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Grundschullehrer in Ökonomie "nicht optimal ausgebildet"

Holger Arndt, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung, wünscht sich Wirtschaftsunterricht an Grundschulen. Davon würden Kinder später profitieren, etwa wenn sie "für die Mechanismen von Werbung sensibilisiert" seien.

Holger Arndt im Gespräch mit Jessica Sturmberg |
    Jessica Sturmberg: Es ist ein altbekanntes Problem, dass es viele Menschen gibt, denen ökonomische Zusammenhänge nicht richtig klar sind und die dadurch Nachteile im Leben haben – vor allem als Verbraucher, aber auch bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs, wenn es um Themen wie die Euro-Politik, Arbeitslosigkeit oder die Rentendebatte geht. Ökonomen kritisieren immer wieder, dass Wirtschaft in der Schule zu kurz kommt. Professor Holger Arndt von der Uni Erlangen ist der Ansicht, die Kinder müssten schon ganz früh an die Wirtschaft herangeführt werden: bereits in der Grundschule: Dazu hat er zusammen mit einem Kollegen eine Studie im Auftrag der Hamburger Joachim Herz Stiftung durchgeführt, "Ökonomische Bildung in der Primarstufe", und dafür die Lehrpläne der 16 Bundesländer durchgeforstet. Vor der Sendung habe ich mit ihm darüber gesprochen und ihn zunächst gefragt, welche Unterschiede er festgestellt hat.

    Holger Arndt: Ja, das ist eine sehr interessante Frage. Die Situation in Deutschland ist da ja äußerst heterogen und wir haben einzelne Bundesländer, die zahlreiche wirtschaftliche Themen bearbeiten und behandeln, und in anderen Bundesländern ist das nur sehr peripher der Fall. Und dann gibt es von Bundesland zu Bundesland auch noch mal unterschiedliche thematische Schwerpunkte.

    Sturmberg: Und wie unterscheidet sich das dann ganz genau?

    Arndt: Beispielsweise hätten Sie jetzt bei einem Land wie Bremen ein Beispiel für sehr umfassende ökonomische Bildung in der Grundschule. Dort wird der Bereich Konsum intensiv behandelt. Hier geht es um Fragen zum Beispiel bei Kaufentscheidungen, dass dort auch ökologische und soziale Kriterien berücksichtigt werden. Dann haben Sie aber auch den Bereich der Arbeit, innerhalb dessen sich die Schüler zum Beispiel auseinandersetzen sollen mit beruflichen Tätigkeiten, mit der Bedeutung von Arbeit, mit Ursachen und Konsequenzen von Arbeitslosigkeit. Und dann gibt es Bundesländer, die natürlich auch andere Schwerpunkte setzen, wie etwa Thüringen. Dieses Bundesland hat jetzt seinen Schwerpunkt, was die ökonomische Bildung betrifft, weniger in der Grundschule, sondern dann eher später in den weiterführenden Schulen.

    Sturmberg: Sind damit die Bremer Kinder besser gerüstet für das Wirtschaftsleben als die Thüringer?

    Arndt: Grundsätzlich tendenziell ja. Es ist natürlich so, dass nicht ausschließlich das schulische Lernen auf die wirtschaftlichen Lebenssituationen vorbereitet, aber doch einen ganz erheblichen Beitrag dazu leisten kann. Ob das jetzt aber tatsächlich der Fall ist, das haben wir im Rahmen unserer Studie noch nicht untersucht. Bei uns ging es zunächst um die Frage, wie sich die Situation in den Lehrplänen der einzelnen Bundesländer darstellt, und da haben zumindest die Bremer Kinder vergleichsweise gute Voraussetzungen.

    Sturmberg: Wenn Sie jetzt mal von dem Ideal ausgehen, welche Kompetenzen sollten denn Schüler zum Ende der Grundschule nach Ihrer Ansicht erworben haben?

    Arndt: Da gibt es in den verschiedensten Bereichen zahlreiche Kompetenzen, die zum erfolgreichen Bewältigen von Lebenssituationen bedeutsam sind. Denken wir beispielsweise an den Bereich des Konsums. Hier sollten Schüler in der Lage sein, Konsumentscheidungen zu treffen, bei denen sie ihre Wünsche und Bedürfnisse sich bewusst machen und angesichts von Knappheit, beispielsweise von knappem Taschengeld, Prioritäten setzen können und selbstverständlich auch für die Mechanismen von Werbung sensibilisiert sein, sodass sie dann auch in diesem Zusammenhang sich nicht manipulieren lassen, so ohne Weiteres, und auch selbstbestimmt handeln können. Das wäre so ein Bereich.

    Sturmberg: Das sind ja zum Teil sehr anspruchsvolle Themen. Die Kinder sind ja noch ganz jung, sechs bis zehn Jahre in der Regel. Wie genau stellen Sie sich denn da einen gelungenen Unterricht vor, damit sie mit diesen anspruchsvollen Themen dann auch tatsächlich umgehen können?

    Arndt: Das sind teilweise tatsächlich abstrakte Themen, und vor dem Hintergrund ist es ganz wichtig, dass man Sachverhalte veranschaulicht. Das kann zum Beispiel gelingen durch Methoden der Realbegegnung, indem sie etwa Erkundungen durchführen, ein Unternehmen sich unter bestimmten Gesichtspunkten ansehen, oder einen Supermarkt besuchen, um dort die Produkte zu vergleichen.

    Sturmberg: Es gibt ja wenig Lehrer, die für das Fach Wirtschaft konkret ausgebildet werden. Wer Volkswirtschaftslehre oder Betriebswirtschaftslehre studiert, geht ja meistens nicht in den Lehrerberuf, zumindest nicht an allgemeinen Schulen. Das hat dann aber auch zur Folge, dass viel Input von Wirtschaftsverbänden, von Gewerkschaften oder Unternehmen kommt. Gerade war ja zum Beispiel der Weltspartag und dann kommen zum Beispiel die Geldinstitute und bringen Infomaterial in die Grundschulen und erzählen den Kindern, dass Sparen wichtig ist. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Instanz, und das Lehrmaterial, ausgewogen ist?

    Arndt: Zunächst einmal wäre ja wünschenswert, an der von Ihnen angesprochenen Problematik etwas zu ändern, dass Lehrkräfte das Fach selbst nicht hinreichend studiert haben. Das ist gerade im Bereich der Grundschule noch ein stärkeres Problem, da ja der Sachunterricht per se ein umfassendes Integrationsfach ist und man zwangsläufig nicht alle Fächer im Rahmen des Studiums sich aneignen kann. Und weil die Lehrkräfte häufig tatsächlich nicht optimal ausgebildet sind, besteht auch durchaus die Gefahr, wenn sie Materialien, die häufig kostenlos verfügbar sind, für ihren Unterricht verwenden, dass sie diese möglicherweise nicht adäquat einzuschätzen wissen. Man muss natürlich sensibilisiert sein für die Fragestellung, inwiefern da jetzt möglicherweise Einseitigkeiten und manipulative Aspekte darin enthalten sind, denn die Hersteller dieser Materialien verfolgen unter anderem auch eigene Interessen, die nicht mit den Interessen der Schüler übereinstimmen müssen.

    Sturmberg: Professor Holger Arndt von der Uni Erlangen und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung zu der Frage, ob Kinder schon in der Grundschule Wirtschaft lernen sollten.


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