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Grundstücksstreit auf Zypern

Immer mehr türkisch- und griechischstämmige Zyprer, die nach der Spaltung der Insel in den jeweils anderen Teil Zyperns geflohen waren, klagen vor den Inselgerichten auf Rückgabe ihres Grundbesitzes. Der Europäische Gerichtshof hat nun in einer Klage auf Schadensersatz entschieden - und das trifft vor allem Ferienhauskäufer.

Von Doris Simon |
    Wer im Internet nach Lapithos sucht, stößt schnell auf Fotos von malerischen, blumenumrankten Häusern, unter strahlendem Himmel und vor blauen Pools. In dem Ort im Norden Zyperns lebten vor dem Krieg griechische und türkische Zyprioten friedlich zusammen, heute heißt das Dorf auf türkisch Lapta und in den Häusern wohnen türkische Zyprioten - oder Ausländer, die das schöne Wetter und die billigen Grundstückspreise nach Nordzypern gelockt haben.

    So wie Linda und David Oram, Rentner aus East Sussex in England. SIe haben in Lapithos vor sieben Jahren für 50.000 Pfund ein Grundstück gekauft und für 160.000 Pfund dort ein Ferienhaus mit Swimmingpool und Gartenanlagen bauen lassen. Doch der südliche Traum der Orams hat einen Haken: Das Gründstück, auf dem ihr Ferienhaus steht, gehört Meletis Apostolides. Im Krieg musste er als Kind mit seiner Familie fliehen, 35 Jahre ist das her. Vor sechs Jahren, als das harte Grenzregime ein wenig gelockert wurde, konnte der Architekt erstmals wieder in seinen Heimatort fahren. Er klingelte an seinem Elternhaus, die neuen Bewohner öffneten, es waren türkische Zyprer. Gemeinsam trank man Tee.

    "Ich konnte es verstehen, dass da jemand in meinem Haus wohnt, nach der abnormalen Situation all die Jahre. Außerdem gehören die Bewohner zu einer Familie, die schon lange in unserem Dorf lebt. Als ich da war, sah ich die Kinder der neuen Bewohner, die sind da geboren. Das ist ein ganz komisches Gefühl, die sehen das auch als ihr Haus. Auch wenn wir alle wissen, wie es dazu gekommen ist."

    Kein Verständnis hatte Meletis Apostolides allerdings für die neue Ferienresidenz mit Schwimmbad, die sich die Orams auf dem früheren Feld der Familie gebaut hatten. Apostolides verklagte die englischen Rentner vor dem Bezirksgericht in Nikosia und gewann. Die Orams wurden zur Räumung des Grundstücks und zu Entschädigung verurteilt.

    Doch weil Gerichtsurteile der Republik Zypern im türkischen Norden ignoriert werden, zog der Kläger vor ein Londoner Gericht und verlangte die Konfiszierung des Hauses der Rentner in East Sussex: Innerhalb der EU ist dies möglich. Doch die Verteidigung der Orams, darunter Cherie Blair, die Frau des früheren britischen Premiers, behauptete das Gegenteil mit der Begründung, der Norden Zyperns gehöre nicht mit allen Rechten und Vorschriften zur EU.

    Doch der Europäische Gerichtshof hat gestern entschieden, dass die tatsächliche Vollstreckbarkeit des Urteils im türkischen Norden keine Voraussetzung ist für die Vollstreckung der Forderung innerhalb der EU. Andreas Mavrogiannis, der EU-Botschafter Zyperns:

    "Für uns ist diese Entscheidung sehr wichtig, und sie bestätigt und rechtfertigt unsere alte Position, dass grundlegende Bürgerrechte wie das Eigentumsrecht durch die Teilung unseres Landes nicht berührt werden."

    Das britische Rentnerehepaar beteuert, sie hätten in gutem Glauben in Lapithos gekauft und gebaut und nie gewusst, dass das Grundstück nicht dem Verkäufer gehörte - der ist bis heute übrigens unbekannt. Dabei warnen überall im griechischen Teil Zyperns, auf den Flughäfen und an den Übergängen in den anderen Landesteil, auffällige Schilder vor Grundstückskäufen im Norden, klären über die Eigentumsproblematik auf. Achtzig Prozent des Landes im Norden waren früher einmal in griechischem Besitz. Doch die niedrigen Preise wiegen oft stärker als die Zweifel, und so kaufen nach wie vor vor allem Briten, aber auch Deutsche, gerne im türkischen Inselnorden ein Ferienhaus. Andreas Mavrogiannis, der Repräsentant Zyperns bei der EU, warnt, diese Käufer gingen angesichts häufig gefälschter Papiere ein grosses Risiko ein:

    "Wir können heutzutage wirklich nicht mehr von gutem Glauben und Legalität sprechen, wenn Leute Grundstücke erwerben, die anderen gehören. Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert , diese Rechte sollten geachtet werden."

    Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes dürfte auch die laufenden Verhandlungen auf Zypern nicht erleichtern: Schließlich ist die Eigentumsfrage der schwierigste Punkt bei den Gesprächen zwischen den Führern der griechischen und türkischen Gemeinschaft über die Annäherung der beiden Inselhälften. Die Republik Zypern, der anerkannte griechische Süden, will es den Bürgern freistellen, im Falle einer Wiedervereinigung in ihre Häuser in den Norden zurückzukehren.

    Doch im Norden, wo viele Menschen in früher griechischen Häusern leben und zudem Angst haben, in ihrem Landesteil wieder zur Minderheit zu werden, sind die Verantwortlichen gegen die Rückgabe zustimmen, sie wollen nur entschädigen.

    Meletis Apostolides Klage in Großbritannien dürften nun viele andere folgen. Für Ferienhausbesitzer in Zyperns Norden bricht in jedem Fall eine ungemütliche Zeit an.