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Grundschule
20 Länder besser im Lesen als Deutschland

Laut der neuen Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) kann jeder fünfte Viertklässler in Deutschland Texte nicht richtig lesen und verstehen. Obwohl die Leseleistungen in Deutschland etwas über dem internationalen Mittelwert der EU und der OECD-Staaten liegen, sind laut Studienmacher "20 Länder an uns vorbeigezogen".

Von Christiane Habermalz |
    Eine Grundschülerin sortiert ihre Schulbücher
    Was die Chancengleichheit in der Bildung angeht, ist Deutschland im internationalen Vergleich Schlusslicht - zusammen mit Ungarn, Bulgarien und der Slowakei. (picture alliance / dpa / Holger Hollemann)
    Rein punktemäßig haben sich die Leseleistungen der Viertklässler gegenüber 2001 nicht signifikant geändert. Sie liegen etwas über dem internationalen Mittelwert der EU und der OECD-Staaten. Der Anteil der leistungsstarken Schülerinnen und Schüler ist sogar etwas gestiegen - um 2,5 Prozentpunkte auf elf Prozent. Eine sonderlich gute Nachricht ist das aber trotzdem nicht. Denn mittlerweile ist Deutschland von vielen anderen Ländern überrundet worden.
    "In 2001 waren nur vier andere Länder besser als wir, mittlerweile sind das 20 Länder, die besser geworden sind als wir. Obwohl unsere Leistungen die gleichen sind. Wir müssen deswegen nicht Sack und Asche tragen, 20 Länder sind an uns vorbeigezogen, das ist eine Menge",
    erklärt Wilfried Bos, Bildungsforscher an der TU Dortmund und Leiter der IGLU-Studie. Was aber vor allem zu denken gibt: Der Anteil der Leseschwächsten ist gegenüber 2001 ebenfalls gestiegen. Jeder fünfte Zehnjährige in Deutschland erreicht beim Lesen und Leseverständnis noch nicht einmal Kompetenzstufe drei, das heißt, er oder sie kann den Sinn von Texten nicht wirklich verstehen und verarbeiten.
    Gravierende Auswirkungen für den weiteren Bildungsweg
    Das hat gravierende Auswirkungen, denn ohne diese Grundfähigkeiten werden diese Schüler kaum dem Unterricht in der Sekundarstufe I folgen können, der sich in der fünften Klasse anschließt. Die Konsequenzen für die Bildungspolitik sind, laut Bos, klar:
    "Wir werden eine gezielte Unterstützung für leseschwache Schülerinnen und Schüler fordern müssen. Wir werden das Gleiche für unsere Topleser fordern müssen, wie müssen an beiden Enden arbeiten. Wir werden verstärkt an den Einsatz von Sachtexten im Leseunterricht und eine gezielte Förderung von wissensbasierter Verstehensleistung herangehen müssen. Die Chancengerechtigkeit, da muss dringend daran gearbeitet werden."
    Denn auch dies hat die IGLU-Studie - wieder einmal - ergeben: Nirgendwo ist der Einfluss des Elternhauses auf die Leseleistung der Kinder so groß wie in Deutschland, das sich mit den Ländern Ungarn, Bulgarien und der Slowakei die Schlussposition in Sachen Chancengerechtigkeit teilt. Der Leistungsunterschied von Kindern, in deren Elternhaus mehr als 100 Bücher stehen, gegenüber Kindern, deren Eltern wenig lesen, beträgt in Deutschland mehr als ein ganzes Schuljahr.
    "Es ist schlicht und ergreifend eine einzige Schande, dass wir einen hohen Prozentsatz von Kindern mit hohem Potenzial, dass wir die nicht zum Erfolg führen, der ihnen eigentlich angeboren ist. Uns geht es im Moment so gut, dass wir uns das leider Gottes offensichtlich leisten können, aber das kanns ja nicht sein!"
    Gestiegene Herausforderungen
    Was aber sind die Gründe, warum es Deutschland trotz aller bildungspolitischen Anstrengungen nicht gelingt, sein soziales Bildungsproblem zu lösen? Für KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann liegt das auch an der zunehmend heterogenen Schülerschaft in Deutschland.
    "Wir wissen ob der Herausforderungen, die gerade Grundschullehrer und Grundschullehrer in ihren Schulen in der täglichen Arbeit haben. Insofern ist es eigentlich eine Bestätigung. "
    Gemeint sind: Inklusion und Zuwanderung. Mehr als jedes dritte Kind in Deutschland, das im Jahr 2016 die vierte Klasse besucht, hat mindestens ein Elternteil, der im Ausland geboren wurde. Doch das ist in vielen anderen Ländern ähnlich - etwa Schweden oder den Niederlanden - mit weit besseren Lernergebnissen.
    Bildungsqualität ist bisher zu kurz gekommen
    In den vergangenen Jahren sei möglicherweise in vielen Bundesländern zu viel auf Bildungsstrukturreformen gesetzt worden, als auf die Qualität des Unterrichts, räumt Eisenmann ein. Lehrermangel konterkariere zudem nahezu bundesweit die Anstrengungen für eine bessere Lehrerausbildung. Denn jeder Unterricht ist nur dann gut, wenn er auch erteilt wird. Dass in manchen Ländern mehr als die Hälfte der Grundschullehrer mittlerweile Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung sind, macht das nicht besser. Und vorhandene Leseförderprogramme müssten besser evaluiert werden, mahnte Boos an. Von rund 80 Förderprogrammen, die in den Ländern aufgelegt worden seien, seien bislang nur fünf bis sieben darauf überprüft worden, ob sie auch tatsächlich funktionieren. Und nur bei zweien war das der Fall gewesen.