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Gutachten
Zweifel an Rechtmäßigkeit von Wohnungskonzern-Enteignung

Die Stadt als Vermieterin: Eine Initiative in Berlin will den kommunalen Wohnungsbestand vergrößern – und setzt dafür auf die Enteignung von Konzernen wie der Deutsche Wohnen. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Wohnungswirtschaft zweifelt jedoch an der Rechtmäßigkeit einer Enteignung.

Von Dieter Nürnberger |
Protestplakat "Deutsche Wohnen und Co enteignen" an einem Wohnhaus an der Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain.
Seit Wochen wird in Berlin über die Enteignung von Wohnungskonzernen diskutiert (imago/IPON)
Noch werden in Berlin Unterschriften für das Volksbegehren mit dem Namen "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" nicht einmal gesammelt, doch ist das Thema seit Wochen Grund für hitzige Debatten. Geht es nach den Initiatoren des Volksbegehrens sollen Unternehmen, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, künftig enteignet werden. Die "Deutsche Wohnen" steht wegen ihres Umgangs mit Mietern in Berlin seit langem in der Kritik, neben dieser börsennotierten Wohnungsgesellschaft wären etwa zehn weitere Unternehmen mit einem Gesamtbestand von rund 210.000 Wohnungen betroffen. Es geht darum, die einst auch in Berlin praktizierte Privatisierung von kommunalen Wohnungsunternehmen rückgängig zu machen, sagt der Volkswirt Rouzbeh Taheri, einer der Initiatoren der Initiative:
"Diese Wohnungen, die früher auch größtenteils städtisch waren, gehören dann auch gemeinwirtschaftlich bewirtschaftet. Also im Sinne einer Wohnungsversorgung für breite Schichten der Bevölkerung. Und nicht im Sinne der Profitmaximierung."
Die Landesregierung zeigt sich zerstritten: Während Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) das Ansinnen als Populismus zurückweist, unterstützt zumindest ein Koalitionspartner, die Linke, das Volksbegehren.
Verfassungsrechtler: Verhältnismäßigkeit ist nicht gegeben
Geht es nach dem Willen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen sollte sich der Senat eindeutiger positionieren - und zwar dagegen. Denn ein hier in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten sieht in den geplanten Enteignungen keine verfassungsgemäße Grundlage: Das Gutachten hat der Verfassungsrechtler Helge Sodan erstellt, er verweist auf Artikel 15 des Grundgesetzes:
"Das wird auch von Niemandem bestritten, dass Eigentum verpflichtet. Und dass sein Gebrauch auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll. Aber das heißt noch längst nicht, dass sich damit eine so umfangreiche Sozialisierung rechtfertigen ließe."
Die Verhältnismäßigkeit sei nicht gegeben, da die im Volksbegehren formulierte Höchstgrenze von 3.000 Wohnung recht willkürlich sei. Auch garantiere Artikel 14 des Grundgesetzes die Eigentumsfreiheit. Der Verfassungsrechtler bezweifelt zudem, dass die Entschädigungskosten mit der ab 2020 grundgesetzlich verbindlich geltenden "Schuldenbremse" konform seien.
Enteignung würde mehrere Milliarden Euro kosten
Während die Initiative für das Volksbegehren von maximal rund 13 Milliarden Euro ausgeht, sehen Senatsberechnungen bis zu 36 Milliarden an Enteignungskosten vor. Zum Vergleich: Die gegenwärtige Verschuldung des Landes Berlin liegt bei 58 Milliarden Euro. Ein Irrsinn, sagt Maren Kern vom Vorstand des Verbandes der Wohnungsunternehmen:
"Das bedeutet dann in der Konsequenz, dass über Jahre keine Investitionen in den Schulbau oder die Sanierung von Kitas gehen würden. Gehälter könnten nicht angehoben werden - das wäre ein fatales Signal für Berlin."
Das Rechtsgutachten verweist zudem auf die Berliner Verfassung, die einen noch stärkeren Eigentumsschutz als das Grundgesetz vorsieht. Die Initiative will die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren - trotz formulierter verfassungsrechtlicher Bedenken zumindest der Wohnungswirtschaft - am 6. April starten. Im der ersten Stufe wären 20.000 Unterschriften der Wahlberechtigten erforderlich. Wohl keine große Hürde.