Als eine Art Freifahrtschein für die EZB bezeichnete der CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch das Gutachten des Generalanwalts am EuGH. Die Bedingungen für den Kauf von Staatsanleihen - Erwerb zum Marktpreis und eine gute Beründung - seien für die EZB leicht zu erfüllen. Sollte der EuGH der Auffassung des Generalanwalts folgen, käme es zur Staatsfinanzierung durch die EZB. Doch das sei nicht ihre Aufgabe, sagte Willsch.
Nach Ansicht des Wirtschaftsausschuss-Mitglieds Willsch gehe damit dann die "Schuldenvergemeinschaftung in Europa" weiter.
Das Interview in voller Länge:
Dirk-Oliver Heckmann: Herr Willsch, der EuGH-Generalanwalt, der sagt, der massenweise Aufkauf von Staatsanleihen ist grundsätzlich rechtens. Das heißt also, freie Fahrt für die Euro-Rettungspolitik der EZB, und Kritiker wie Sie, die werden Lügen gestraft. Kann man das so zusammenfassen?
Klaus-Peter Willsch: Nein, Herr Heckmann. Das kann man so nicht zusammenfassen. Es ist ja ein ungewöhnliches Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts gewesen, das gab es bisher noch nicht. Das Verfassungsgericht hat im Grunde gesagt, wir halten das für unrechtmäßig, das ist illegale Staatsfinanzierung, was da geplant ist, und wir wären bereit, da noch mal drüber nachzudenken, wenn uns das EuGH sagt, wie man das vertragskonform auslegen kann, welchen Weg es da gibt. Und genau den zeigt jetzt der Generalstaatsanwalt da ja nicht auf, sondern er sagt im Grunde genommen, na ja, die EZB, die kennt sich da viel besser aus mit Geldpolitik und all den Fragen und das ist sehr kompliziert für uns und das müssen wir denen schon überlassen, und das ist eigentlich die Quintessenz des Ganzen, was jetzt vorliegt.
Heckmann: Der Generalanwalt sagt aber auch, die Notenbank gehe mit diesen Aufkäufen kein Risiko ein, insolvent zu gehen, und die EZB müsse bei ihrer Geldpolitik über ein weites Ermessen verfügen.
"Die EZB überschreitet ihr Mandat"
Willsch: Ja. Insolvent gehen ist ja bei der EZB nicht vorstellbar, weil die Länder, die sie tragen, müssen ja im Zweifelsfall dafür einstehen. Aber das Problem, was sich doch stellt, ist: Wenn wir als Politik Entscheidungen treffen und Steuerzahlergeld einsetzen und das den Leuten nicht gefällt, dann können sie uns hinterher abwählen. Einen Zentralbanker können sie nicht abwählen, der ist dort, und deshalb ist es wichtig, dass sich strikt ans Mandat gehalten wird, und dazu ist in den Verträgen niedergelegt, dass es nicht zum Mandat gehört, Staaten zu finanzieren, dass das nämlich ausdrücklich ausgeschlossen ist. Und insofern bin ich gespannt, wenn jetzt das EuGH, was wir ja erst abwarten müssen, dieser Einschätzung folgt, wie das Bundesverfassungsgericht damit umgeht. Das Bundesverfassungsgericht hat eigentlich schon sehr deutlich gesagt, wir glauben, dass hiermit das Mandat überschritten wird.
Heckmann: Das sieht der Generalanwalt aber ganz offensichtlich völlig anders und er hat ja auch Bedingungen aufgestellt, unter denen diese Aufkäufe dann im Zweifelsfall getätigt werden können und müssen, und zwar muss die EZB zu Marktpreisen aufkaufen und sie muss diesen Aufkauf auch gut begründen. Das sind allerdings Bedingungen, die relativ einfach zu erfüllen sein werden.
Willsch: Das ist leider so, genau. Insofern ist das Carte blanche und das kann nicht richtig sein. Die Ausübung staatlicher Gewalt muss unter das Recht und das gilt auch für die Geldpolitik. Man kann nicht nach dem Motto "Not kennt kein Gebot" sagen, wenn da eine krisenhafte Zuspitzung ist, dann können die machen was sie wollen. Es muss immer alles unter dem Rechtsstaatsvorbehalt stehen. Und wenn nun das EuGH dem da folgt, dann ist in einem ganz wesentlichen Bereich - wir reden hier ja nicht über Kleinigkeiten, sondern über Größenordnungen, die das Volumen eines Bundeshaushalts von 300 Milliarden locker ums Doppelte, Dreifache überschreiten, je nachdem wie weit die da ausholen wollen beim Ankauf von Staatsanleihen, und das kann nicht sein, dass das eine Institution, die für diesen Zweck nicht da ist, sondern die sich um die Geldpolitik kümmern muss und nicht um die Wirtschafts- und Finanzpolitik, dass die das einfach so leichtfüßig dann macht.
Heckmann: Gehen Sie denn davon aus, dass der EuGH im Herbst, wenn das Urteil fällt, dann diesem Votum folgt, wie das normalerweise ja auch der Fall ist?
Verfassungsgericht in Karlsruhe als letzte Instanz
Willsch: Ich fürchte das, ja, und hoffe dann auf unser Verfassungsgericht, denn es gibt ja die Rechtskonstruktion der sogenannten ausbrechenden Rechtsakte, wo das Verfassungsgericht sich vorbehält zu sagen, wenn auf der europäischen Ebene Dinge gemacht werden, die mit dem Grundgesetz, unserer verfassungsmäßigen Ordnung nicht in Übereinstimmung zu bringen sind, dann können wir hineingrätschen. Dann können wir sagen, das ist so nicht machbar, dazu muss der Souverän gefragt werden.
Heckmann: Und dann hätten wir aber einen Konflikt zwischen EuGH auf der einen Seite und dem Verfassungsgericht in Karlsruhe?
Willsch: Gut, das Risiko ist natürlich das Verfassungsgericht eingegangen, als es die Frage vorgelegt hat zur Beurteilung, und das kann sein, dass wir das jetzt kriegen, ja.
Heckmann: Gehen Sie am Ende davon aus, dass Karlsruhe dieses Programm, das ja angekündigt worden war, jetzt letztendlich noch stoppt?
Willsch: Ich hoffe das, denn es ist im Grunde die letzte Instanz, auf die wir da setzen können. Ansonsten geht die Schuldenvergemeinschaftung weiter und wir schauen hilflos dabeistehend sozusagen zu, wie deutsche Sparer enteignet werden, wie Schulden auf der europäischen Ebene entgegen den Nichteinstands-Regelungen, der No-Bailout-Klausel und ähnlichem nun doch übernommen werden von der Gemeinschaft und auf diese übertragen werden, und das kann nicht der richtige Weg sein. Es werden damit diejenigen, die ihre Hausaufgaben machen, bestraft und die belohnt, die sie nicht machen.
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