"Für mich ist es wichtiger, in Würde zu sterben als möglichst lange physisch zu leben", sagte der Jesuit Klaus Mertes im Dlf-Interview. Derzeit werde jedoch durch die Coronamaßnahmen der Lebensschutz absolut gesetzt. "Es muss ein Spielraum bleiben für Güterabwägung", forderte Mertes.
Die Maßnahmen der Bundesregierung gäben dem Lebensschutz im Alltag eine so hohe Bedeutung, dass damit das Leben vieler Menschen beschädigt werde. Als Beispiel nannte er den Umgang mit Kindern. Wenn diese als Gefährder beschimpft würden, weil sie mit der Mutter im Supermarkt unterwegs seien, dann habe das tiefgreifende Auswirkungen auf die Kinderpsyche. Kinder würden derzeit behandelt, als seien sie "unrein", so Mertes. "Da haben wir das klassische Aussatzproblem und das entwürdigt Menschen, das entwürdigt Kinder in ihrem Selbstverständnis."
Er vermisse in der aktuellen politischen Debatte, dass über die Opfer des Shutdowns gesprochen werde, sagte der Jesuiten-Pater: In der Behindertenarbeit würden gerade alle Errungenschaften der Inklusion fortgewischt. Alte Menschen dürften nicht mehr selbst bestimmen, wer sie besuche. Altenpflerinnen und -pfleger sähen sich Klagen von Anwälten ausgesetzt.
Mertes, der das Jesuitenkolleg in St. Blasien leitet, plädiert für eine Öffnung der Schulen. Kindern und Jugendlichen würden gerade grundlegende Chancen genommen. Eltern seien überfordert mit der Situation. "Da besteht eine echte und große Not", so Mertes.