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Grüner Haushaltsexperte zum Klimapaket
"Die Bundesregierung hat nicht geliefert"

"Diese Bundesregierung hat völlig versagt bei der Menschheitsaufgabe Klimaschutz", so der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler im Dlf. Sie versuche, beim Klimapaket so zu "tricksen, dass der Bundesrat am Ende nur wenig machen kann." Der Einfluss der Grünen in der Länderkammer sei deshalb sehr begrenzt.

Sven-Christian Kindler im Gespräch mit Martin Zagatta |
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler.
Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler sagt, das Klimapaket der Bundesregierung setze "einen antiökologischen Anreiz". Gleichzeitig verfeuere der Staat jedes Jahr 57 Milliarden für klimaschädliche Subventionen. (Imago / Metodi Popow)
Martin Zagatta: Das Klimapaket wird noch ausformuliert, aber seine Finanzierung hat die Regierung jetzt beschlossen. Gefordert sind die Grünen jetzt im Bundestag und Bundesrat, wo sie schon Widerstand angekündigt haben. Für uns Grund, jetzt bei Sven-Christian Kindler nachzufragen, Obmann der Grünen im Haushaltsausschuss des Bundestages. Hallo, Herr Kindler!
Sven-Christian Kindler: Guten Tag, Herr Zagatta.
Vorlage als "offener Bruch mit dem 1,5-Grad-Ziel"
Zagatta: Herr Kindler, die Zahlen liegen jetzt vor. Was stört Sie so sehr an den Plänen der Regierung, dass Sie das im Bundesrat noch verhindern wollen?
Kindler: Im Kern ist das, was die Bundesregierung vorgelegt hat, ein offener Bruch mit Paris und dem 1,5-Grad-Ziel. Die Bundesregierung hat sich dazu völkerrechtlich verpflichtet, kommt dem aber im konkreten Regierungshandeln nicht nach. Aus meiner Sicht ist das eine herbe Enttäuschung.
Am 20. September sind 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gegangen, jung, alt, alle Generationen, alle Schichten, und haben endlich wirksamen Klimaschutz gefordert und kein Pillepalle mehr. Im Kern war das eine der größten Demonstrationen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten. Doch die Bundesregierung hat nicht geliefert und ganz viele Menschen enttäuscht.
Klimapaket ist "völlig unambitioniert"
Zagatta: Herr Kindler, diese Enttäuschung aus Ihrer Sicht können Sie jetzt beklagen. Aber wie wollen Sie jetzt vorgehen, dieses Paket im Bundesrat zu blockieren oder einzelne Maßnahmen? Das können Sie sich doch als erklärte Umweltpartei eigentlich gar nicht leisten.
Kindler: Völlig klar ist, dass dieses Paket überhaupt nicht reicht, völlig unambitioniert ist. Unser Eindruck ist aber gerade, das was wir hören von der Bundesregierung, auch in Absprache mit den Ländern, dass die Bundesregierung gerade alles macht, um die Länder so weit wie möglich rauszuhalten, und sie das Paket so stricken und tricksen, dass der Bundesrat am Ende nur wenig machen kann, und das ganz bewusst. Für uns ist klar, dass wir versuchen werden, alles, was im Bundesrat geht, noch zu verbessern oder schlimme Sachen auch zu verhindern, die im Paket sind. Aber klar ist, dass unser Einfluss über den Bundesrat, weil vieles aus dem Bundesrat rausgehalten wird, sehr begrenzt ist. Kernpunkt ist: Diese Bundesregierung hat völlig versagt bei der Menschheitsaufgabe Klimaschutz, und für uns ist klar, dass dieses Paket unter einer grünen Regierungsbeteiligung im Bund nie so bleiben würde, wie es jetzt ist.
"Begünstigt vor allen Dingen Besserverdienende"
Zagatta: Da sind Sie aber noch nicht, im Bund an der Regierung. Über die Länder könnten Sie ja die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Ihr Parteichef auch so sehr kritisiert, blockieren, wenn Sie das wollten. Aber können Sie sich das leisten? Dann würden Sie doch als Verweigerer bei einem Umweltprogramm dastehen.
Kindler: Im Kern hat die Pendlerpauschale keine umweltpolitische Wirkung. Die Pendlerpauschale wird vor allen Dingen, auch wenn es für alle Verkehrsträger absetzbar ist, bei langen Strecken von Autofahrerinnen und Autofahrern genutzt. Das bietet einen Anreiz für die Zersiedlung und auch lange Strecken zum Arbeitsplatz und begünstigt vor allen Dingen Besserverdienende, weil man das ja von der Steuer absetzen kann und dann den Grenzsteuersatz nimmt. Wer viel verdient, kann am Ende nachher auch viel davon profitieren. Das ist ein antiökologischer Anreiz, den die Bundesregierung da setzt.
Viele Maßnahmen werden aber gar nicht in den Bundesrat kommen und im Kern ist dieses Paket einfach so unambitioniert. Das ist einfach der kleinste gemeinsame Nenner, auf den die Bundesregierung sich verständigt hat. Das sieht man ja auch daran, dass es jetzt wieder Streit gibt, dass Teile des Paketes, wie Sie auch im Bericht gesagt haben, um eine Woche verschoben werden müssen. Das ist alles mit heißer Nadel gestrickt, nicht durchdacht und wird dem, worum es geht, die Rettung unserer Lebensgrundlagen, einfach überhaupt nicht gerecht, und das ist auch nicht, was viele Menschen in Deutschland fordern.
"Wir wollen einen CO2-Preis im Einstieg von 40 Euro"
Zagatta: Da sagt jetzt die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer heute, die Grünen sollten nicht nur schimpfen, das Ganze nicht nur enttäuschend finden, sondern auch erklären, was sie eigentlich ganz konkret wollen, und vor allem auch, wie teuer das dann würde. Wie teuer würde denn so ein Paket, wenn Sie mit Ihren Vorstellungen durchkommen? Haben Sie das in etwa zumindest mal durchgerechnet?
Kindler: Ich kann nur schmunzeln, was Frau Kramp-Karrenbauer sagt. Sie nimmt es ja selber auch nicht ernst. Wir machen seit Jahren konkrete Vorschläge zum Klimaschutz und wir haben erst vor vier Wochen in Weimar auf unserer Fraktionsklausur ein 60seitiges ambitioniertes Klimaprogramm vorgelegt. Ich schicke das gerne Frau Kramp-Karrenbauer noch mal ins Konrad-Adenauer-Haus. Dann kann sie das lesen, bevor sie so einen Quatsch öffentlich erklärt.
Konkret, was wir wollen: Wir wollen einen CO2-Preis im Einstieg von 40 Euro, der dann nach und nach ansteigt. Anders als die Bundesregierung wollen wir das rückverteilen. Die Bundesregierung wird ja das Geld am Ende nicht eins zu eins rückverteilen. Wir sagen ganz klar, das ist eine Klimaprämie. Wir fordern ein Energiegeld, dass auch kleine und mittlere Einkommen davon profitieren, die sich meistens ökologisch und umweltfreundlicher verhalten. Das sieht die Bundesregierung nicht vor. Das heißt, wir sind da ökologisch sinnvoller und auch sozial gerechter als die Bundesregierung. – Das ist nur eine von vielen Maßnahmen.
Grüne verlangen sozial gerechte Verteilungswirkung
Zagatta: Ich wollte gerade beim Stichwort CO2-Preis mal nachfragen. Der soll ja nach den Plänen der Bundesregierung jetzt Jahr für Jahr steigen. Sie wollen, wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, die Verbraucher stattdessen sofort schocken.
Kindler: Nein! Das habe ich ja gerade versucht, zu erklären. Es geht darum, dass ganz viele aus der Wissenschaft fordern, wir brauchen einen CO2-Preis, der auch Wirkung erfüllt, mit einem Einstieg, was auch notwendig ist, um nachher die ökologischen Lenkungswirkungen zu erzeugen. Wir wollen einen Einstieg von 40 Euro und dann nach und nach ansteigen. Soweit ich weiß, hat die CDU das auch gefordert in den Klimaverhandlungen und konnte sich nicht durchsetzen gegen CSU und SPD. Was wir wollen ist, ähnlich wie die Verbraucherschutzzentrale das fordert, eine eins zu eins Rückverteilung an die Bürgerinnen und Bürger über ein Energiegeld. Das ist eine Klimaprämie. Das heißt, das Geld, das wir einnehmen, geht zurück an die Bürgerinnen und Bürger, und gerade Menschen, die viel Geld haben, haben häufig auch einen höheren CO2-Ausstoß, und die würden dann dafür gemäß ihrer Leistungsfähigkeit etwas mehr bezahlen. Aber kleine und mittlere Einkommen, die meistens weniger CO2 verbrauchen, die würden dann sogar entlastet werden. Das heißt, wir haben eine sozial gerechte Verteilungswirkung und einen sinnvollen ökologischen Anreiz, um unsere Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Das ist der Unterschied von uns zur Bundesregierung, die das explizit nicht vorsieht und damit auch in Kauf nimmt, dass es soziale Verwerfungen gibt.
Klimaschädliche Subventionen
Zagatta: Sie würden dann auch Ihrer eigenen Klientel einiges zumuten? Denn Umfragen zufolge sind ja die Grünen-Wähler diejenigen, die am häufigsten mit dem Flugzeug reisen.
Kindler: Im Kern geht es darum, dass alle Menschen sich umstellen müssen. Wir haben einfach ein riesiges Problem mit Billigfliegern, die häufig hoch subventioniert werden. Es macht ja zum Beispiel gar keinen Sinn, dass ein Flug von Hamburg nach München deutlich billiger ist als die Fahrt mit der Deutschen Bahn. Das heißt, diese krassen Subventionen – wir haben Milliarden Subventionen, die die Flugindustrie kriegt, dadurch, dass sie nicht richtig besteuert wird bei Kerosin, bei der Mehrwertsteuer, an direkten Subventionen für unwirtschaftliche Regionalflughäfen -, diese Subventionen werden mit Steuergeld, unseren Steuergeldern bezahlt, mit Ihren, mit meinen, mit dem von den Hörerinnen und Hörern. Es kann ja nicht sein, dass wir die Klimazerstörung weiterhin mit Steuergeldern subventionieren. Wir haben über 57 Milliarden klimaschädliche Subventionen, die müssen jetzt schnell und konsequent abgebaut werden, damit wir nicht mit Steuergeld weiter die Klimakrise fördern und unsere Lebensgrundlagen zerstören. Da sind wir sehr klar und sehr konsequent.
Wirtschaftliche Chancen "werden jetzt nicht ausgeschöpft"
Zagatta: Aber innerdeutsche Flüge will jetzt selbst die CSU verteuern. Da ist man auf dem richtigen Weg?
Kindler: Das ist Pillepalle, was die CSU da macht. Im Kern wird das kaum eine Lenkungswirkung erzeugen. Das ist alles am Ende eine große Mogelpackung, was die Koalition vorschlägt. Noch mal zu den Zahlen, die sie heute beschlossen haben: Herr Scholz redet ja gerne von 54 Milliarden bis 2023. Wir haben mal konkret nachgerechnet. Im Kern ist das nur die Hälfte an zusätzlichen Investitionen. Viele Investitionen sind schon lange im Finanzplan geplant gewesen. Es ist viel Wein in alten Schläuchen. Nach unserer Rechnung sind es nur 26 Milliarden, die zusätzlich neu kommen, gegenüber den 54 Milliarden nicht mal die Hälfte. Gleichzeitig verfeuert der Staat jedes Jahr 57 Milliarden für klimaschädliche Subventionen. Die muss man jetzt konsequent abbauen, nicht nur bei den Milliarden-Subventionen für die Flugindustrie, auch bei den Milliarden-Subventionen für den schmutzigen Diesel. Wir haben eine Förderung von Plastiktüten mit Steuergeldern. Es kann ja nicht sein, dass wir in Zeiten der Klimakrise, wo unsere Lebensgrundlagen bedroht sind, das alles noch fördern und gleichzeitig sinnvolle Investitionen nicht tätigen, Investitionen in Elektromobilität, Investitionen in die Deutsche Bahn, Investitionen auch in energetische Gebäudesanierung. Das was die Bundesregierung macht ist im Kern viel zu wenig. Das wird unsere Klimaziele nicht erfüllen. Das wird dazu führen, dass wir weiter unsere Lebensgrundlagen zerstören, und auch die wirtschaftlichen Chancen, die es gibt, mit zusätzlichen Investitionen gerade auch im Handwerk, in der mittelständischen Wirtschaft, werden jetzt nicht ausgeschöpft, weil die Bundesregierung sich nicht traut, an die klimaschädlichen Subventionen heranzugehen, und gleichzeitig auf der Investitionsbremse steht und am Dogma der schwarzen Null klammert.
Zagatta: Ganz schön viel, was Sie da jetzt bemängeln und fordern. Ich bedanke mich aber für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.