Archiv


Gute Feinde gesucht

Biologie. - Eingewanderte Pflanzen sind eine Zivilisationsplage, deren Lösungen in Form von absichtlich eingeführten Feinden zum Teil noch viel mehr Chaos in das ökologische Gleichgewicht brachten als die eigentlichen Schädlinge. In Frankreich forschen Biologen jetzt an einer neuen Methode.

Von Michael Stang |
    Die biologische Unkrautkontrolle mit ihren modernen Methoden findet heute größtenteils im Labor statt. Doch dazu müssen Wissenschaftler immer noch wie einst Vladimir Nabokov ihre Forschungsobjekte meist mit einem Kescher in der Hand auf der Wiese fangen: Schmetterlinge, Käfer und Fliegen sollen teure und umweltschädliche Pflanzengifte ersetzen, um die Ausbreitung eingeschleppter Arten zum Beispiel in Nordamerika einzudämmen. Rene Sforza forscht darüber für die US-amerikanische Landwirtschaftsbehörde USDA. Sein Einsatzgebiet liegt mitten in Frankreich nördlich von Lyon im Saône-Tal.

    "Der Grund, warum ich hier in Frankreich und nicht in Übersee an der biologischen Unkrautkontrolle mit Insekten für Nordamerika arbeite ist einfach: die eingeschleppten Pflanzen stammen überwiegend aus Europa. Aktuell beschäftige ich mich mit der Eselswolfsmilch: Euphorbia esula."

    Die scharfe Wolfsmilch oder Eselswolfsmilch ist ein giftiges Unkraut, das bis zu 90 Zentimeter hoch wachsen kann. Seit Jahrzehnten bringt es das ökologische Gleichgewicht in den USA durcheinander. Da aber auch in Frankreich die gleichen klimatischen Bedingungen wie in Nordamerika herrschen, konnte Rene Sforza dort ein 3.000 Hektar großes Gebiet ausmachen, dass er als eine Art Referenz-Testgebiet erforscht. Deshalb sucht Rene Sforza bestimmte Insekten, die der Wolfsmilch schaden.

    "Wir haben mittlerweile sieben Erfolg versprechende Insekten gefunden, hauptsächlich Fliegen und Käfer, die die Pflanze anknabbern. Der beste Kandidat ist ein Hornkäfer, der seine Larven in den Wurzeln ablegt und seinen Nachwuchs im Frühjahr mit den ersten Sprossen der Pflanze füttert."

    Die eingesammelten Insekten vermehrten die Forscher in ihrer Insektenzucht, damit sie genügend Exemplare für ihre Experimente zur Verfügung haben. Im Labor begannen sie dann mit ersten Tests. Dabei wurde immer eine Pflanze unter eine Glocke gesetzt und anschließend zwei oder vier Insekten auf die scharfe Wolfsmilch losgelassen. Den angefressenen Schaden werteten die Forscher statistisch aus und wiederholten die Versuche mehrfach. Im nächsten Experiment spannten sie ein Netz im Feld über 30 Pflanzen aus. Anschließend bekamen diese Besuch von 60 ausgewachsenen Insekten, die das Unkraut eine ganze Saison anknabbern durften.

    "Das dritte Experiment war dann ein vollständiger Freilandversuch ohne Netze, wo wir gezielt 100 Insekten auf dichten Pflanzenwuchs losgelassen haben. Dieses Jahr wollen wir 500 bis 1000 Insekten auf vier Quadratmeter Pflanzenfläche loslassen und die Käfer die ganze Saison begleiten."

    Im vergangenen Jahr konnten die Forscher auf diese Weise die Ausbreitung der scharfen Wolfsmilch im Vergleich zu den Kontrollexperimenten um bis zu 26 Prozent verringern. Vollständig eindämmen wollen Rene Sforza und seine Kollegen das Unkraut aber nicht, das widerspräche dem Ansatz der biologischen Unkrautkontrolle. Vielmehr geht es um eine Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts. Der Vorteil dieses Projekts liegt für den Biologen nicht nur darin, dass dies die erste groß angelegte biologische Unkrautkontrolle in Europa überhaupt ist, sondern vielmehr in ihrem innovativen Gedanken.

    "Der Vorteil dieses Projekts ist, dass wir ausschließlich mit heimischen Insekten arbeiten, die der Pflanze gefährlich werden können. Das unterscheidet sich von allen anderen Ansätzen, bei denen immer Insekten in ein fremdes Land eingeführt werden und das ist mit vielen Risiken behaftet."

    Dieser Ansatz könnte eine viel versprechende Lösung sein, um eingewanderte Pflanzen mit altbekannten Feinden zu bekämpfen, ohne gleichzeitig eine mögliche neue Plage zu schaffen.