Peter Kapern: Wenn die Hamburger am Sonntag in die Wahllokale gehen, dann bekommen sie dort nicht nur den Stimmzettel für die Bundestagswahl in die Hand gedrückt, sondern auch noch einen für einen Bürgerentscheid. Soll die Hansestadt die Energienetze, also die Leitungen für Strom, Gas und Fernwärme, wieder zurückkaufen? Vor gar nicht langer Zeit hat Hamburg diese Netze mehrheitlich privatisiert. Nun fordert ein Aktionsbündnis unter Führung der Grünen die Rekommunalisierung der Netze – eine Forderung, die zu scharfen Debatten im Rathaus führt.
Sollte die Hansestadt tatsächlich diese Netze wieder in die eigene Hand nehmen, dann läge sie damit ja durchaus im Trend, denn Dutzende von Kommunen haben in den letzten Jahren wieder Stadtwerke gegründet. Jetzt verkaufen sie ihren Bürgern wieder selbst den Strom und das Gas, statt das Geschäft privatwirtschaftlichen Unternehmen zu überlassen. – Bei uns am Telefon ist Jens Libbe, der sich beim Deutschen Institut für Urbanistik mit dem Phänomen der Rekommunalisierung beschäftigt. Guten Morgen, Herr Libbe.
Jens Libbe: Guten Morgen!
Kapern: Herr Libbe, werfen wir zunächst noch mal einen Blick zurück. Die Energienetze waren ja schon mal in kommunaler Hand. Warum sind sie überhaupt verkauft worden?
Libbe: Ja, warum sind sie verkauft worden? Zunächst mal muss man sagen: Wir hatten vor 20 Jahren eine Novellierung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Vorher war es so, dass die Netze eigentlich nie zur Disposition standen. Seit dieser Novellierung müssen diese Netze alle 20 Jahre neu ausgeschrieben werden. Insofern hat sich da einfach erst mal die rechtliche Situation geändert. Kommunen haben damals weniger die Netze verkauft, sondern vor allem auch Stadtwerke an sich verkauft. Die Netze befanden sich zum Teil auch schon in privater Hand, beziehungsweise, wie in Hamburg die Situation war, war eigentlich die Konzession bei den Hamburgischen Elektrizitätswerken. Dieses Unternehmen wurde verkauft bekannterweise an Vattenfall und damit gingen natürlich auch die Netze verlustig.
Kapern: Und warum?
Libbe: Warum? In Hamburg wie in vielen Kommunen war es die angespannte Haushaltssituation, die die Städte dazu bewegt hat, ihre Stadtwerke zu verkaufen. Man hat damit zumindest kurzfristig eine Entlastung im Haushalt schaffen wollen. Und es lag damals natürlich auch so ein bisschen im globalen Trend, Privatisierung war angezeigt in den 90er-Jahren, nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen Ländern. Mittlerweile haben die Kommunen erkannt, dass das unter Umständen auch ein strategischer Fehler war.
Kapern: Nun war damals, wie Sie sagten, die Geldnot der Kommunen ein Grund, die Netze beziehungsweise die Stadtwerke zu verkaufen. Nun wollen sie sie aus demselben Grund wieder zurückkaufen. Wie passt das zusammen? Lässt sich damit wirklich Geld verdienen?
Libbe: Grundsätzlich lässt sich mit Stadtwerken Geld verdienen. Es lässt sich auch mit dem Verkauf von Strom Geld verdienen. Bei den Netzen ist die Situation ein wenig komplizierter. Einerseits stimmt die Argumentation, dass man eine relativ sichere Rendite hat. Auf der anderen Seite ist diese Rendite aber auch gedeckelt. Es herrscht eine Anreizregulierung bei den Netzen. Und zum dritten, was in der ganzen Argumentation leider regelmäßig vergessen wird: Es muss in den nächsten zwei Dekaden auch sehr viel Geld in die Hand genommen werden. Bundesweit wird damit gerechnet, dass wir 25 Milliarden allein in die Modernisierung der Stromverteilnetze investieren müssen, zuzüglich noch mal sieben Milliarden, um diese Netze, wie man so schön sagt, intelligenter zu machen, also für die Energiewende fitt zu machen, so dass diese Netze auch Strom von unterschiedlichsten Energieeinspeisern, dezentralen Einspeisern aufnehmen können. Insofern: Man wird auch weiterhin sicherlich einen Gewinn mit den Netzen machen können. Die Schätzungen, die da im politischen Raum zuweilen verlautbart werden, scheinen mir aber ein wenig zu optimistisch.
Sollte die Hansestadt tatsächlich diese Netze wieder in die eigene Hand nehmen, dann läge sie damit ja durchaus im Trend, denn Dutzende von Kommunen haben in den letzten Jahren wieder Stadtwerke gegründet. Jetzt verkaufen sie ihren Bürgern wieder selbst den Strom und das Gas, statt das Geschäft privatwirtschaftlichen Unternehmen zu überlassen. – Bei uns am Telefon ist Jens Libbe, der sich beim Deutschen Institut für Urbanistik mit dem Phänomen der Rekommunalisierung beschäftigt. Guten Morgen, Herr Libbe.
Jens Libbe: Guten Morgen!
Kapern: Herr Libbe, werfen wir zunächst noch mal einen Blick zurück. Die Energienetze waren ja schon mal in kommunaler Hand. Warum sind sie überhaupt verkauft worden?
Libbe: Ja, warum sind sie verkauft worden? Zunächst mal muss man sagen: Wir hatten vor 20 Jahren eine Novellierung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Vorher war es so, dass die Netze eigentlich nie zur Disposition standen. Seit dieser Novellierung müssen diese Netze alle 20 Jahre neu ausgeschrieben werden. Insofern hat sich da einfach erst mal die rechtliche Situation geändert. Kommunen haben damals weniger die Netze verkauft, sondern vor allem auch Stadtwerke an sich verkauft. Die Netze befanden sich zum Teil auch schon in privater Hand, beziehungsweise, wie in Hamburg die Situation war, war eigentlich die Konzession bei den Hamburgischen Elektrizitätswerken. Dieses Unternehmen wurde verkauft bekannterweise an Vattenfall und damit gingen natürlich auch die Netze verlustig.
Kapern: Und warum?
Libbe: Warum? In Hamburg wie in vielen Kommunen war es die angespannte Haushaltssituation, die die Städte dazu bewegt hat, ihre Stadtwerke zu verkaufen. Man hat damit zumindest kurzfristig eine Entlastung im Haushalt schaffen wollen. Und es lag damals natürlich auch so ein bisschen im globalen Trend, Privatisierung war angezeigt in den 90er-Jahren, nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen Ländern. Mittlerweile haben die Kommunen erkannt, dass das unter Umständen auch ein strategischer Fehler war.
Kapern: Nun war damals, wie Sie sagten, die Geldnot der Kommunen ein Grund, die Netze beziehungsweise die Stadtwerke zu verkaufen. Nun wollen sie sie aus demselben Grund wieder zurückkaufen. Wie passt das zusammen? Lässt sich damit wirklich Geld verdienen?
Libbe: Grundsätzlich lässt sich mit Stadtwerken Geld verdienen. Es lässt sich auch mit dem Verkauf von Strom Geld verdienen. Bei den Netzen ist die Situation ein wenig komplizierter. Einerseits stimmt die Argumentation, dass man eine relativ sichere Rendite hat. Auf der anderen Seite ist diese Rendite aber auch gedeckelt. Es herrscht eine Anreizregulierung bei den Netzen. Und zum dritten, was in der ganzen Argumentation leider regelmäßig vergessen wird: Es muss in den nächsten zwei Dekaden auch sehr viel Geld in die Hand genommen werden. Bundesweit wird damit gerechnet, dass wir 25 Milliarden allein in die Modernisierung der Stromverteilnetze investieren müssen, zuzüglich noch mal sieben Milliarden, um diese Netze, wie man so schön sagt, intelligenter zu machen, also für die Energiewende fitt zu machen, so dass diese Netze auch Strom von unterschiedlichsten Energieeinspeisern, dezentralen Einspeisern aufnehmen können. Insofern: Man wird auch weiterhin sicherlich einen Gewinn mit den Netzen machen können. Die Schätzungen, die da im politischen Raum zuweilen verlautbart werden, scheinen mir aber ein wenig zu optimistisch.
Großer Vertrauensvorschuss gegenüber Stadtwerken
Kapern: Schauen wir doch mal auf diese Frage aus der Sicht des Bürgers. Warum ist es für den eigentlich besser, von der eigenen Kommune, den eigenen Stadtwerken abkassiert zu werden bei den Energiekosten statt von einem Energiekonzern?
Libbe: Warum es besser ist? Ich habe den Eindruck, und das bestätigt eigentlich die Situation in vielen Städten, dass zumindest ein größeres Vertrauen gegenüber einem öffentlichen Versorger besteht. Die Städte, die noch eigene öffentliche Versorger besitzen, bemerken, dass ihre Kunden relativ selten den Versorger wechseln. Es herrscht also eine hohe Stabilität. Und eine Stadt wie Hamburg, die vor wenigen Jahren ein neues Stadtwerk gegründet hat, hat ja auch das Phänomen, dass mittlerweile dieses Unternehmen, wenn ich richtig informiert bin, wieder über 100.000 Haushalte angeschlossen hat. Also man merkt, da ist einfach ein großer Vertrauensvorschuss da.
Kapern: Können Sie sich diesen Vertrauensvorschuss erklären, denn allgemein gilt ja, dass die Bürger mit den Verwaltungen ihrer Städte sehr unzufrieden sind, wenn die stundenlang auf den Rathausfluren herumstehen oder monatelang auf eine Baugenehmigung warten müssen? Warum auf einmal die große Zuneigung der Bürger zu denselben Kommunalbeamten, wenn die Stadtwerke betreiben?
Libbe: Na ja, zunächst mal sind es keine Beamten mehr, die die Stadtwerke betreiben.
Kapern: Oder Angestellte.
Libbe: Stadtwerke werden in aller Regel als privatrechtliche Unternehmen betrieben, GmbHs oder Aktiengesellschaften. Ich erkläre mir das Vertrauen einfach dadurch, dass zunächst mal damit auch klar ist, dass die Energie im eigenen Stadtraum gewonnen wird. Stadtwerke sind nicht nur Energieversorger, sie sind häufig auch Energiedienstleister. Sie sind bereits früher häufig als diejenigen aufgetreten, die auch Energiesparmaßnahmen in Haushalten mit begleitet haben, beraten haben, und sie werden künftig auch diejenigen sein, die vor Ort ganz zentral die Energiedienstleister sein werden, das heißt die Haushalte auch dabei unterstützen, wenn sie dezentrale Systeme aufbauen, diejenigen sein werden, die auch dezentrale Anlagen mit betreuen werden.
Kapern: Nun hört man in Hamburg sehr häufig, dass sich die Befürworter der Rekommunalisierung der Netze versprechen, dass die Stadtwerke als Netzbetreiber dann auch gemeinwohlorientiert arbeiten können. Da klingelt es doch bei uns allen im Hinterkopf und man hat den Eindruck, dass die Verquickung von Gemeinwohlorientierung und Wirtschaftsbetrieb spätestens mit der Neuen Heimat beerdigt worden ist. Können Sie sich dieses Revival dieses Begriffs der Gemeinwohlorientierung erklären?
Libbe: Ja, das kann ich mir durchaus erklären. Es ist sicherlich nicht sozusagen der tradierte Gemeinwohlbegriff, auf den man hier zielen sollte, sondern Gemeinwohl, bezogen auf einen Energieversorger, zielt letztlich auf den Umbau der Versorgungsstrukturen vor Ort und diesen Umbau der Versorgungsstrukturen zu gestalten, zu koordinieren. Es sind ja nicht nur die Stadtwerke, sondern es sind inzwischen in einer Stadt wie Hamburg viele, viele auch kleine Unternehmen, die dort am Markt aktiv sind, und zwischen diesen Akteuren muss ein Koordinierungsprozess in Gang gebracht werden. Sonst wird der Umbau nicht gelingen, vor allem auch im Wärmemarkt nicht gelingen. Das ist eine originäre Aufgabe der Städte und wir wissen aus den Erfahrungen mit dem Stadtumbau Ost, dass Städte, die ein eigenes Unternehmen haben auf der Versorgungswirtschaftsseite, dass es denen leichter fällt, einen solchen Umbauprozess zu bewerkstelligen, weil einfach die Koordinierung, die Abstimmung zwischen Stadt und Unternehmen leichter fällt als zwischen Stadt und einem privatwirtschaftlichen Unternehmen.
Kapern: Jens Libbe, Experte für Rekommunalisierung von Energienetzen beim Deutschen Institut für Urbanistik. Herr Libbe, danke für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und sage auf Wiederhören.
Libbe: Gerne! Auf Wiederhören.
Libbe: Warum es besser ist? Ich habe den Eindruck, und das bestätigt eigentlich die Situation in vielen Städten, dass zumindest ein größeres Vertrauen gegenüber einem öffentlichen Versorger besteht. Die Städte, die noch eigene öffentliche Versorger besitzen, bemerken, dass ihre Kunden relativ selten den Versorger wechseln. Es herrscht also eine hohe Stabilität. Und eine Stadt wie Hamburg, die vor wenigen Jahren ein neues Stadtwerk gegründet hat, hat ja auch das Phänomen, dass mittlerweile dieses Unternehmen, wenn ich richtig informiert bin, wieder über 100.000 Haushalte angeschlossen hat. Also man merkt, da ist einfach ein großer Vertrauensvorschuss da.
Kapern: Können Sie sich diesen Vertrauensvorschuss erklären, denn allgemein gilt ja, dass die Bürger mit den Verwaltungen ihrer Städte sehr unzufrieden sind, wenn die stundenlang auf den Rathausfluren herumstehen oder monatelang auf eine Baugenehmigung warten müssen? Warum auf einmal die große Zuneigung der Bürger zu denselben Kommunalbeamten, wenn die Stadtwerke betreiben?
Libbe: Na ja, zunächst mal sind es keine Beamten mehr, die die Stadtwerke betreiben.
Kapern: Oder Angestellte.
Libbe: Stadtwerke werden in aller Regel als privatrechtliche Unternehmen betrieben, GmbHs oder Aktiengesellschaften. Ich erkläre mir das Vertrauen einfach dadurch, dass zunächst mal damit auch klar ist, dass die Energie im eigenen Stadtraum gewonnen wird. Stadtwerke sind nicht nur Energieversorger, sie sind häufig auch Energiedienstleister. Sie sind bereits früher häufig als diejenigen aufgetreten, die auch Energiesparmaßnahmen in Haushalten mit begleitet haben, beraten haben, und sie werden künftig auch diejenigen sein, die vor Ort ganz zentral die Energiedienstleister sein werden, das heißt die Haushalte auch dabei unterstützen, wenn sie dezentrale Systeme aufbauen, diejenigen sein werden, die auch dezentrale Anlagen mit betreuen werden.
Kapern: Nun hört man in Hamburg sehr häufig, dass sich die Befürworter der Rekommunalisierung der Netze versprechen, dass die Stadtwerke als Netzbetreiber dann auch gemeinwohlorientiert arbeiten können. Da klingelt es doch bei uns allen im Hinterkopf und man hat den Eindruck, dass die Verquickung von Gemeinwohlorientierung und Wirtschaftsbetrieb spätestens mit der Neuen Heimat beerdigt worden ist. Können Sie sich dieses Revival dieses Begriffs der Gemeinwohlorientierung erklären?
Libbe: Ja, das kann ich mir durchaus erklären. Es ist sicherlich nicht sozusagen der tradierte Gemeinwohlbegriff, auf den man hier zielen sollte, sondern Gemeinwohl, bezogen auf einen Energieversorger, zielt letztlich auf den Umbau der Versorgungsstrukturen vor Ort und diesen Umbau der Versorgungsstrukturen zu gestalten, zu koordinieren. Es sind ja nicht nur die Stadtwerke, sondern es sind inzwischen in einer Stadt wie Hamburg viele, viele auch kleine Unternehmen, die dort am Markt aktiv sind, und zwischen diesen Akteuren muss ein Koordinierungsprozess in Gang gebracht werden. Sonst wird der Umbau nicht gelingen, vor allem auch im Wärmemarkt nicht gelingen. Das ist eine originäre Aufgabe der Städte und wir wissen aus den Erfahrungen mit dem Stadtumbau Ost, dass Städte, die ein eigenes Unternehmen haben auf der Versorgungswirtschaftsseite, dass es denen leichter fällt, einen solchen Umbauprozess zu bewerkstelligen, weil einfach die Koordinierung, die Abstimmung zwischen Stadt und Unternehmen leichter fällt als zwischen Stadt und einem privatwirtschaftlichen Unternehmen.
Kapern: Jens Libbe, Experte für Rekommunalisierung von Energienetzen beim Deutschen Institut für Urbanistik. Herr Libbe, danke für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und sage auf Wiederhören.
Libbe: Gerne! Auf Wiederhören.