Im menschlichen Darm herrscht ein ziemliches Getümmel – schätzungsweise 10 bis 100 Billionen Mikroorganismen finden sich dort, verteilt auf etwa 1000 Arten. Die kleinen Untermieter helfen dem Menschen bei der Verdauung oder bei der Abwehr von Infektionen. Doch Antibiotika können diese bunte Vielfalt irreversibel zerstören, warnt Martin Blaser, Professor für Mikrobiologie an der New York University.
"Ich habe vor ein paar Jahren die Idee entwickelt, dass unsere Darmflora allmählich verarmt. Einige der ursprünglich vorhandenen Bakterienarten sind verschwunden, weil sie durch Antibiotika ausgelöscht wurden. Dieser Effekt verstärkt sich von Generation zu Generation, weil jede Mutter weniger Organismen an ihre Nachkommen weiter gibt."
Diese Verarmung der Bakteriengesellschaft kann langfristig zu Krankheiten wie Diabetes, Fettleibigkeit oder Asthma führen, vermutet Martin Blaser. Dass sich manche Bakterien in der Darmflora inzwischen rar machen, ist wissenschaftlich belegt. Und es gibt auch keinen Zweifel daran, dass Antibiotika das Gleichgewicht der Darmflora stören, weil sie krank machende und harmlose Keime gleichermaßen töten. Doch Otto Cars, Professor für klinische Mikrobiologie in Uppsala, hält es für verfrüht, einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Zivilisationskrankheiten und übermäßigem Antibiotikaverbrauch herzustellen.
"Es gibt zwar Hinweise darauf aber 100 Prozent wissenschaftlich bewiesen ist das nicht. Man kann die Beweislast aber auch umkehren und sagen: Auch wenn wir nicht sicher sind, dass es diesen Zusammenhang gibt, hat Blaser absolut recht: Wir müssen unbedingt neue Wege finden, wie wir Infektionen ohne Antibiotika behandeln können."
Martin Blaser möchte nun untersuchen, wie sich die Darmflora seit der Einführung von Antibiotika verändert hat. Deshalb plant er, den Bakterienzoo zu kartieren, der sich im Darm von Ureinwohnern des brasilianischen Regenwalds tummelt.
"Wir verfolgen dabei mehrere Ziele. Einmal möchten wir herausfinden, ob sich bei Urvölkern andere Organismen im Darm finden als bei uns. Zum anderen möchten wir eine Art Bibliothek von dieser ursprünglichen und unveränderten Bakteriengesellschaft anlegen. Mithilfe dieser Datenbank könnten wir dann langfristig verloren gegangene Organismen in unserer Darmflora wieder ersetzen."
Schon jetzt werden manchen Patienten erfolgreich harmlose Darmbakterien verabreicht, um chronische Durchfallerkrankungen zu heilen. Doch Otto Cars hält es für verfrüht, über eine therapeutische Manipulation der menschlichen Darmflora nachzudenken.
"Solche Schlussfolgerungen sind sehr spekulativ und vielleicht eine Frage für die Zukunft. Man muss vorher genauer untersuchen, was passiert, wenn man die Darmflora neu besiedelt. Ich halte es für wichtiger, Arzneimittel zu entwickeln, die spezifischer wirken. Wir dürfen nicht einfach so weiter machen und leichtfertig Medikamente verschreiben, die die Darmflora beeinträchtigen. Das kann unabsehbare Folgen für die Gesundheit haben und zu Problemen mit resistenten Bakterien führen."
Ob Ärzte ihre Verschreibungspraxis kurzfristig ändern werden, ist jedoch fraglich. Und es braucht viel Zeit, neue Medikamente zu entwickeln, die sich spezifisch nur gegen Krankheitserreger richten. Otto Cars sieht daher einen ernstzunehmenden Engpass auf die Medizin zukommen.
"Es war fantastisch ein Medikament zur Verfügung zu haben, für das man keine genauen Diagnosen stellen musste. Bei bakteriellen Infektionen hat man einfach Antibiotika gegeben und das hat meistens funktioniert. Aber wir haben diese Behandlungsmöglichkeit durch unseren sorglosen Umgang zerstört und laufen Gefahr, schon bald keine wirksamen Antibiotika mehr zur Verfügung zu haben."
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Diese Verarmung der Bakteriengesellschaft kann langfristig zu Krankheiten wie Diabetes, Fettleibigkeit oder Asthma führen, vermutet Martin Blaser. Dass sich manche Bakterien in der Darmflora inzwischen rar machen, ist wissenschaftlich belegt. Und es gibt auch keinen Zweifel daran, dass Antibiotika das Gleichgewicht der Darmflora stören, weil sie krank machende und harmlose Keime gleichermaßen töten. Doch Otto Cars, Professor für klinische Mikrobiologie in Uppsala, hält es für verfrüht, einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Zivilisationskrankheiten und übermäßigem Antibiotikaverbrauch herzustellen.
"Es gibt zwar Hinweise darauf aber 100 Prozent wissenschaftlich bewiesen ist das nicht. Man kann die Beweislast aber auch umkehren und sagen: Auch wenn wir nicht sicher sind, dass es diesen Zusammenhang gibt, hat Blaser absolut recht: Wir müssen unbedingt neue Wege finden, wie wir Infektionen ohne Antibiotika behandeln können."
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"Wir verfolgen dabei mehrere Ziele. Einmal möchten wir herausfinden, ob sich bei Urvölkern andere Organismen im Darm finden als bei uns. Zum anderen möchten wir eine Art Bibliothek von dieser ursprünglichen und unveränderten Bakteriengesellschaft anlegen. Mithilfe dieser Datenbank könnten wir dann langfristig verloren gegangene Organismen in unserer Darmflora wieder ersetzen."
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"Solche Schlussfolgerungen sind sehr spekulativ und vielleicht eine Frage für die Zukunft. Man muss vorher genauer untersuchen, was passiert, wenn man die Darmflora neu besiedelt. Ich halte es für wichtiger, Arzneimittel zu entwickeln, die spezifischer wirken. Wir dürfen nicht einfach so weiter machen und leichtfertig Medikamente verschreiben, die die Darmflora beeinträchtigen. Das kann unabsehbare Folgen für die Gesundheit haben und zu Problemen mit resistenten Bakterien führen."
Ob Ärzte ihre Verschreibungspraxis kurzfristig ändern werden, ist jedoch fraglich. Und es braucht viel Zeit, neue Medikamente zu entwickeln, die sich spezifisch nur gegen Krankheitserreger richten. Otto Cars sieht daher einen ernstzunehmenden Engpass auf die Medizin zukommen.
"Es war fantastisch ein Medikament zur Verfügung zu haben, für das man keine genauen Diagnosen stellen musste. Bei bakteriellen Infektionen hat man einfach Antibiotika gegeben und das hat meistens funktioniert. Aber wir haben diese Behandlungsmöglichkeit durch unseren sorglosen Umgang zerstört und laufen Gefahr, schon bald keine wirksamen Antibiotika mehr zur Verfügung zu haben."
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