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Gut gemeint und schlecht gemacht

Landlose arme Brasilianer aus dem Süden sollen nach dem Willen der Regierung seit etwa 40 Jahren im Norden, in Amazonien Land und Wohlstand finden. Die Tübinger Geographin Dr. Martina Neuburger hat dort die Entwicklung dreier Dörfer in der Umgebung des Pantanal untersucht.

Cajo Kutzbach |
    Ein Problem ist, dass gerodeter Waldboden, oft rasch an Fruchtbarkeit verliert oder weggeschwemmt wird. Können die neuen Kleinbauern dem Teufelskreis aus Armut und Umweltzerstörung entkommen, also der wiederholten Waldrodung, um neues Ackerland zu gewinnen? - Nur in einem Dorf gelang es ehemaligen Kaffeeplantagen-Arbeitern in die Obstproduktion einzusteigen:

    Einmal hatten sie ausreichend Kapital, ausreichend Möglichkeiten, auch ein bisschen zu experimentieren und ein Risiko einzugehen. Und zum anderen hatten sie auch - was für kleinbäuerliche Gruppen in Brasilien nicht besonders typisch ist - das notwendige unternehmerische Denken, um eben sich an solche neuen Marktanforderungen auch anzupassen.

    Ein Dorf, in dem Arme Land besetzten, scheiterte erst beim Lebensmittelanbau am Boden, der schon bald zu wenig einträglicher Weide- und Milchwirtschaft zwang und dann an der Globalisierung: Ein italienischer Milchkonzern verkaufte seine Produkte so billig, dass er der Milchkooperative das Geschäft verdarb. Am Geldmangel allein lag es nicht, denn es gab regionale Entwicklungsprogramme:

    Reisschälmaschinen wurden finanziert, Straßen wurden gebaut oder auch große Lagerhäuser wurden gebaut, um Reis und Mais lagern zu können. - Das Problem war, dass dieses Programm kam, als die ersten Bauern schon umgestellt hatten auf Milchviehhaltung und dass es eigentlich zu spät kam.

    Einzelne Maßnahmen erwiesen sich als äußerst zwiespältig:

    Dieser Straßenbau, der hatte eigentlich die gegenteilige Wirkung: Nämlich nicht, dass die Bauern ihre Produkte vermarkten konnten, sondern dass billige Produkte in die Region kamen und damit den Markt kaputt machten für die Kleinbauern!

    Im dritten Dorf gründeten Frauen, als ähnliche Probleme auftraten, ein Netzwerk, das Nachbarschaftshilfe und zusätzlichen Verdienst durch auf dem Markt verkaufte Näharbeiten bietet. Da das Netzwerk von der Hilfe einer Sozialarbeiterin und staatlichen Zuschüssen abhängt, bietet sie keine sichere Zukunft.

    Also ziehen viele weiter. Teils zurück in Städte, teils tiefer hinein nach Amazonien, wo sich der Vorgang - also Rodung, Bodenverlust, Ernteausfälle und Weiterziehen - wiederholt und die Umwelt erneut belastet.

    Kreditangebote von Banken bringen Besitzlosen nichts, denn sie können keine Sicherheit bieten. Sogar Zuschüssen, die nicht zurückgezahlt werden müssen, wird misstraut, denn bisher machten die Armen die Erfahrung: "Der Staat verschenkt nichts!" - Kreditgeber verstehen oft nicht, dass Beziehungen zum Überleben notwendig sind:

    Deswegen ist unter Umständen die Ausrichtung eines Festes, in dem solche sozialen Beziehungen gefestigt werden, sehr viel wichtiger, als vielleicht noch ne Kuh anzuschaffen, die vielleicht ne Produktivität mit sich bringt.

    Meist wird nur der Anbau gefördert, nicht aber die Vermarktung. Aber ohne Vermarktung keine Einnahmen und keine Rückzahlung des Kredits:

    Ich habe drei verschiedene Dörfer untersucht, und die drei Dörfer könnten unterschiedlicher nicht sein, obwohl sie oberflächlich betrachtet sehr ähnlich strukturiert sind. D.h.: Eigentlich wäre es erforderlich für jedes Dorf, für jede Gruppe, eigene Konzepte zu entwickeln.

    Entwicklungshilfe folgt aber oft der Vorstellung, man müsse nur Geld geben und zu nachhaltigem und ökologischem Wirtschaften raten, dann würde alles gut:

    Das ist schon alles schön und gut, nur, wenn man diese einzelnen Dörfer anschaut, z.B. diese Verlierer, die wussten sehr wohl, dass sie dadurch, dass sie Grundnahrungsmittel anbauten, dass sie das Land schädigen. Sie hatten aber schlicht keine andere Alternative. Was hätten sie denn machen sollen? Sie hatten kein Geld, um Reis im Supermarkt zu kaufen, also mussten sie es anbauen oder wären verhungert, oder hätten in die Stadt abwandern müssen, was dann eine sehr viel größere Unsicherheit mit sich bringt.