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Gurlitt-Nachlass in Bonn
"Das gehörte mal meiner Familie"

Ab November kann sich jeder die Kunstwerke aus dem Nachlass des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt ansehen. In zwei Ausstellungen in Bonn und Bern steht Aufklärung jedoch an zweiter Stelle. Denn es gehe nicht nur um Zeitgeschichte, sagt Kulturredakteur Stefan Koldehoff nach der Vorbesichtigung in Bonn, sondern um "großartige Kunstwerke".

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Änne Seidel |
    Sammlung Gurlitt (Waterloo Bridge von Claude Monet) im Depot der Bundeskunsthalle in Bonn am 27. Juni 2017.
    Sammlung Gurlitt (Waterloo Bridge von Claude Monet) im Depot der Bundeskunsthalle in Bonn am 27. Juni 2017. (Deutschlandradio / Stefan Koldehoff)
    Vor über fünf Jahren wurde der Nachlass des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt im Haus seines Sohnes beschlagnahmt. Seither wurde viel geforscht und berichtet und diskutiert. Ab November zeigen gleich zwei Museen Werke aus der Sammlung Gurlitt – das Kunstmuseum in Bern, dem Cornelius Gurlitt die Sammlung vererbt hatte, und die Bundeskunsthalle in Bonn.
    "Ein beglückender Moment"
    Für den Kulturredakteur Stefan Koldehoff war es "ein beglückender Moment", das Gemälde "Waterloo Bridge" von Claude Monet zum ersten Mal im Original zu sehen. Es gehe bei diesen Austellungen eben nicht nur um Zeitgeschichte, sondern um kulturelle Schätze.
    Die Sammlung besteht aus Hunderten von Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen. Insgesamt werden 255 Werke zu sehen sein, vor allem Zeichnungen, Aquarelle, Druckgrafiken sowie einige Skulpturen und Gemälde. Diese Auswahl spiegele die Sammlung wider.
    Es geht bei diesen Austellungen in zweiter Linie um Aufklärung. "Wir wollen über die Menschen hinter den Werken berichten", sagten die Kuratoren. "Wer war Hildebrand Gurlitt, der mit den Nazis paktiert und von ihnen profitiert hat, aber nicht der große Kunsträuber war, als der er immer dargestellt wurde. Wir wollen auch die Opfergeschichten erzählen." Dabei gehe es um die Menschen, denen die Bilder vorher gehörten. Es besteht die Hoffnung, dass sich der eine oder andere meldet: "Das gehörte mal meiner Familie". Die Werke sollen chronologisch und zeitgeschichtlich eingebettet werden.
    Komplizierter Spagat
    Die Ausstellung ist Teil der Provenienzrecherche. Das sei aber ein komplizierter Spagat, weil man natürlich den Kunstwerken gerecht werden müsse. "Es sind nicht nur Wandakten, Fahndungssteckbriefe, es sind großartige Kunstwerke". Man dürfe sie nicht zu historischen Belegen degradieren.
    Es gab große Vorbehalte gegen Ausstellung, oder auch Fehler bei den Ermittlungen im Vorfeld. All das soll thematisiert werden und im Katalog erscheinen.
    Es wurde mit großer Sorgfalt geforscht wird, nach einem Ampelprinzip: Rot, gelb, grün. Mit Sicherheit Raubkunst, eventuell gefährdet, bereits geklärt. Solcherart Forschungen könnten nicht im Rahmen einer Publikumsausstellung stattfinden, sondern müssten mit wissenschaftlichen Methoden aufgearbeitet werden. Das geschehe hier in in Bonn.
    Einige wenige Bilder aus der Sammlung wurden mittlerweile restituiert, also an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben, weil eindeutig geklärt werden konnte, dass es sich tatsächlich um Raubkunst handelt, unter anderem die "Zwei Reiter am Strand" von Max Liebermann.