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Gurke, Tomate, Blattsalat - schuldig oder nicht?

Die Zahl der lebensgefährlichen Durchfallerkrankungen durch den EHEC-Erreger ist sprunghaft gestiegen. Wie das das Robert-Koch-Institut heute mitteilte, wurden insgesamt 470 Fälle gemeldet, bei denen sich die EHEC-Infektion zum hämolytisch-urämischen Syndrom erweitert hatte. Die Patienten leiden unter blutigem Durchfall, Blutarmut, Nierenversagen und müssen auf Intensivstationen behandelt werden. Bislang sind mindestens 15 Menschen daran gestorben. Noch immer ist der genaue Ursprung der EHEC-Infektionen unbekannt.

Von Marieke Degen |
    Christina Frank ist Epidemiologin am Robert-Koch-Institut in Berlin. Vor zwei Wochen kommt eine E-Mail aus Hamburg. In der Hansestadt sind ungewöhnlich viele Fälle von HUS aufgetreten, alle infolge einer EHEC-Infektion. Nur einen Tag später beginnen Christina Frank und ihre Kollegen mit der Spurensuche: in den Kliniken, direkt am Krankenbett der Patienten.

    "Es wird gefragt, haben Sie irgendwelche einzelne Gemüse gegessen, haben Sie Fisch gegessen, haben Sie alle möglichen Fleischsorten gegessen, Obst, Käse, und zwar immer wirklich sehr detailliert und dann wird auch immer gefragt, wo ist das eingekauft worden und haben Sie es im Restaurant gegessen. Und es wird aber auch offen gefragt, in den Tagen, bevor sie erkrankt sind, was ist da passiert, also ein normaler Arbeitstag, gab es einen Ausflug, gab es eine Familienfeier, also da wird erstmal sehr breit gefragt, um nach Hypothesen zu suchen."

    Die Patienten könnten sich in solchen Fällen immer sehr gut erinnern, was sie alles gegessen hätten, sagt Christina Frank. Die meisten haben schon tagelang darüber nachgedacht. Die Antworten seien daher sehr zuverlässig.

    "Spätestens am Ende des Samstags hatte sich da eigentlich ein relativ klares Bild herauskristallisiert, dass die Erkrankten alle sehr auf gesunde Ernährung achteten, und wir hatten das Gefühl, dass sie überdurchschnittlich viel rohes Obst und Gemüse und Salat aßen. Alles andere, was wir so auf der Liste hatten als die üblichen Verdächtigen, hat sich überhaupt nicht rauskristallisiert, also die aßen tendenziell sehr wenig Fleisch, auch nicht roh, aber auch bei Käse hat sich da kein klares Muster irgendwie ergeben."

    Das RKI hat inzwischen mehr als 50 Patienten befragt. Rohes Gemüse also, und Salat. Diese Lebensmittel waren schon öfter für EHEC-Ausbrüche verantwortlich. Aber die Forscher wollten das ganz genau abklären, in einer Fallkontrollstudie. Als Nächstes sind Christina Frank und ihre Kollegen in Hamburg ausgeschwärmt und haben gesunde Menschen nach ihren Essensgewohnheiten befragt - manchmal direkt auf der Straße, manchmal an der Haustür. Diese Kontrollpersonen mussten aus denselben Stadtteilen kommen wie die Kranken, und sie mussten Frauen sein. Schließlich hatten sich fast nur Frauen mit EHEC infiziert.

    "Und da stellte sich eben als deutlicher Unterschied heraus zwischen den Erkrankten und nicht Erkrankten, dieser Verzehr von insbesondere Tomaten, Salatgurken und Blattsalaten."

    Nicht alle, die an EHEC erkrankt sind, müssen zwangsläufig Gurken oder Salat gegessen haben. Es kann auch sein, dass sie sich bei anderen Patienten angesteckt haben. Teilweise seien ganze Haushalte infiziert. Aber es sei eben sehr wahrscheinlich, dass einer davon dann doch Gurken, Tomaten und Salat gegessen habe, sagt Christina Frank. Die Forscher fahnden jetzt mit Hochdruck nach der eigentlichen Quelle - dem Lebensmittel, das den Erregertyp O104 trägt.

    "Also wenn jetzt auf einem Lebensmittel wirklich dieser Erreger gefunden werden würde, dann wäre für uns wichtig, dass dieses Lebensmittel in Norddeutschland oder hauptsächlich in Norddeutschland in Vertrieb gewesen wäre und zum Beispiel nicht in Sachsen oder so, wo keine Fälle sind."

    Die Gurken aus Spanien sind jedenfalls nicht Schuld an der Epidemie, das hat jetzt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung bestätigt. Sie hatten zwar EHEC-Keimen auf der Schale, aber nicht den Typ O104.

    "Das heißt aber nicht, dass es nicht vielleicht andere Gurken, andere Tomaten oder Blattsalate gewesen sein könnte. Und wir können aus der Perspektive, wo wir uns um die menschlichen Krankheiten kümmern, eigentlich nichts anderes tun, als weiterhin gucken, können wir die neuen Fälle weiterhin mit diesen verdächtigen Lebensmitteln erklären. Und da haben wir im Moment keine Information, dass das nicht so wäre. Und wir haben eben auch keine Informationen über ein anderes Lebensmittel, was wir verdächtigen würden."

    Die Warnung vor Tomaten, Gurken und Salat bleibt also weiter bestehen. Und die Suche geht weiter. Christina Frank und ihre Kollegen hoffen jetzt, dass ihnen EHEC-Patienten aus dem Ausland weiterhelfen, die vielleicht nur eins, zwei Tage in Deutschland waren und sich angesteckt haben. Wenn die Forscher herausbekommen, wo die Touristen in diesem kurzen Zeitraum was gegessen haben, dann können sie die Suche vielleicht ein bisschen besser eingrenzen.