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Grundsteuer mit "Öffnungsklausel"
"Kompromiss, mit dem alle leben können"

Im Streit von Union, SPD und den Bundesländern um die Reform der Grundsteuer könnte mit der sogenannten Öffnungsklausel eine Einigung erzielt werden. Die Forderung der Bundesländer nach solch einer Ausnahmeregelung sei verständlich, sagte Kai Warnecke, Präsident von Haus und Grund Deutschland, im Dlf.

Kai Warnecke im Gespräch mit Christine Heuer |
Kai Warnecke, Präsident des Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer (Haus & Grund)
Kai Warnecke, Präsident des Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer (Haus & Grund) (picture alliance / dpa / Uli Deck)
Eine Öffnungsklausel ermöglicht es Bundesländern wie Bayern, eine Grundsteuer zu erheben, die sich pauschal an der Fläche des Grundstücks orientiert. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) plädiert dagegen dafür, die Abgabe auf der Basis von Faktoren wie dem Wert des Bodens und der Durchschnittsmiete zu berechnen.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Reform der Grundsteuer bis Ende 2019 gefordert. Bei dem Urteil gehe es darum, die Bürger innerhalb einer Kommune gleich zu behandeln. Dies sei mit dem Kompromiss möglich. Auch weiterhin werde aber Unterschiede zwischen den Kommunen, weil diese die sogenannten Hebesätze für die Grundsteuer, welche die Höhe beeinflussen, selbst bestimmen würden.
Warnecke lehnt Mietendeckel ab
Ein Mietendeckel, wie von der SPD gefordert, lehnt Wahrnecke ab. Er hoffe, dass sich alle Beteiligten möglichst schnell zurück auf eine Sachdebatte bewegen würden. Der Deckel sei keine Lösung, denn überall, wo es ihn gebe in Europa, sei der Mietwohnungsmarkt zusammengebrochen. Wer meine, mit solchen Ideen dem Mieter helfen zu können, der habe keine Ahnung von Wohnungspolitik, so Warnecke.

Das komplette Interview zum Nachlesen:
Christine Heuer: Wir sind jetzt verbunden mit Kai Warnecke, er ist Präsident von Haus & Grund. Guten Morgen, Herr Warnecke!
Kai Warnecke: Guten Morgen, Frau Heuer!
Heuer: Ein Bundesgesetz, an das die Länder sich dann aber gar nicht halten müssen – wäre das die Lösung im Streit um die Grundsteuer?
Warnecke: Es klingt fast so. Schön ist die Situation so natürlich nicht, wenn man aber betrachtet, was Olaf Scholz jetzt in immerhin drei Versuchen vorgelegt hat, dann habe ich absolutes Verständnis dafür, dass die Länder sagen, wir brauchen hier eine Ausnahmeklausel für uns, die es uns ermöglicht, etwas Besseres, etwas Günstigeres und für den Bürger auch Verständlicheres auf den Tisch zu bringen. Da die Grundsteuer eben in den einzelnen Kommunen gezahlt wird, wird es für den Bürger auch nicht schädlich sein. Deswegen glaube ich, es ist ein Kompromiss, mit dem alle letztlich leben können.
Heuer: Interessant. Was würde das denn in der Praxis bedeuten, wenn so ein Flickenteppich aus Verordnungen und Gesetzen über das Land gezogen wird?
Warnecke: Es wird letztlich den einzelnen Bürger, der an einem Ort lebt, nicht weiter treffen. Spürbar wird es vor allen Dingen dadurch, dass in den Ländern, in denen wir eine einfache Grundsteuererhebung haben – zum Beispiel durch das Flächenmodell, Aufkommensneutralität – bedeutet, dass wir nicht noch einen riesengroßen Apparat an Verwaltungsbeamten, die die Steuer auch erheben, bezahlen müssen. Es bedeutet, dort, wo das Scholz-Modell angewandt wird, wird die Grundsteuer im Zweifel wesentlich höher sein als in den Ländern, wo es nicht angewandt wird.
Heuer: Genau, und wer eine Immobilie kaufen oder bauen will, der tut das ab jetzt am besten in Bayern, ja?
Warnecke: Das ist sicherlich ein Punkt, wo ich sagen würde, es gibt noch andere Gründe, sich den Standort einer Immobilie auszusuchen, aber nein, es ist tatsächlich die Frage: Was will man mit der Grundsteuer erreichen? Und der Kern muss doch sein, dass eine Kommune eine ordentliche Finanzgrundlage hat. Das steht, glaube ich, völlig außer Frage. Es ist aber schon ein Irrweg, den Herr Schneider eben in dem Beitrag angesprochen hat, zu sagen, er möchte hier eine Vermögensbesteuerung einführen. Das ist eine politische Maßnahme, die mit der Grundsteuer eigentlich nichts zu tun hat. Und wenn es dann auch noch darum geht, möglichst viele Finanzbeamte in Deutschland durchzufüttern, dann, denke ich, ist das kein Ziel, das mit der Grundsteuer verfolgt werden sollte.
Heuer: Also dass Haus & Grund, Sie vertreten ja die Immobilienbesitzer, dass die jetzt kein Freund sind von Olaf Scholz' wertabhängigen Modell, das wissen wir. Trotzdem, wenn ich das richtig erinnere, Herr Warnecke, dann hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, die Grundsteuer muss reformiert werden, weil sie veraltet ist und auch zu ungleich in der Republik. Wenn die Regierung jetzt diese Öffnungsklauseln, also den Flickenteppich beschließt, dann ändert sich daran doch überhaupt nichts.
"Bürger innerhalb einer Kommune gleich behandeln"
Warnecke: Die Ungleichheit bezieht sich im Verfassungsgerichtsurteil aber auf Immobilien innerhalb einer Kommune. Es ist konkret gewesen unter anderem ein Fall in Berlin, wo zwei identische Häuser mit völlig unterschiedlichen Grundsteuern belegt worden sind, und das ist letztlich der Ausgangspunkt, den das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat. Es geht also darum, die Bürger innerhalb einer Kommune gleich zu behandeln. Über die Kommunengrenzen hinweg und Städtegrenzen hinweg findet ohnehin keine Gleichbehandlung statt, da den größten Unterschied die Hebesätze der Kommunen ausmachen. Das heißt, wer in einer Kommune lebt, wo die Gemeinde einen niedrigen Hebesatz hat, wird auch in Zukunft wenig Grundsteuer bezahlen, und dort, wo die Kommune einen sehr hohen Hebesatz hat oder gar vom Land angeordnet einen sehr hohen und extrem hohen Hebesatz nehmen muss, wird viel bezahlt.
Heuer: Was passiert denn dann mit den Mieten, auch im Vergleich, sagen wir mal, zwischen Bayern und Berlin? Wo steigen die denn dann?
Warnecke: Am härtesten betroffen werden sicherlich Menschen sein in Gebieten, die heute extrem beliebt sind und die vor einigen Jahren noch nicht so beliebt waren. Das sind, wenn man Berlin anguckt, vor allen Dingen die Regionen wie Friedrichshain oder Berlin-Neukölln. Das sind genau die Ecken, die von dem Scholz-Modell besonders hart betroffen sein werden, weil dort natürlich die Bodenrichtwerte eingehen, und das führt dazu, dass im Vergleich zur heutigen Bewertung, die vielleicht in Ostberlin aus dem Jahr 1938 dann entsprechend stammt, ein extrem hoher Wertansatz vorgenommen wird. Das heißt, dort wird der Sprung von der jetzt noch geltenden Grundsteuer auf die neue Grundsteuer mit Abstand am größten sein.
Heuer: Das heißt also, in Regensburg bleiben die Mieten stabil und in Berlin-Friedrichshain schießen sie in die Höhe?
Warnecke: Die Mieten werden sich sicherlich nicht so verändern, aber die Grundsteuerbelastung wird genau so sich ändern, wenn das Scholz-Modell in seiner jetzigen Form kommt. Das sieht ja auch unter anderem sogar noch einen Zuschlag für besondere hohe Bodenrichtwerte in Großstädten vor. Das heißt, Herr Scholz hat eine spezielle Verteuerungskomponente gerade für Ecken wie Friedrichshain und Neukölln.
Heuer: Also für Ballungsräume und da noch mal für die attraktiven Wohnlagen. Aber die Vermieter liegen ja die Grundsteuer auf die Mieter um, Herr Warnecke.
Warnecke: Das ist völlig richtig. Die Grundsteuer ist ein Beitrag aller Bürger, die in einer Kommune leben, für die Leistungen, die die Kommune den Bürgern erbringt, also das Schwimmbad, die Straße, die Straßenbeleuchtung, die Blümchen, die am Straßenrand stehen. All das sind Dinge, die durch die Grundsteuer finanziert werden, und die muss von allen Bürgern einer Kommune bezahlt werden. Leider ist es so, dass die Kommunen nicht bereit sind, auch bei den Mietern die Grundsteuer zu erheben, sondern es wird eben über den Umweg, über den Gebäudeeigentümer gemacht. Wir sind auch nicht glücklich damit, dass wir vom Staat eingebunden werden als Eigentümer, die Grundsteuer bei den Mietern einzutreiben.
Heuer: Wenn ich die SPD wäre, würde ich als nächstes mal vorschlagen, dass wir das verbieten, dass die Grundsteuer auf die Mieter umgelegt werden darf. Was würden Sie dann machen? Dann würden Sie sagen, jetzt reicht es, oder?
Warnecke: Selbstverständlich. Es ist eine Steuer, die dazu dient, die Kommunen zu finanzieren. Es gibt Menschen, alle Menschen in den Kommunen, die nutzen die kommunalen Einrichtungen, und andere nicht. Das hat aber nichts damit zu tun, ob jemand Mieter oder Eigentümer in einer Kommune ist, im Gegenteil, der Eigentümer mag ja gar nicht in der Kommune wohnen, wenn das Haus vollständig oder die Wohnung vermietet ist. Insofern, das unterliegt immer dieser SPD-Idee, dass alle Mieter bettelarm und alle Eigentümer sehr reich sind. Das ist so weit an der Realität vorbei, dass man sagen muss, es ist ein typischer SPD-Vorschlag und man sieht, wo die SPD heute in den Wahlumfragen steht.
Heuer: In Berlin will man jetzt einen Mietendeckel einführen, Haus & Grund hat dazu aufgerufen, deshalb schnell noch mal die Mieten zu erhöhen. Wie ist die Resonanz? Machen das jetzt viele Vermieter?
Warnecke: Ich glaube, dass dieser Aufruf unseres Landesverbandes hier in Berlin ein bisschen zu sehen ist im Rahmen der sehr, sehr scharfen Diskussion, die wir in Berlin über den Wohnungsmarkt haben. Hier haben viele Beteiligte, wenn nicht gar alle Beteiligten mittlerweile den Boden der Sachlichkeit verlassen und es ist eine sehr polemische, eine populistische Diskussion, die hier am Werke ist. Fakt ist, dass Frau Lompscher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in der Lage sein wird, einen Mietendeckel auf den Weg zu bringen für Berlin. Es wird also aller Wahrscheinlichkeit nach keinen legalen Mietendeckel in Berlin geben. Und deswegen kann man da einigermaßen beruhigt sein, sowohl Vermieter als auch Mieter. Ich hoffe, dass sich alle Beteiligten möglichst schnell zurück auf eine Sachdebatte bewegen.
Heuer: Ja, das sieht nicht so aus. Die SPD findet die Idee ja jetzt für ganz Deutschland gut.
"Keine Ahnung von Wohnungspolitik"
Warnecke: Ja, das ist eine Idee, die Thorsten Schäfer-Gümbel mit auf den Weg gebracht hat. Ich glaube, er hat drei Landtagswahlen in Hessen auch mit dieser Idee verloren. Es ist keine Lösung, ein solcher Mietendeckel. Überall dort, wo wir ihn in Europa hatten, hat er dazu geführt, dass letztlich über kurz oder lang der Mietwohnungsmarkt völlig zusammengebrochen ist, er hat dazu geführt, dass es kaum noch Mietwohnungen gibt, die Wohnungen wurden alle zu Eigentumswohnungen und dann verkauft. Wer mit solchen Ideen meint, Mietern entgegenkommen zu können, der hat wirklich keine Ahnung von Wohnungspolitik.
Heuer: Trotzdem habe ich Sie so verstanden, Herr Warnecke, dass Sie zu ein bisschen mehr Gelassenheit aufrufen. Das heißt, Sie sind dafür, dass die Vermieter jetzt die Mieten nicht so hoch setzen?
Warnecke: Die privaten Eigentümer sind die, das hat zuletzt auch wieder das Statistische Bundesamt vorgerechnet, die die Mieten am niedrigsten halten, bei denen die Mieten sich in den letzten Jahren am wenigsten zehn Jahren am wenigsten nach oben entwickelt haben. Die Mieten sind niedriger als bei Genossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen. Und ich glaube, jeder, der niedrige Mieten und bezahlbares Wohnen in Deutschland haben möchte, der sollte sich für private Vermieter einsetzen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.