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Grundsteinlegung für Moschee in Erfurt
"Grundrechte gelten auch für Muslime"

In Erfurt wird der Grundstein für die erste Moschee in Thüringen gelegt, nach jahrelangen, von der AfD angeführten Protesten. Für Erfurter Muslime wie Suleman Malik, der den Bau gegen die Widerstände mit vorangetrieben hat, ist es ein historischer Tag - und ein Zeichen für Religionsfreiheit.

Von Henry Bernhard |
    Suleiman Malik auf der Baustelle der künftigen Moschee in Erfurt-Marbach | Foto: Deutschlandfunk Landesstudio Thüringen
    Suleiman Malik auf der Baustelle der künftigen Moschee in Erfurt (Deutschlandfunk)
    Ibrahim Malik steht auf einem kleinen Teppich. Er ist der Vorbeter beim Freitagsgebet der Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt. Hinter ihm, auf einem weißen Laken, stehen seine zwei Söhne und ein Student aus Jena. Der Ort: Maliks Wohnzimmer in einem Plattenbau, hoch oben, mit weitem Blick über die Stadt. Im Hintergrund, in der Sofaecke, spielen Maliks Enkel leise mit Lego. Die Frauen beten im Kinderzimmer.
    An manchen Freitagen aber platze die Wohnung aus allen Nähten, erzählt Ibrahim Maliks Sohn Suleman: "Wir beten seit fast 20 Jahren im Wohnzimmer meiner Eltern. Ich bin auch hier groß geworden. Das nutzen wir weiterhin, als Gemeinderaum, als Treffpunkt. Und beim Freitagsgebet ist es so, dass die, die es zeitlich schaffen, kommen, denn viele sind angestellt, viele sind Studenten, viele sind selbständig, das ist immer unterschiedlich. Und Mittag essen wir dann zusammen, wenn sich einmal die Gemeindemitglieder treffen. Und sie sehen: Die Kapazität, es ist einfach nicht mehr vorhanden, wir brauchen mehr Räumlichkeit, wir brauchen mehr Räume."
    Suleman Malik ist in Pakistan geboren. Seit 18 Jahren lebt er in Deutschland, so wie ein großer Teil seiner Familie. Sie sind Ahmadiyyas, Mitglieder einer relativ kleinen islamischen Religionsgemeinschaft, die sich als Reformer im Islam betrachtet, loyal zur jeweiligen Staatsmacht steht, hierarchisch und straff gegliedert ist und missionarisch unterwegs ist.
    Erste Moschee im Osten außerhalb Berlins
    Die Ahmadiyyas werden von den meisten anderen Muslimen als Häretiker geschmäht und in Pakistan auch verfolgt. In Deutschland besitzen sie gut 50 Moscheen, 100 sollen es einmal werden. Nun wollen sie den Grundstein legen zur ersten Moschee in Ostdeutschland außerhalb Berlins und auch zur ersten von außen erkennbaren Moschee in Thüringen überhaupt. Am Rande von Erfurt, am Rande eines Vororts, im Gewerbegebiet an der Schnellstraße.
    Kurz vor Grundsteinlegung führt Suleman Malik auf das Baugelände, wo in einem knappen Jahr die Moschee stehen soll. Groß wie ein Zweifamilienhaus, mit einem acht Meter hohen Zierminarett, von dem aus kein Muezzin zu hören sein wird. Ringsum liegen das Technische Hilfswerk und die Feuerwehr, ganz in der Nähe ein riesiges Getreidesilo. Die Zufahrt zum Grundstück ist schmal, hinten wird es breiter.
    "Wo wir stehen, wird der Eingang sein und die Zufahrt. Das sind etwa 6.000 Quadratmeter, die werden ja nicht komplett bebaut, sondern etwa 2.000 Quadratmeter Fläche wird bebaut, die restliche Fläche bleibt Grünfläche, also da wird sehr viel Gehölzfläche sein, Obstbäume, Garten usw. ist geplant."
    Vor sieben Jahren haben sie angefangen, nach einem Grundstück zu suchen, erzählt Malik. "Wir Muslime haben halt ein bisschen Schwierigkeiten, wenn es um die Räumlichkeiten und Grundstücke geht. Das ist genauso schwer wie wenn man ein Atomkraftwerk bauen soll! Das ist ein Zufall, dass wir das Grundstück dort gefunden haben."
    AfD führt Proteste gegen Moschee an
    2015 sind sie mit ihren Moscheebauplänen an die Öffentlichkeit gegangen, haben eine Einwohnerversammlung in einer Turnhalle veranstaltet. Es kamen Hunderte. Der Ton war rau. Das Verständnis für die Religionsfreiheit - gering: "Warum befragt man nicht das Volk und lässt das Volk abstimmen, ob es in seiner Nähe eine Moschee haben will oder nicht?", rief eine Frau und wurde bejubelt.

    Bei der Einwohnerversammlung dabei war auch Abdullah Uwe Wagishauser, der Emir der deutschen Ahmadiyyas: "Die letzte Frage: Der Islam in Deutschland - wie soll das funktionieren? Wir haben im Moment etwa vier Millionen Menschen, die in Deutschland leben, die muslimischen Glaubens sind. Die können sie doch nicht wegschicken, die gehören dazu!"

    Björn Höcke ruft: "AfD - Nein zur Moschee!" - Die Thüringer AfD unter Björn Höcke hat in den vergangenen drei Jahren alles versucht, um den Moscheebau zu verhindern, mit juristischen Einwänden, mit Reden auf dem Domplatz.
    "Liebe Freunde, ich bin in Sorge! Ich bin in Sorge, dass - vielleicht nicht morgen -, dass aber vielleicht in einer nicht zu fernen Zukunft auf unserem Dom, der gerade so wunderbar seine Glocken erklingen lässt, dass auf unserem Dom der Halbmond zu sehen sein wird. Und ich frage euch: Wollt ihr das?" rief Björn Höcke. Das Publikum antwortete:" Nein! Widerstand! Widerstand! Widerstand!"
    Fremdenfeindliche "Ein Prozent"-Bewegung
    Suleman Malik sagt dazu: "Ich habe erlebt, dass alles, was mündlich gesagt wurde, in Taten umgesetzt worden. Dann haben wir erlebt, dass nebenan elf Meter hohe Kreuze gestellt worden sind, unmittelbar danach wurden auf diesem Gelände überall Schweineköpfe verteilt. Und dazu wurde im Internet aufgerufen. Ich persönlich bin so oft körperlich angegriffen worden. Als wir mit dem Infostand auf dem Anger standen und das Gespräch gesucht haben, bin ich ins Gesicht gespuckt worden. Und das wurde sogar im Nachhinein in sozialen Netzwerken gefeiert."
    Eine Mann fotografiert in Erfurt (Thüringen) Mit einem großen Holzkreuz auf einem Grundstück in der Nähe der als Baugrund für den Moschee-Neubau vorgesehenen Fläche protestiert das Bündnis "Bürger für Erfurt" gegen die Moscheebaupläne in Erfurt-Marbach protestieren. Foto: Arifoto Ug/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
    Protestaktion mit Holzkreuz gegen Moschee-Neubau in Erfurt (Arifoto Ug / dpa-Zentralbild)
    Suleman Malik als Sprecher der knapp 100-köpfigen Thüringer Ahmadiyya-Gemeinde geht dennoch immer wieder an die Öffentlichkeit. Die überdimensionalen Holzkreuze hatte die fremdenfeindliche "Ein Prozent"-Bewegung installiert. Inzwischen hat sich die Bewegung gegen die Moschee so radikalisiert, dass sich frühere Mitstreiter, aber auch die AfD davon distanzieren.
    An einem Sonntagmorgen Anfang September zum Beispiel zog ein bizarrer Mummenschanz vor dem Wohnhaus der grünen Landtagsabgeordneten Astrid Rothe-Beinlich auf, die selbst in Marbach wohnt und für die Religionsfreiheit auch der Muslime eintritt.
    Astrid Rothe-Beinlich erzählt: "Die waren teilweise mit sogenannten Arabermasken, also so faltigen, grauen Gesichtern bekleidet, mit Kitteln, mit Niqab - nicht nur Frauen übrigens -, mit Ketten um sich herum gewickelt, haben ein Kreuz mit sich geführt, viele Transparente – 'Ihr Marbacher habt die Moschee verdient' und so weiter. Ja, das ist schon eine neue Qualität: Da geht es um Einschüchterung, da geht es darum, dem politischen Gegner aufzuzeigen: 'Wir wissen, wo Du wohnst!' Das macht natürlich was mit einem, das macht auch was mit dem Umfeld. Das kriegen auch alle ringsum mit."
    Ministerpräsident bei Grundsteinlegung
    Auch bei sogenannten "Bürgergottesdiensten" vor dem Grundstück der zukünftigen Moschee tragen sie Kreuze mit sich.
    Für die Ortspfarrerin Tabea Schwarzkopf ein Unding:"Damit geht es mir nicht gut, gar nicht! Das ist ein Erinnerungszeichen an Jesu Leiden. Und das ist für uns zu einem Symbol der Versöhnung und des Friedens geworden. Das kann man nicht als Kampfsymbol gegen eine andere Religion verwenden, dann missbraucht man es."
    Zur Grundsteinlegung werden auch der Erfurter Oberbürgermeister und der Thüringer Ministerpräsident, Bodo Ramelow, sprechen. Eine Gegendemonstration ist angemeldet, von der rechtspopulistischen und islamfeindlichen "Bürgerbewegung Pax Europa" - vermutlich mit Kreuzen. Für Suleman Malik ist es der Tag, auf den er seit Jahren hinarbeitet.
    "Ein historischer Tag! Für die Gemeinde, aber auch für Thüringen, nach so viel Gegenwind, Hetze, nach so viel Druck können wir, dürfen wir die Moschee bauen. Aber insbesondere ist es ein großes Zeichen für die Deutungshoheit des Grundgesetzes, weil ja die Grundrechte auch für Muslime gelten."