Archiv

Grundsteuer
"Gerechter wird es ganz sicher"

14 Milliarden Euro beziehen die Städte und Kommunen aus der Grundsteuer. Daran soll sich auch nach dem jüngsten Urteil nichts ändern, sagte Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag im Dlf. Keine Stadt sei interessiert, dass Wohnen in zentralen Lagen noch teurer werde, sagte Dedy.

Helmut Dedy im Gespräch mit Sarah Zerback | 11.04.2018
    Wohnhäuser in Düsseldorf
    Blick auf Wohnquartier am Kennedydamm in Düsseldorf (imago / Hans Blossey)
    Sarah Zerback: Mehr Gerechtigkeit, ohne den Steuerzahler zwingend mehr zu belasten – das war das Signal aus Karlsruhe. Das haben die Richter dort gestern entschieden und damit Druck auf die Politik gemacht. Denn die hat sich mehr als 50 Jahre davor gedrückt, die Grundsteuer zu reformieren. Heißt: Die Immobilienpreise sind geradezu explodiert, in vielen Gegenden zumindest; es hat sich aber nichts daran geändert, nach welchen Kriterien Grundvermögen besteuert wird.
    Über das Karlsruher Urteil zur Grundsteuer können wir sprechen mit Helmut Dedy, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Guten Morgen!
    Helmut Dedy: Schönen guten Morgen.
    Zerback: Herr Dedy, wird denn jetzt alles weniger kompliziert und gerechter?
    Dedy: Gerechter wird es ganz sicher. Die Grundsteuer, so wie sie ist, ging nicht mehr. Das wussten eigentlich alle. Und ich finde die Entscheidung aus Karlsruhe ausgesprochen klug.
    Die Richter haben einmal gesagt, es muss jetzt schnell passieren. Wir haben ja Modelle, die auf dem Tisch liegen. Da geht es dann um die politische Verständigung. Aber wenn es passiert ist, dann habt ihr noch die fünf Jahre Zeit, um es umzusetzen. Es gibt alle Optionen, es liegen jetzt alle Optionen auf dem Tisch, und das muss relativ zügig gehen.
    "Es geht um diese 14 Milliarden - mehr nicht"
    Zerback: Dass die Grundsteuer reformiert wird, das finden ja alle irgendwie überfällig. Sie auch als Stimme der Städte. Nur der Steuerzahler, der könnte tatsächlich der Dumme sein? Der könnte draufzahlen?
    Dedy: Da muss man unterscheiden. Wir wollen in der Summe Aufkommensneutralität. Klingt technisch, heißt aber, dass die Städte und Gemeinden in Deutschland sagen, wir wollen das Geld aus der Grundsteuer haben, was wir bisher auch bekommen. Das sind diese 14 Milliarden, von denen gerade schon die Rede war.
    Zerback: Um mehr geht es Ihnen nicht?
    Dedy: Um mehr geht es mir nicht.
    Zerback: Aber um weniger auch nicht?
    Dedy: Um weniger auch nicht. Es gibt Aufkommensneutralität. Das war eigentlich immer die Spielregel in der ganzen Veranstaltung.
    Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages
    Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages (imago stock&people)
    "Verschiebungen innerhalb des Systems wird es geben"
    Zerback: Aber das wird jetzt unterschiedlich verteilt. Das heißt, der eine könnte mehr zahlen, der andere weniger.
    Dedy: Genau. Das ist die Auswirkung davon. Wenn ich ein System als ungerecht empfinde und ich will es umgestalten, oder ich muss es umgestalten in diesem Fall, dann wird das natürlich nicht für jede Steuerzahlerin, für jeden Steuerzahler exakt dort landen, wo wir bisher gelandet sind. Verschiebungen innerhalb des Systems wird es geben und die Ausmaße dieser Verschiebungen und die Frage, wen trifft es denn, das hängt maßgeblich von den einzelnen Modellen ab.
    Zerback: Die Sorge, die ich gerade in meiner Frage formuliert habe, die kommt gar nicht von mir, sondern die kommt vom Präsidenten von Haus und Grund. Der hat gestern Abend bei uns im Programm (Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund) gesagt, das könnte echt sein, dass die Städte das nutzen, um jetzt noch mal richtig Kasse zu machen.
    Die Sorge, die wollen Sie ihm nehmen und sagen, wie das Ganze jetzt ausgestaltet wird, das hängt am Reformmodell. Wer belastet wird, das hängt am Reformmodell. Das Modell, das die meisten Länder wollen, das orientiert sich am Verkaufswert von Grundstücks- und Gebäudegrößen. Wir haben gerade mal die drei verschiedenen Denkanstöße in dem Bericht gehört. Heißt unterm Strich doch aber: Kölner, Münchener, Hamburger, die trifft es dann besonders, vor allem Städte mit knappem Wohnraum?
    Dedy: Erst mal zu Haus und Grund. Die haben ja auch gesagt, das steigt um das vierzigfache. Auf Deutsch: Das ist Blödsinn. Damit würde ich mich gar nicht auseinandersetzen wollen. Wir gehen von Aufkommensneutralität aus in der Summe. Das ist die Zielsetzung.
    Dann die Frage, wen trifft es. Je nach Modell ist es so, wie Sie gerade gesagt haben. Es kommt darauf an, wie werthaltig ist etwas, und natürlich ist etwas im Zentrum von Köln werthaltiger oder fast immer werthaltiger als irgendwo in einer ländlichen Region.
    Dann kommen aber die Städte ins Spiel. Die Grundsteuer hat einen Hebesatz. Das heißt, die Stadt Köln kann dann sagen, ich gestalte den Hebesatz so, ich gestalte ihn so. Da hat die Stadt es in der Hand und von daher würde ich erst mal jetzt nicht zur Panikmache raten, sondern würde erst mal sagen, lassen wir uns auf ein System verständigen, und dann braucht das System – das ist auch bisher so vorgesehen – Stellschrauben, damit angemessene Lösungen gefunden werden können.
    "Es gibt die Lebensklugheit vor Ort"
    Zerback: Ganz ohne Panik, Herr Dedy. Aber gibt es denn da ein Signal, um Immobilienbesitzer, aber auch Mieter zu beruhigen, dass die Städte sagen, wir erhöhen auf jeden Fall nicht, oder federn das mit diesem Hebesatz, wie Sie sagen, ab?
    Dedy: Es gibt kein politisches Signal in dem Sinne, dass ich Ihnen jetzt sagen kann, die Städte werden das und das tun. Aber es gibt natürlich die Lebensklugheit auch vor Ort. Keine Stadt ist interessiert, dass Wohnen in zentralen Lagen noch teurer wird. Also werden die ihre Lösungen finden, um damit vernünftig umzugehen. Ich würde sehr dazu raten, wir schauen jetzt mal nach einem System, das den Anforderungen Karlsruhes entspricht, also gerechter, fairer, und dann müssen wir uns mit den Stellschrauben auseinandersetzen, die da drin sind.
    Zerback: Was Sie da so als lebensklug beschreiben, das war aber in der Vergangenheit doch genau anders. Besonders hoch war da die Grundsteuer in der Vergangenheit in besonders klammen Kommunen. Das ist doch dann in meinen Ohren das Gegenteil von lebensklug, weil das heißt doch, dass genau dort die Mieten steigen.
    Dedy: Wir hatten einige Fälle, in denen die Grundsteuer rasant gestiegen ist. Das ist richtig. Das sind die Städte, die in strukturschwachen Regionen oder strukturschwachen Lagen sind, und die haben, weil sie keine andere Chance hatten. Sie konnten nur über die Gewerbesteuer oder die Grundsteuer agieren. Sie haben entsprechend dann Steuern erhöht. Das ist zutreffend. Das ist aber eine Hand voll von Städten, das ist nicht die große breite Masse in Deutschland.
    Zerback: Da war ich zu ungeduldig, weil tatsächlich ist es ja so, dass die Kommunen das Geld auch anders bekommen könnten, zum Beispiel direkt vom Bundesfinanzminister. Wie wäre es denn mit der Idee? Warum muss Wohnen überhaupt besteuert werden?
    Dedy: Wohnen wird nicht besteuert.
    "Die Grundsteuer ist eine kluge Steuer"
    Zerback: Über die Hintertür ja schon.
    Dedy: Es wird Grundeigentum besteuert, und das ist auch klug. Die Grundsteuer ist eine kluge Steuer. Sie ist konjunkturunabhängig, das ist gut. Sie ist nicht gestaltbar und Sie können nicht ausweichen. Selbst der klügste Rechtsanwalt trägt Ihnen das Grundstück nicht irgendwo in die Karibik. Das geht nicht. Und das, was damit finanziert wird, das trägt natürlich auch zur Werterhaltung des Grundstücks bei. Wir finanzieren damit Infrastruktur, wir finanzieren damit natürlich Schulen und Kitas. Das was die Grundsteuer finanziert, das ist Infrastruktur vor Ort, und das ist natürlich das, was jedes Grundstück braucht, damit ich es vernünftig nutzen kann und damit ich es gegebenenfalls auch vermieten kann.
    Zerback: Dann könnte man ja sagen, dann müsste man das auch genau an diese Leistungen koppeln. Nur dann zahle ich eine höhere Grundsteuer, wenn die Kommune meine Grundsteuer auch tatsächlich für eine Verbesserung der Infrastruktur ausgibt.
    Dedy: Jetzt kommen wir in die Systemfrage. Steuern sind per se nicht zweckgebunden. Ich weiß nicht, ob uns das jetzt weiterhilft. Ich würde gerne im Steuersystem bleiben, eine freie Finanzierung, eine freie Grundsteuer, so wie wir sie jetzt auch haben, zur Verwendung, und ich würde gerne dafür sorgen, dass es in den Städten Stellschrauben gibt, Möglichkeiten gibt, den örtlichen Bedarfen Rechnung zu tragen. Und diese sind in dem jetzigen System, vor allem in dem Bundesratssystem angedacht. Da müssen wir jetzt ran, das müssen wir schnell machen, und vielleicht ist Meseberg ja sogar noch eine Chance, da ein Signal auszusenden.
    "Auch Mieter haben etwas von der Infrastruktur"
    Zerback: Wir warten stündlich auf Signale aus Meseberg. Wir haben aber bislang schon ein Signal vom Mieterbund. Der fordert nämlich, es sollten nur Eigentümer belastet werden, damit gerade die Grundsteuer nicht auf Mieter umgelegt wird, sondern wirklich nur auf die, die tatsächlich Eigentum besitzen. Wie wäre es denn mit dem Vorschlag?
    Dedy: Ja, ich denke, dass jetzt alle mit ihren Interessenlagen noch mal ein bisschen auf den Markt kommen.
    Zerback: Sie ja auch.
    Dedy: Ich bin ein bisschen zurückhaltend, was das angeht. Man wird sich das im Detail angucken müssen. Auch Mieter, die in einem Gebäude leben, haben was von der Infrastruktur. Es ist nicht so, dass das nur der Interessenlage des Grundstückseigentümers Rechnung trägt, sondern es trägt auch der Interessenlage der Menschen Rechnung, die dort leben. Auch der Mieter, die Mieterin hat was davon. So ganz einleuchtend ist das für mich noch nicht.
    Zerback: Ich möchte noch mal Haus und Grund zitieren. Die sagen unter anderem auch, dass Sie jetzt sagen, wir möchten unbedingt weiter diese 14 Milliarden bekommen, das bräuchte es gar nicht. Die Frage ist gerade ein bisschen im Eifer des Gefechts untergegangen, weil das könnten Sie doch auch mit den zehn Milliarden verrechnen, die der Bund überschüssig im Haushalt hat. Was ist denn damit?
    Dedy: Ja, Sie können immer in diese Position gehen und sagen, irgendwo kommt das Geld doch her, aber bitte nicht von mir. Das halte ich politisch für keine tragfähige Haltung. Wir brauchen die Möglichkeiten zu finanzieren. Wir haben einen Infrastrukturbedarf, eine Lücke von 126 Milliarden – sagen nicht wir, sagt die KfW in Berlin -, und das müssen wir ausfinanzieren. Das heißt, da ist noch jede Menge zu tun, und wenn Sie in die Städte schauen, wenn Sie sich angucken, was im ÖPNV passieren muss, was bei Schulen, bei Kitas passieren muss, dann sehe ich im Moment nicht, dass wir sagen sollten, wir lassen diese Steuer fallen.
    "Wir brauchen diesen Steuermix"
    Zerback: Die klammen Kommunen lösen ihre Finanzprobleme mit dem Geld der Immobilienbesitzer?
    Dedy: Nein! Die lösen ihre Finanzprobleme nicht. Das macht auch keinen Sinn so. Sie lösen ihre Finanzprobleme damit, dass wir einen vernünftigen Steuermix haben, und in diesem Steuermix ist die Grundsteuer zehn Prozent, 13, 14 Prozent, glaube ich. Das ist die Größenordnung. Diesen Steuermix, den brauchen wir. Wir brauchen die Steuer von den Einkommenssteuerzahlern, wir brauchen das Gewerbe und wir brauchen Grund und Boden, und alle drei haben was davon. Alle drei haben was davon, weil wir damit Infrastruktur finanzieren. Das würde ich nicht mal eben so en passant unter den Tisch fallen lassen wollen.
    Zerback: Nun kann es ja doch sein, dass es anders kommt, dass am Ende keine 14 Milliarden mehr für die Städte rauskommen. Haben Sie da eigentlich schon einen Plan B für in der Tasche, um das auszugleichen?
    Dedy: Nein, wir haben keinen Plan B. Wir gehen bisher davon aus, dass die gleiche Summe rauskommt. Das war die Verhandlungsgrundlage auch für die Länder. 14 Länder haben ja ein Konzept gefunden, zwei fehlen noch, und da ging es immer auch um Aufkommensneutralität. Wenn das nicht kommen sollte, hätten wir ein Problem, aber das lösen wir dann, wenn es auf dem Tisch liegt, nicht heute.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.