UNIPER gerettet, ein extrem kompliziertes Unternehmen. Dann haben wir die Gasumlage geschaffen und rückblickend würde man sagen, das hätte man sehen müssen. Aber man hat immer darauf geguckt, dass man überhaupt besteht, dass man das Gas nach Deutschland kriegt, und so ist es dann passiert. Es sind immer die gleichen Leute, das soll keine Entschuldigung sein. Es ist nicht gut gelaufen an der Stelle, aber es ist nicht eine schludrige Arbeit, weil alle sagen, dann gehen wir mal um 17 Uhr nachhause, ist doch jetzt schon Feierabend, sondern das liegt einfach daran, dass einige Dinge so dominant sind, dass dann solche Punkte nicht scharf justiert sind.

„Situation im Energiebereich, die es so noch niemals gab“

Schulz: Punkte oder Fehler? Sie sagen, das soll keine Entschuldigung sein. Es hindert Sie, glaube ich, keiner, sich zu entschuldigen, wenn Sie denken, das war ein Fehler.
Habeck: Die Gasumlage ist kein Fehler. Die Gasumlage ist nichts, worüber man sich freuen kann, aber ich habe es jetzt versucht zu erläutern. Sie ist nur ein notwendiges Mittel, um die hohen Preise, die für den Ersatz von russischem Gas entstehen, möglichst gerecht – und das heißt, dass damit eine Belastung verbunden ist in Deutschland – auf Deutschland zu verteilen. Und ich will auch für die Zukunft nicht ausschließen, dass wir immer wieder nachjustieren müssen. Wir bewegen uns in einer Situation in Deutschland insgesamt im Energiebereich, die es so noch niemals gab. Wir hatten in der Legislaturperiode vorgesehen, am Ende der Legislatur den deutschen Strommarkt zu reformieren oder Vorschläge zu machen, einen Weißbuch-Prozess, einen Grünbuch-Prozess. Das sind Beteiligungsprozesse, wo alle mal ihre Ideen äußern, dass wir vielleicht 2028, 2030 ein neues Strommarkt-Design haben. Das müssen wir jetzt alles machen. Das heißt, unter großem Zeitdruck ziehen wir Dinge vor und versuchen, auch die großen Dinge, die Stabilität und die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Dabei werden manchmal Dinge übersehen und übersehen werden und das kann man im Grunde fast gar nicht verhindern, weil wir nicht im Normalmodus operieren, jetzt schon seit einem dreiviertel Jahr nicht.
Schulz: Jetzt haben wir uns in diese Diskussion um die Gasumlage wirklich noch mal sehr tief reingebeugt. Wir sprechen heute Morgen auch vor der Kabinettsklausur in Meseberg. Da warten jetzt alle auf Richtungsentscheidungen, auf Weichenstellungen in Richtung weiterer Entlastungen. Kommen die jetzt?
Habeck: Sie kommen bald.

Gasumlage sei "nur ein kleiner Teil der Kostenanstiege"

Schulz: Lässt sich nicht näher eingrenzen?
Habeck: Das hängt davon ab, wie schnell das Gesamtpaket zusammengestellt wird. Aber meine Logik ist, ich habe es eben gesagt, wann die höheren Preise, beispielsweise auch durch die Gasumlage verursacht. Aber noch einmal: Die Gasumlage, 2,4 Cent, ist nur ein kleiner Teil der Kostenanstiege, die auf Deutschland zukommen. Das heißt, sie ist nicht das einzige Problem oder die einzige Belastung. Trotzdem: Sie ist jetzt, weil sie politisch vorgezogen wird, ein Stück weit ein Symbol. Die wird dann irgendwann im November ungefähr bei den deutschen Gaskunden ankommen. Zu dem Zeitpunkt müssen zeitgleich und wirkungsgleich die Entlastungsmaßnahmen da sein. Dann rechnet man zurück, wie lange dauert ein Gesetzgebungsprozess oder ein Verordnungsprozess, und dann kommt man auf einen Korridor von jetzt in diesen Tagen muss es entschieden werden.

Übergewinnsteuer sei für Übergangsphase notwendig

Schulz: Einen inhaltlichen Punkt, eine inhaltliche Frage möchte ich noch machen. Sie und auch die SPD ist für eine Übergewinnsteuer. Sie, die Grünen, und auch die SPD sind für die Fortsetzung eines Neun-Euro-Tickets, dann als 49-Euro-Ticket. Ist eigentlich eine gute Verhandlungsbasis, wenn das zwei von drei Koalitionspartnern wollen. Kommt das?
Habeck: Beim Ticket bin ich doch sehr zufrieden und auch ein bisschen überrascht, wieviel Bewegung da ist. Ich habe jedenfalls auch Stimmen aus der FDP gehört, die gesagt haben, wenn die Bedingungen stimmen, die Länder sich daran beteiligen, dann kann man sich das vorstellen – höher als neun Euro, aber 49 Euro ist ja noch immer günstig, wenn das Ticket in allen deutschen Nahverkehrsverbünden eingesetzt werden kann. Da bin ich ganz optimistisch. Das habe ich jetzt noch nicht von allen FDP-Kollegen gehört, aber doch von einigen. Das möchte ich loben und finde, dass wir uns da gut aufeinander zubewegt haben. Die einen haben ein bisschen mehr Geld zugelassen, die anderen haben sich da bewegt. Ich hoffe, dass wir das zusammenkriegen. Die Länder allerdings müssen auch ihren Beitrag leisten, denn der öffentliche Personennahverkehr ist eigentlich Länderaufgabe. Der Bund hilft an einer Stelle, wo er gar nicht müsste, aber natürlich gerne will.
Die Übergewinnbesteuerung ist aus meiner Sicht notwendig, solange wir den Strommarkt nicht reformiert haben. Einen Strommarkt zu reformieren, ist – das kann sich, glaube ich, jeder vorstellen – echt komplex. Wir dürfen jetzt da keine Fehler machen.
Schulz: Die Frage war, ob es kommt.
Habeck: Genau! Und das könnte doch vielleicht eine Brücke sein, wir helfen am Strommarkt selbst, wir doktern nicht an den Symptomen herum, sondern wir korrigieren die Ursache. Diese Ursache, so schnell wie es geht, mit Hochdruck sind wir auch daran. Und bis dahin, weil das dann ja ab dem Zeitpunkt nach vorne gilt, bis dahin, wo es nicht gegolten hat, werden die Übergewinne ein Stück weit abgeschöpft. Das scheint mir eine gangbare Brücke zu sein und vielleicht eine Brücke, über die auch die FDP gehen kann. Jedenfalls, finde ich, ist schwer zu argumentieren in einer Zeit, wo viele Menschen Not leiden, wo wir wirklich Geld brauchen, um sozialen Ausgleich zu schaffen in Deutschland, der dann ja am Ende auch den demokratischen Konsens wahren soll, zu sagen, einige Unternehmen machen so exorbitante Gewinne – und ich will auch sagen, die erneuerbaren Energien auch -, aber das ist dann verdientes Geld. Das, glaube ich, kann man nicht wirklich argumentieren.
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