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Gurlitt-Erbe
Verhaltene Freude in Bern

Das Kunstmuseum Bern zeigte sich mehr als überrascht über das Erbe von Cornelius Gurlitt. "Es ist Wahnsinn," sagte der Direktor Matthias Frehner. Die ungeklärten rechtlichen Fragen der Sammlung könnten sich jedoch als Büchse der Pandora entpuppen. Das Museum will zunächst beraten, ob sie das Erbe annimmt.

Von Stefanie Müller-Frank |
    Dass Cornelius Gurlitt seine Kunstsammlung nicht dem deutschen Staat oder einem bayerischen Museum zur Verfügung stellen würde, hat wohl niemanden überrascht. Sein letzter Wille aber blieb geheim. Bis gestern das Testament eröffnet - und die privatrechtliche Stiftung Berner Kunstmuseum zur Alleinerbin erklärte wurde. Für Direktor Matthias Frehner kam die Nachricht aus heiterem Himmel.
    "Ich war total überrascht, das ist wie ein Blitz hier eingeschlagen. Ich habe mir nie im Leben vorgestellt, dass das Kunstmuseum Bern diese Sammlung erben könnte. Es ist Wahnsinn, was da passiert ist."
    Nun liegt Bern nicht ganz so fern von München. Das Auktionshaus Kornfeld in Bern hatte bis Anfang der Neunziger Bilder aus der Sammlung angekauft. Und im Zug von Zürich nach München war Cornelius Gurlitt im September 2010 von Zollbeamten kontrolliert worden - was den ganzen Fall ans Licht gebracht hatte. Eingefädelt aber hat im Kunstmuseum Bern das Erbe niemand, versichert Matthias Frehner:
    "In keinster Weise. Wir haben nie Kontakt gehabt zu Herrn Gurlitt, auch niemand von meinem Team. Wir wissen auch, dass er nicht mit Vorgängern von mir Kontakt gehabt hat. Nein, wir wissen es nicht, warum er uns gewählt hat."
    "Sich nicht mit Raubkunst schmücken"
    Für das Kunstmuseum Bern könnte sich das Erbe zudem als Büchse der Pandora entpuppen. Schließlich ist die Herkunft der meisten Bilder ungeklärt, außerdem enthält die Sammlung Werke, auf die Restitutionsansprüche erhoben wurden. Erst vor rund einem Monat hatte sich Gurlitt bereit erklärt, seine Sammlung untersuchen zu lassen. Diese Provenienzrecherchen müsse das Kunstmuseum Bern unbedingt fortsetzen, meint Barbara Gisi vom Schweizer Tourismusverband:
    "Ich denke, was ganz wichtig ist, dass man sich nicht mit Raubkunst schmückt. Also dass hier wirklich die Arbeit gemacht wird, die gemacht werden muss."
    Das Kunstmuseum Bern erbt also mit der Sammlung eine erhebliche Verantwortung - und zudem eine unsichere Rechtslage.
    "Natürlich ist da neben der juristischen auch eine moralische Auflage: diese Fragen der offenen Provenienz zu klären. Wenn es Werke aus jüdischen Sammlungen hat, die beschlagnahmt worden sind, dann muss das möglichst rasch einer fairen und moralisch vertretbaren Lösung zugeführt werden."
    Zu den Provenienzrecherchen müsste das Kunstmuseum als Alleinerbe für Restaurierung, Lagerung und Versicherung der Sammlung aufkommen. Für die privatrechtliche Stiftung könnten sich also erhebliche Kosten summieren. Deshalb wird sich der Stiftungsrat des Museums erst mal beraten, so Matthias Frehner, ob man das Erbe überhaupt annehmen wird. Zumal es noch keine gesicherten Analysen dazu gibt, was die Sammlung eigentlich wert ist.
    "Wenn der Aufwand größer ist und alles übersteigt, was wir am Ende als Sammlung zeigen dürfen, dann nehme ich an, das könnte zu einer Einschätzung führen, die eine Ablehnung mit sich bringt."
    Meisterwerke könnten in Sammlung integriert werden
    Der Museumsdirektor hofft jedoch, dass genug Vermögenswerte im Nachlass vorhanden sind, um die Recherchen zu finanzieren. Das Testament schreibt weder vor, wie mit den Werten umgegangen noch wie genau die Sammlung gezeigt werden muss. Kein isolierter Saal Gurlitt also. Zumindest das ist ein echter Glücksfall für das Kunstmuseum Bern, denn so ließe sich die bestehende Sammlung mit Gurlitts Bildern ergänzen.
    "Wenn es Meisterwerke sind, dann kann man die sehr wohl in unsere Sammlung integrieren. Wir besitzen schöne Sammlungsschwerpunkte zu allen wichtigsten Strömungen des 20. Jahrhunderts - insbesondere Fauvismus und Expressionismus. Das ist für jedes Museum ein Glücksfall, wenn da noch Erwerbungen möglich sind."