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Grusel-Game
Ein unheimliches Hotel als Star

Gehen, Schauen, Zuhören: Sehr viel mehr kann man im Computerspiel "The Suicide of Rachel Foster" nicht machen. Trotzdem erzählt das Spiel eine atmosphärische Grusel-Geschichte – die sich leider am Ende verstolpert.

Von Christian Schiffer |
Ein langer unheimlicher Flur in einem Hotel
Der Hotelflur - ein unheimlicher Weg zu den düsteren Schatten der Vergangenheit (ONE-O-ONE GAMES)
"The smell… It’s all I remember from the night we departed ten years ago…"
1993, Montana USA, ein Familienhotel. Eine Mischung aus dem Hotel, in dem George Michael in dem Musikvideo zu Last Christmas herumturtelt - und dem aus Shining. Wir schlüpfen in die Haut der selbstbewussten Nicole, die hier ihre Kindheit verbracht hat und nun zurückkehrt. Das Hotel hat sie als Kind mit ihrer Mutter Hals über Kopf verlassen, als herauskam, dass ihr Vater eine Affäre mit einer Teenagerin hatte.
Das Mädchen beging kurz darauf Suizid. "The Suicide of Rachel Foster" dreht sich also um eine Geschichte, die so traumatisch ist, dass man sie gerne verdrängt. Aber genau das geht jetzt nicht mehr. Jetzt da beide Eltern tot sind und Nicole in diesem Hotel eingeschneit wurde. Dabei wollte sie nur kurz rein, es mit einem Anwalt schätzen lassen und dann schnell raus, um es zu verkaufen. Doch jetzt ist sie hier alleine. Nur sie, Dosensuppe und die düsteren Schatten der Vergangenheit.
Was geschah wirklich mit Rachel Foster?
"My old room, it’s exactly like I left it. Lennard cleaned it but he didn’t touch a thing…"
"Same as you left it. How does that make you feel?"
Da ist dieser sympathische Typ von dieser Behörde, der sie anruft und mit dem sie Kontakt hält über ein Mobiltelefon, das so groß ist wie eine Schuhschachtel, denn, wir erinnern uns: Es ist das Jahr 1993. Und er ist nicht der einzige, der im Hotel anruft:
"Yeah? Hello?"
"Listen don’t sell the Hotel. Rachel is still there. Don’t sell the Hotel!"
Eine fesselnde, ein wenig verstörende Geschichte
Und spätestens jetzt wird es unheimlich: Ist Rachel also vielleicht noch am Leben? Was sind das für komische Geräusche? Was verbirgt sich hinter der verriegelten Tür oben im zweiten Stock? Und vor allem: Was genau geschah wirklich an jenem verhängnisvollen Weihnachtsabend, an dem das ganze Unglück seinen Lauf nahm?
The Suicide of Rachel Foster" ist ein sogenanntes "Narrative Adventure", manche sagen auch etwas despektierlich "Walking Simulator" dazu, mit dem Ziel sich über dieses Genre lustig zu machen. Der Spieler steuert Rachel aus der Ego-Perspektive. Die Interaktionsmöglichkeiten beschränken sich im Großen und Ganzen auf Gehen, Anschauen und Zuhören. Genug für das italienische Entwicklerteam, um eine zumindest phasenweise interessante, fesselnde und ja, auch eine ein wenig verstörende Geschichte zu erzählen.
"Where is the sound coming from?"
"I don´t hear anything"
Verkorkstes Ende
Dabei ist der eigentliche Star des Spiels das Hotel. Wer als Kind gerne in den Winterferien mit den Eltern gleich nach der Ankunft auf Entdeckungsreise durch jeden Winkel des Hotels schlich, fühlt sich gleich willkommen. Hinzu kommt der Grad an Details: Klar, man muss das nicht tun, aber wer will, kann in "The Suicide of Rachel Foster" beträchtliche Zeit mit dem Lesen von Buchrücken oder den Zutatenlisten von Cerealien-Packungen verbringen. Und dann sind da noch die hervorragend geschriebenen und vertonten Dialoge und das gelungene binaurale Sounddesign, 3D quasi für die Ohren.
Das alles macht "The Suicide of Rachel Foster" zu einem kleinen, eleganten und raffinierten Computerspiel – das aber tragischerweise das letzte Drittel verstolpert mit einem zu gezwungenen und zu effekthascherischen Ende. Trotzdem hallt das Spiel im Spieler nach. Fast wie die knarzenden Dielen in einem verwitterten Hotel.