Das weitgehende Fehlen von politischen Äußerungen von Aktiven bei den Olympischen Spielen findet Johannes Herber gut erklärbar: "Dadurch, dass es im Vorfeld eine Drohung eines chinesischen Offiziellen gab, die Tatsache, dass einige Organisation darauf hingewiesen haben, dass es vielleicht nicht ratsam wäre, sich kritisch zu äußern - das hat sicherlich dazu beigetragen, dass einige Athletinnen und Athleten, die sich sonst geäußert hätten, gesagt haben: 'Nein, dann sage ich lieber nichts und konzentriere mich auf das, was ich vor mir habe, nämlich meine sportliche Leistung.'"
Generell war die Situation für Teilnehmerinnen und Teilnehmer in China nicht ideal. Vor allem für Sportler, die zu Beginn der Spiele in coronabedingte Quarantäne mussten, obwohl schon von Testwettkämpfen die Probleme bekannt waren, wie Herber hervorhebt: "Leider muss man sagen, dass das IOC da nicht entsprechend reagiert hat. Wir haben gesehen, dass die Quarantänebedingungen zumindest zu Beginn nicht akzeptabel waren. Da musste immer noch nachgebessert werden."
"Bilder für kommerzielle Zwecke"
Der neue DOSB-Präsident Thomas Weikert hatte in seiner Bilanz von "funktionellen Spielen" gesprochen. Dem schließt sich Johannes Herber an: Die Organisation habe immerhin gut funktioniert.
IOC-Präsident Thomas Bach hatte in einem Interview Sportler mit Schauspielern im Theaterstück verglichen. Das Gefühl der Sportler passe dazu: Sie würden genutzt, um Bilder für kommerzielle Zwecke zu liefern und damit möglicherweise sogar einem diktatorischen Regime helfen, meint Herber. Sie hofften zukünftig auf mehr Mitbestimmung. Ein freiwilliger Verzicht auf die Spiele als Protest sei allerdings kaum möglich:
Selbst sehr erfolgreiche Sportler, die mehrmals zu den Spielen fahren, haben nicht automatisch ausgesorgt. Ganz und gar nicht. Sie sind abhängig von ihren Sponsoren. Sie sind auch abhängig von den Verbänden, die sie wieder nominieren sollen. Sie müssen einfach zu diesen Spielen fahren.
Mentale Unterstützung nach den Spielen nötig
In der Zeit nach den Spielen wirbt Athleten Deutschland nun für mentale Unterstützung für Sportlerinnen und Sportler, weil die nach einem solchen Großereignis oftmals in ein Loch fielen. Sie sollten die Möglichkeit bekommen, die Leere, die Ziellosigkeit professionell besprechen zu können.
Nach dem Fall Walijewa hat Herber Hoffnung, dass es eine ernsthafte Diskussion um ein Mindestalter für Sportleinnen und Sportler geben könnte. In Deutschland gäbe es dafür wohl eher eine Mehrheit, in Russland eher nicht, da das Land von der Ausbildung sehr junger Sportlerinnen profitiere.
Herbers persönliches Fazit nach Peking lautet nun: "Gut, dass wir die Spiele überstanden haben. Wir müssen sie jetzt nutzen, um Lehren daraus zu ziehen."