Es ist der 28. Juli 1999. Fode Tounkara und Yaguine Koita stehen auf dem Rollfeld am Flughafen von Conakry, der Hauptstadt Guineas. Fode, 14 Jahre alt, und Yaguine, 15 Jahre alt, haben sich von zu Hause weggestohlen. Woher sie die 100 Dollar haben, die sie jetzt auf dem Rollfeld einem Flughafenmitarbeiter zustecken, bleibt ungeklärt. Die Flucht planen sie seit Monaten, jetzt sehen sie das Flugzeug vor sich. Ein Airbus A330, Flug 520, Sabena Airlines Conakry-Brüssel. Der Flughafenmitarbeiter schleust die beiden Freunde heimlich in den Frachtraum des Fliegers.
Die Leichen der beiden werden erst drei Tage später gefunden.
Ein Brief als Weckruf an Europa
Die Geschichte von Fodé und Yaguine geht damals um die Welt. Nicht nur weil die beiden erst 14 und 15 Jahre alt waren. Auch, weil man bei ihren Leichen einen Brief fand:
"Exzellenzen, Damen und Herren, sehr geehrte Verantwortliche von Europa, wir haben die Ehre Ihnen im vollsten Vertrauen diesen Brief zu schreiben, vom Grund unserer Reise zu erzählen und unserem Leid, dem Leid der Kinder in Afrika."
So beginnt der Brief von Fode und Yaguine. Sie beklagen Armut und mangelnde Bildungschancen. Es gebe zwar ausreichend Schulen, aber der Unterricht sei schlecht.
"Wenn wir heute unser Leben riskieren, dann weil wir leiden. Wir wollen nur zur Schule gehen."
Der Brief endet mit den Worten: "Geschrieben von zwei Kindern aus Guinea, Yaguine Koita und Fodé Tounkara."
Der Brief ist ein verzweifelter Hilferuf, ein Weckruf für Europa. Und es ist ein Vorbote für die Millionen Menschen, die sich in den folgenden Jahren auf der Suche nach einer besseren Zukunft auf den Weg nach Europa machen werden.
"Exzellenzen, Damen und Herren, sehr geehrte Verantwortliche von Europa, wir haben die Ehre Ihnen im vollsten Vertrauen diesen Brief zu schreiben, vom Grund unserer Reise zu erzählen und unserem Leid, dem Leid der Kinder in Afrika."
So beginnt der Brief von Fode und Yaguine. Sie beklagen Armut und mangelnde Bildungschancen. Es gebe zwar ausreichend Schulen, aber der Unterricht sei schlecht.
"Wenn wir heute unser Leben riskieren, dann weil wir leiden. Wir wollen nur zur Schule gehen."
Der Brief endet mit den Worten: "Geschrieben von zwei Kindern aus Guinea, Yaguine Koita und Fodé Tounkara."
Der Brief ist ein verzweifelter Hilferuf, ein Weckruf für Europa. Und es ist ein Vorbote für die Millionen Menschen, die sich in den folgenden Jahren auf der Suche nach einer besseren Zukunft auf den Weg nach Europa machen werden.
Wie geht es den Eltern der verstorbenen Jugendlichen heute?
20 Jahre später treffe ich Liman Koita, den Vater von Yaguine. Ich will die Geschichte der beiden Kinder hören und wissen, was es mit einer Familie macht, ein Kind auf diese Weise zu verlieren. Liman Koita führt mich in ein nahegelegenes Straßencafé und zieht die Tür hinter uns zu. Er will in Ruhe erzählen können.
"An Fode und Yaguine zu erinnern, ihre Geschichte zu erzählen, ist uns Eltern ein wichtiges Anliegen."
Er erzählt von der Geburt Yaguines und von einer Scheidung. Er erzählt von Kinderkrankheiten, den Erinnerungen an seinen Sohn, von einer OP, weil Yaguine einen Darmverschluss hatte. Woran Eltern sich eben erinnern. Immer wieder bricht ihm die Stimme. Schließlich kommen wir an bei jenem 28. Juli 1999. Yaguine sagte, er wolle seine Großmutter in der Innenstadt besuchen. Liman Koita erzählt, wie er seinen Sohn am nächsten Tag abholen wollte, aber Yaguine nicht da war. Er erzählt, wie er die ganze Stadt abgesucht hat, bei Nachbarn und Bekannten fragte und dann erzählt er, wie er zu Hause einen Abschiedsbrief von Yaguine fand.
"Dort hieß es. Papa, bitte.... Entschuldigung. Bitte sorge dich nicht. Ich habe mit meinem Freund jemanden gefunden, der von uns beiden jeweils 100 Dollar haben wollte und der uns dafür nach Europa bringen will. Ich bin auf dem Weg. Ich habe die Nummer von Mama dabei."
Yaguines Mutter, die Exfrau von Liman Koita, lebte zu jener Zeit bereits in Frankreich.
"In dem Moment, als ich den Brief gelesen habe, wusste ich, dass es aus ist."
Eine Stunde lang erzählt Liman Koita. Dann schlägt er vor, die Mutter des anderen Jungen zu besuchen, der gemeinsam mit seinem Sohn im Frachtraum des Flugzeuges starb.
Fodés Mutter wohnt nur einige Minuten mit dem Auto entfernt. Es ist eine kleine Ansammlung flacher Betonhäuser. Wir setzen uns auf Plastikstühle vor eine der Hütten.
"An jenem Tag ist er zu mir gekommen. Er sagte: Mama, hier eine Kola-Nuss und 50 Franc. Fürs Frühstück."
Das war das letzte, was Damaye Kourouma von ihrem Sohn hörte.
"An jenem Tag ist er zu mir gekommen. Er sagte: Mama, hier eine Kola-Nuss und 50 Franc. Fürs Frühstück."
Das war das letzte, was Damaye Kourouma von ihrem Sohn hörte.
"Nicht noch mehr Mütter sollen mein Schicksal teilen"
Einige Tage später ruft mich Yaguines Vater an. Er habe ein Treffen mit Frauen, die erst kürzlich ihre Angehörigen auf dem Weg nach Europa verloren haben. Ob ich kommen möchte.
Die Frauen schildern, manche nüchtern, andere schluchzend. Eine Frau erzählt: "Ich habe meinen kleinen Bruder verloren. Er hieß Mohammed Diallo. Er war 22 Jahre alt. Er ist im Mittelmeer gestorben, auf dem Weg von Marokko nach Frankreich."
Die Frauen schildern, manche nüchtern, andere schluchzend. Eine Frau erzählt: "Ich habe meinen kleinen Bruder verloren. Er hieß Mohammed Diallo. Er war 22 Jahre alt. Er ist im Mittelmeer gestorben, auf dem Weg von Marokko nach Frankreich."
Auch Fatoumata Soumah hat ihren kleinen Bruder verloren. "Er ist über Algerien nach Libyen. Eines Tages rief er an, um zu sagen, dass er jetzt das Boot für die Überfahrt nach Europa nehmen würde. Nach drei Tagen haben seine Freunde angerufen, um zu sagen, dass Bashir tot ist. Er ist im Mittelmeer ertrunken."
Wieder eine andere hat seit zwei Jahren nichts mehr von ihrem Sohn gehört. Am Ende des Treffens hier in Conakry sagt eine der Frauen: "Wir wollen versuchen, die Leute zu informieren, damit nicht noch mehr Mütter mein Schicksal teilen müssen."