Da sitzen sie nun gemeinsam vereint in einem Raum an einem langen Tisch – Vertreter von Umweltschutz, Politik und Miesmuschelfischern. Alle betonen sie, dass so eine Zusammenkunft in solcher Runde und so friedlicher Stimmung schon etwas Besonderes sei – und bis vor Kurzem noch weit entfernt. Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Robert Habeck formuliert es so:
"Wenn man sich die Fischereien anschaut der Schleswig-Holsteinischen Küsten – Ostseefischerei, Krabbenfischerei, Muschelfischerei – und die jeweiligen Fragestellungen, die mit den Nutzungen der Meere verbunden sind, so kann man wahrscheinlich rückblickend sagen, dass der Konflikt zwischen Naturschutz und Muschelfischern der härteste von all den drei Fischereien war."
Erst ein Lernprozess habe im vergangenen Jahr zu einer Einigung geführt, so Habeck. Im Juli 2015 schlossen die hier Versammelten den "Frieden von Tönning" – und beendeten damit einen mehr als drei Jahrzehnte schwelenden Konflikt rund um die Miesmuschelfischerei im nördlichsten Bundesland der Republik.
Nun fahren sie die Ernte dieser Bemühungen ein. Und die kommt nicht in einer harten Muschel-Schale daher, sondern in einem Bilderrahmen. Es ist das blaue Gütesiegel für nachhaltige Fischerei vom unabhängigen Marine Stewardship Council, kurz MSC, das den Miesmuschelfischern an diesem Tag überreicht wird.
Planungssicherheit für 15 Jahre
Eine Zertifizierung, mit der sich die Meerestiere künftig besser verkaufen ließen, sagt Peter Ewaldsen, Geschäftsführer der Erzeugerorganisation Schleswig-Holsteinischer Muschelzüchter.
"Bisher konnte die Qualität alle anderen Bedenken des Verbrauchers zerstreuen. Der kam in den Laden und sagte, die Qualität will ich sehen. Und inzwischen ist es aber so, dass die Menschen mehr auf eine Siegelware achten. Und deswegen können wir uns dort nicht verschließen."
Zwei Jahre lang dauert das Heranwachsen der Miesmuscheln im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer. Erst dann sind sie groß genug, um gefischt zu werden und damit in den Konsum zu gehen. Mit dem Kompromiss – dem "Frieden von Tönning", stimmten die Miesmuschelfischer im vergangenen Jahr zu, ihre Flächen zu verkleinern. Kurzfristig habe das zwar keinen wirtschaftlichen Nutzen, langfristig werde es sich aber auszahlen, meint Peter Ewaldsen.
Durften er und seine Kollegen bis vor Kurzem noch auf 50 Prozent der Fläche des Nationalparks Wattenmeer fischen sind es nun nur zwölf Prozent. Auch die Fläche der Muschelkulturbezirke hat sich verkleinert - sie sinkt von 2.300 Hektar auf 1.700 Hektar.
Die Einigung schafft Planungssicherheit für 15 Jahre. Die nun überreichte MSC-Zertifizierung zeige: Die Miesmuschelfischer erfüllten den Standard der weltweit als der strengste für nachhaltige Fischerei gelte, sagt Vivien Kudelka, Fischereireferentin beim MSC in Deutschland:
"Was es auf jeden Fall für sie bringt ist, dass sie jetzt selbst dastehen und sagen, 'schaut her, wir arbeiten nachhaltig', sondern dass sie diesen Claim haben unabhängig verifizieren lassen. So ein bisschen, als wenn ich mein Auto zum TÜV bringe."
Eine besondere Rolle im Ökosystem Wattenmeer
Der MSC prüft bei der Zertifizierung drei Prinzipien: den Zustand des Bestands, das Ökosystem sowie das Management der Fischerei. Doch immer wieder wird die Aussagekraft des Siegels angezweifelt. Zum Beispiel jüngst in einer Studie des Kieler GEOMAR-Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung, die feststellte: Ein Teil der im MSC-Rahmen befischten Bestände war überfischt. Auch Greenpeace kritisiert das Siegel.
Nein, ganz schmerzfrei habe man die Rahmenvereinbarung nicht unterschrieben, räumt deshalb auch Ulrich Rösner ein vom Umweltverband WWF. Doch als entscheidende Bedingung für das MSC-Siegel sei ja festgelegt worden, dass die vereinbarte Verringerung der Miesmuschelfischerei auch umgesetzt werde.
Einer wirtschaftlicher Nutzung des Nationalparks Holsteinisches Wattenmeer will sich auch Detlef Hansen nicht gänzlich versperren. Er leitet die Nationalparkverwaltung und meint: Zwischen allen Beteiligten sei nun Vertrauen hergestellt worden – und das sei wichtig für den Schutz der Tiere. Die Miesmuschel habe im Ökosystem Wattenmeer eine besondere Rolle, so Hansen:
"Sie ist Filtrierer, sie wächst in großen Muschelbänken auf, filtriert Stoffe aus der Wassersäule, ist quasi eine Filteranlage und hat im Unterwasserbereich die Bedeutung einer Oase in der Wüste kann man fast sagen. Wenn sie mehrjährig ist, dann setzt sie sich zusammen aus vielen verschiedenen Organismen und sie ist ein sehr artenreicher Bestandteil des Nationalparks."