Doris Schäfer-Noske: Kunstwerke sollen bei uns teurer werden, zumindest, wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht. Die hat nämlich Deutschland jetzt aufgefordert, die abgesenkte Mehrwertsteuer auf Kunst- und Sammlerstücke anzuheben auf die üblichen 19 Prozent. In Deutschland gilt für die bildende Kunst bisher ein Mehrwertsteuersatz von nur sieben Prozent. Kommt Deutschland dieser Forderung der EU nicht innerhalb von zwei Monaten nach, dann droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Der Deutsche Kulturrat, also der Spitzenverband der Kulturverbände in Deutschland, hat sich entsetzt über den Brief aus Brüssel gezeigt und gesagt, er erwarte nun, dass die Bundesregierung bei ihren Zusagen bleibe und dem Druck aus Brüssel nicht nachgebe.
Frage an die CDU-Politikerin Monika Grütters, Vorsitzende des Kulturausschusses im Deutschen Bundestag: Frau Grütters, wie muss sich denn Deutschland jetzt Ihrer Meinung nach verhalten?
Monika Grütters: Es gibt zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Entweder wir setzen die Anforderung um und erhöhen also den Mehrwertsteuersatz auf bildende Kunstwerke auf 19 Prozent von jetzt sieben, oder aber wir versuchen, mit Brüssel darüber zu diskutieren, warum wir das nicht wollen, und auch eine Empfehlung zu geben, in anderen EU-Ländern ähnlich wie Deutschland zu verfahren, das heißt, eher bildende Kunstwerke dort zu ermäßigen, wo sie das noch nicht sind. Das ist natürlich eine ganz schwierige Debatte, aber kulturpolitisch halten wir die für außerordentlich notwendig, gerade aus deutscher Sicht.
Schäfer-Noske: Es gibt ja eine EU-Liste mit Gegenständen und Dienstleistungen, die einem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Aber Kunstwerke und Sammlerstücke stehen da nicht drauf. Warum hat man das versäumt, die da draufzusetzen?
Grütters: Das weiß ich nicht, das war ja nicht unsere Idee. Bei uns stehen diese Gegenstände ja auf der ermäßigten Steuerliste. Wir behandeln bildende Künstler im Moment genauso wie Schriftsteller, Schauspieler und Musiker auch, denn diese Kulturgüter sind ja auch EU-weit ermäßigt. Und nur die bildende Kunst soll es also nicht sein? - Natürlich denke ich mir, weil da ja ein ganz stark auch wettbewerbsorientierter Aspekt dabei ist, nämlich der Kunsthandel. Aber deshalb muss man die Sache, glaube ich, auch in zweifacher Hinsicht bewerten: einmal fiskalpolitisch materiell und einmal kulturpolitisch. Und was die Wettbewerbsnachteile angeht, die andere Länder haben, wenn wir unseren Kunsthandel durch einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz begünstigen, kann ich nur sagen, erstens: In anderen EU-Ländern wird ähnlich verfahren, es gibt auch andere als Deutschland, die auf bildende Kunstwerke einen ermäßigten Steuersatz haben, die müssen eine solche Rüge ja jetzt auch bekommen haben. Zweitens: Was dabei nicht berücksichtigt wird ist, dass Galerien mitunter Jahre investieren, um junge Künstler zu fördern. Dann kommt hinzu, dass die Mehrwertsteuer eine Verbrauchssteuer ist, was man meines Erachtens auf Kunstwerke so nicht anwenden kann. Und es kommt hinzu, dass die Galeristen, der Kunsthandel mit Ausstellungen, mit Publikationen, mit Künstlerförderung ja auch eine ganz große kulturpolitische Leistung vollbringen.
Schäfer-Noske: Teilweise werden aber doch auf dem Kunstmarkt auch astronomische Preise für Kunstwerke erzielt. Millionäre legen ihr vieles Geld in Kunst an. Warum kann man da keine Preisgrenze einführen?
Grütters: Preisgrenzen einzuziehen, verbietet sich ja auch bei Mieten und anderen Dingen. Das ist eine Position, die, glaube ich, auf die Kultur noch viel weniger anzuwenden ist. Aber Sie haben recht: Mutmaßlich ist die ganze Geschichte in Gang gekommen, weil eben international sehr spektakuläre Einzelverkäufe in internationalen Auktionshäusern auch so einen Neidreflex auslösen oder sagen, reiche Leute kann man doch besteuern. Das ist aber nur ein winzig kleiner Anteil. Was viel wesentlicher ist, dass das eine Kaskade an Folgen auslösen würde, gerade kulturpolitisch: Für die Künstler, die ihre Werke verkaufen, würden die teurer, für die Kulturwirtschaft, die die Kulturgüter vermarktet, für öffentliche Kultureinrichtungen, die zu günstigeren Preisen erwerben heute und für die das natürlich auch wieder teurer würde - also ein doppelter Schaden würde angerichtet -, und für Verbraucher, denen natürlich die Teilhabe am kulturellen Leben damit teurer gemacht wird. Und ein Wesenszug deutscher Kulturpolitik ist die Förderung der Künstler, der Kreativen. Das ist ein Herzstück deutscher Kulturpolitik, wo zwei Instrumente ganz, ganz wichtig sind: einerseits die Künstlersozialkasse und andererseits eben der reduzierte Mehrwertsteuersatz.
Und ganz konkret: Was die bildende Kunst angeht, ist Deutschland im Moment der international bedeutendste Produktionsstandort, speziell Berlin, mit einem riesigen Anteil an jungen internationalen Künstlern, die hier leben, und genau um diese Zielgruppe geht es ja. Die würde in ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen jetzt massiv getroffen. Insofern kann ich nur sagen, das geht schon ins Mark der Kulturnation, wenn wir hier nachgeben müssten.
Schäfer-Noske: Umgekehrt ist es ja so, dass für Fotokunst, Siebdrucke und Lichtkunst schon jetzt der hohe Steuersatz gilt. Müsste da nicht insgesamt eine einheitliche Regelung her?
Grütters: Ja. Wir haben in der Enquete-Kommission "Kultur für Deutschland" genau diese Vereinheitlichung natürlich zu Gunsten der Künstler und dieser von Ihnen genannten, noch nicht im Katalog befindlichen Arbeiten versucht. Auch gerade die Kunstfotografie war uns ein Anliegen, dass die auch in den verminderten Mehrwertsteuersatz reinkommt, weil Sie haben recht: Ölbilder im Moment mit sieben Prozent zu besteuern, aber eine Kunstfotografie mit 19, ist unlogisch und inkonsequent. Aber es gibt natürlich viel größere Probleme, den günstigeren Mehrwertsteuersatz-Bereich zu erweitern, als umgekehrt das Risiko in Kauf zu nehmen, dass dann alle rausfallen, und das ist die Situation, die jetzt droht.
Schäfer-Noske: Die EU-Kommission hat Deutschland aufgefordert, den Mehrwertsteuersatz für bildende Kunst von sieben auf 19 Prozent zu erhöhen. Das war die Vorsitzende des Kulturausschusses im Deutschen Bundestag, Monika Grütters.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Frage an die CDU-Politikerin Monika Grütters, Vorsitzende des Kulturausschusses im Deutschen Bundestag: Frau Grütters, wie muss sich denn Deutschland jetzt Ihrer Meinung nach verhalten?
Monika Grütters: Es gibt zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Entweder wir setzen die Anforderung um und erhöhen also den Mehrwertsteuersatz auf bildende Kunstwerke auf 19 Prozent von jetzt sieben, oder aber wir versuchen, mit Brüssel darüber zu diskutieren, warum wir das nicht wollen, und auch eine Empfehlung zu geben, in anderen EU-Ländern ähnlich wie Deutschland zu verfahren, das heißt, eher bildende Kunstwerke dort zu ermäßigen, wo sie das noch nicht sind. Das ist natürlich eine ganz schwierige Debatte, aber kulturpolitisch halten wir die für außerordentlich notwendig, gerade aus deutscher Sicht.
Schäfer-Noske: Es gibt ja eine EU-Liste mit Gegenständen und Dienstleistungen, die einem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Aber Kunstwerke und Sammlerstücke stehen da nicht drauf. Warum hat man das versäumt, die da draufzusetzen?
Grütters: Das weiß ich nicht, das war ja nicht unsere Idee. Bei uns stehen diese Gegenstände ja auf der ermäßigten Steuerliste. Wir behandeln bildende Künstler im Moment genauso wie Schriftsteller, Schauspieler und Musiker auch, denn diese Kulturgüter sind ja auch EU-weit ermäßigt. Und nur die bildende Kunst soll es also nicht sein? - Natürlich denke ich mir, weil da ja ein ganz stark auch wettbewerbsorientierter Aspekt dabei ist, nämlich der Kunsthandel. Aber deshalb muss man die Sache, glaube ich, auch in zweifacher Hinsicht bewerten: einmal fiskalpolitisch materiell und einmal kulturpolitisch. Und was die Wettbewerbsnachteile angeht, die andere Länder haben, wenn wir unseren Kunsthandel durch einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz begünstigen, kann ich nur sagen, erstens: In anderen EU-Ländern wird ähnlich verfahren, es gibt auch andere als Deutschland, die auf bildende Kunstwerke einen ermäßigten Steuersatz haben, die müssen eine solche Rüge ja jetzt auch bekommen haben. Zweitens: Was dabei nicht berücksichtigt wird ist, dass Galerien mitunter Jahre investieren, um junge Künstler zu fördern. Dann kommt hinzu, dass die Mehrwertsteuer eine Verbrauchssteuer ist, was man meines Erachtens auf Kunstwerke so nicht anwenden kann. Und es kommt hinzu, dass die Galeristen, der Kunsthandel mit Ausstellungen, mit Publikationen, mit Künstlerförderung ja auch eine ganz große kulturpolitische Leistung vollbringen.
Schäfer-Noske: Teilweise werden aber doch auf dem Kunstmarkt auch astronomische Preise für Kunstwerke erzielt. Millionäre legen ihr vieles Geld in Kunst an. Warum kann man da keine Preisgrenze einführen?
Grütters: Preisgrenzen einzuziehen, verbietet sich ja auch bei Mieten und anderen Dingen. Das ist eine Position, die, glaube ich, auf die Kultur noch viel weniger anzuwenden ist. Aber Sie haben recht: Mutmaßlich ist die ganze Geschichte in Gang gekommen, weil eben international sehr spektakuläre Einzelverkäufe in internationalen Auktionshäusern auch so einen Neidreflex auslösen oder sagen, reiche Leute kann man doch besteuern. Das ist aber nur ein winzig kleiner Anteil. Was viel wesentlicher ist, dass das eine Kaskade an Folgen auslösen würde, gerade kulturpolitisch: Für die Künstler, die ihre Werke verkaufen, würden die teurer, für die Kulturwirtschaft, die die Kulturgüter vermarktet, für öffentliche Kultureinrichtungen, die zu günstigeren Preisen erwerben heute und für die das natürlich auch wieder teurer würde - also ein doppelter Schaden würde angerichtet -, und für Verbraucher, denen natürlich die Teilhabe am kulturellen Leben damit teurer gemacht wird. Und ein Wesenszug deutscher Kulturpolitik ist die Förderung der Künstler, der Kreativen. Das ist ein Herzstück deutscher Kulturpolitik, wo zwei Instrumente ganz, ganz wichtig sind: einerseits die Künstlersozialkasse und andererseits eben der reduzierte Mehrwertsteuersatz.
Und ganz konkret: Was die bildende Kunst angeht, ist Deutschland im Moment der international bedeutendste Produktionsstandort, speziell Berlin, mit einem riesigen Anteil an jungen internationalen Künstlern, die hier leben, und genau um diese Zielgruppe geht es ja. Die würde in ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen jetzt massiv getroffen. Insofern kann ich nur sagen, das geht schon ins Mark der Kulturnation, wenn wir hier nachgeben müssten.
Schäfer-Noske: Umgekehrt ist es ja so, dass für Fotokunst, Siebdrucke und Lichtkunst schon jetzt der hohe Steuersatz gilt. Müsste da nicht insgesamt eine einheitliche Regelung her?
Grütters: Ja. Wir haben in der Enquete-Kommission "Kultur für Deutschland" genau diese Vereinheitlichung natürlich zu Gunsten der Künstler und dieser von Ihnen genannten, noch nicht im Katalog befindlichen Arbeiten versucht. Auch gerade die Kunstfotografie war uns ein Anliegen, dass die auch in den verminderten Mehrwertsteuersatz reinkommt, weil Sie haben recht: Ölbilder im Moment mit sieben Prozent zu besteuern, aber eine Kunstfotografie mit 19, ist unlogisch und inkonsequent. Aber es gibt natürlich viel größere Probleme, den günstigeren Mehrwertsteuersatz-Bereich zu erweitern, als umgekehrt das Risiko in Kauf zu nehmen, dass dann alle rausfallen, und das ist die Situation, die jetzt droht.
Schäfer-Noske: Die EU-Kommission hat Deutschland aufgefordert, den Mehrwertsteuersatz für bildende Kunst von sieben auf 19 Prozent zu erhöhen. Das war die Vorsitzende des Kulturausschusses im Deutschen Bundestag, Monika Grütters.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.